Für Florian Kunze, führenden Forscher auf diesem Gebiet, ist die Sachlage klar. <BR /><BR />Über ein Jahrhundert lang gehörte es zum Angestelltendasein dazu, sich in einem Raum aufzuhalten, der das Leben taktete in Arbeit und Freizeit. Die Rede ist natürlich vom Büro. Die Zeiten waren definiert, ebenso die Tätigkeiten und das Umfeld, in dem die Arbeit verrichtet werden sollte. Wenn dann Feierabend war, blieb die Arbeit im Büro und wartete bis zum nächsten Tag.<BR /><BR /> Im März 2020 brach dann ein Modell über uns herein, das mit alldem aufräumte: das Homeoffice. Während vor der Pandemie nur die wenigsten von uns regelmäßig von zu Hause aus arbeiten durften, wurde es für viele, die im engeren und weiteren Sinne etwas mit Büro- und Verwaltungsarbeiten zu tun haben, zur neuen Normalität im Berufsleben. Die Frage für Unternehmen und Beschäftigte ist, wie nachhaltig diese Transformation der Arbeitswelt durch die Coronapandemie sein wird. <h3> Einzigartige Studie im deutschsprachigen Raum</h3>Professor Florian Kunze gilt als einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet. Er leitet das Future of Work Lab an der Universität Konstanz und die mittlerweile viel beachtete Konstanzer Homeoffice-Studie. Letztere ist in dieser Form einzigartig und repräsentativ für den deutschsprachigen Raum. Kunze und sein Forschungsteam befragten hierfür an insgesamt 14 Zeitpunkten seit März 2020 über 700 Erwerbstätige nach ihren Erfahrungen mit dem Homeoffice. <BR /><BR />Diese 14 Befragungszeitpunkte sind deshalb wichtig, weil sie einen recht nüchternen Blick auf das Thema zulassen – losgelöst von kurzfristigen Euphorie- bzw. Ernüchterungsphasen.<BR /><BR /><embed id="dtext86-53024779_quote" /><BR /><BR /> Eine wesentliche Erkenntnis der Langzeitstudie vorweg: „Die Zeit zurückzudrehen, hat keinen Sinn“, sagt er. Starre Arbeitsarrangements mit ständiger Präsenzpflicht im Büro dürften in vielen Bereichen der Vergangenheit angehören. „Die Kultur in vielen Unternehmen, die Präsenz im Büro mit Leistung gleichsetzt, dürfte längerfristig ins Wanken kommen und auch die Argumentation von Führungskräften, dass spezifische Bürotätigkeiten grundsätzlich nicht im Homeoffice möglich sind, dürfte schwer zu halten sein.“ <BR /><BR />Doch der Reihe nach. „77 Prozent der 700 Befragten stimmten der These zu, dass die Work-Life-Balance sich im Homeoffice verbessere. Nur 18 Prozent der Befragten meinen, dass Homeoffice Produktivität und Arbeitsprozesse stört. Auch zeigte sich, dass der Wunsch nach Homeoffice über die unterschiedlichen Phasen der Pandemie stabil geblieben ist. 70 Prozent der Beschäftigten kommen trotz Präsenzarbeit noch vorwiegend digital zusammen“, so Kunze. <BR />Was ist der Grund für den großen Zuspruch vonseiten der Arbeitnehmer? „Das hängt damit zusammen, dass viele Beschäftigte das flexible Arbeiten von zu Hause sehr wertschätzen. Man kann sich seine Zeit freier einteilen und flexibel zwischen beruflichen und privaten Aufgaben wechseln. Gleichzeitig fällt der Pendelweg weg, der für viele ein großer Zeitfresser und eine enorme Belastung darstellt. Wenn diese Flexibilität wieder zurückgefahren wird, besteht eine große Gefahr, dass das Engagement der Mitarbeiter leidet und die Wechselbereitschaft zu einem anderen Arbeitgeber zunimmt“, so Kunze. <BR /><BR /><embed id="dtext86-53025245_quote" /><BR /><BR />Der letztgenannte Aspekt komme besonders in engen Arbeitsmärkten zum Tragen, wie etwa Südtirol. „Schon vor der Pandemie haben wir ja die Tendenz beobachtet, dass es inzwischen einen Bewerbermarkt gibt, in dem Bewerber und Bewerberinnen gegenüber den Unternehmen ihr Vorstellungen gut durchsetzten können. In unserer Befragung sehen wir, dass deutlich über 50 Prozent der Beschäftigten verstärkt darauf achten werden, dass mobile Arbeitsmöglichkeiten bei einem neuen Job angeboten werden. Deshalb werden gerade die klein- und mittelständischen Unternehmen, die häufig noch zögern bei einer Transformation zu einer mobilen Arbeitswelt, nicht darum herumkommen ihre Arbeitsstrukturen und Prozesse zu flexibilisieren“, so der Experte. <h3> Sozialen Austausch und Kreativität fördern</h3>Hochspannend ist auch der Vergleich zwischen Mitarbeitern, die in den vergangenen fast 2 Jahren dauerhaft im Homeoffice arbeiten durften und jenen, die von ihren Chefs wieder ins Büro zurückgeholt wurden. <BR />„Interessant waren in der Tat die Effekte bei den Beschäftigten, nachdem sie zuerst im Homeoffice gearbeitet haben und dann wieder ins Büro zurück kehren mussten, weil meistens Arbeitgeber und Führungskräfte diese wollten. Hier sahen wir einen einen beträchtlichen Rückgang der selbst eingeschätzten Produktivität von fast 12 Prozent, im Vergleich zu der Gruppe, die weiter mobil und flexibel arbeiten konnte. Zum anderen stieg auch die Belastung und Erschöpfung in dieser Gruppe der Rückkehrer deutlich an. Sie empfanden die Arbeit als deutlich anstrengender“, so Kunze. <BR />„Das zeigt schon recht eindrücklich, dass durch eine vollständige Rückkehr zur Präsenzarbeit die Gefahr besteht, dass die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern und in der Folge des Unternehmens leidet, und auch Stress und Belastung zunehmen“, betont er. Bei jüngeren Arbeitnehmern geht die Homeoffice-Begeisterung soweit, dass rund ein Sechstel sogar bereit wäre, Gehaltseinbußen in Kauf zu nehmen. <BR /><BR /><embed id="dtext86-53025270_quote" /><BR /><BR />Allerdings – auch das belegt die Homeoffice-Studie – will nur eine Minderheit voll mobil bzw. von zuhause aus arbeiten. „Gewünscht werden hybride Formen mit bis zu 3 Tagen Homeoffice bzw. mobiler Arbeit“, sagt er. „Aus betrieblicher Sicht der Arbeitgeber ist diese hybride Form aber nicht optimal. Diese müssen ein Interesse daran haben, dass es gemeinsame Präsenztage im Büro gibt, an denen ein Austausch zwischen den Beschäftigten möglich ist, damit soziale Bindungen aufgebaut werden können und Kreativität in der Zusammenarbeit gefördert wird. Dies sinnhaft an die Beschäftigten zu kommunizieren und auch eine Büroumgebung zu schaffen, die einen sozialen Austausch fördert, ist jetzt eine zentrale Aufgabe für den Übergang in eine hybride Arbeitswelt, die Präsenzarbeit und mobile Arbeit integriert“, so der Universitätsprofessor. <BR /><BR />Insgesamt geht Kunze davon aus, dass sich mobiles Arbeiten, Homeoffice ist ein Teil davon, in vielen Bereichen durchsetzen wird: „Auf Deutschland bezogen eignen sich bis zu 40 Prozent der Jobs fürs Smart Working.“<BR /><BR />Ähnliche Ergebnisse kommen von der Universität in Stanford, die ebenfalls von einer langfristig hybriden Arbeitswelt ausgeht. Die Gründe decken sich im Wesentlichen mit jenen, die auch Kunze ermittelt hat: Erstens wurden Trägheit und langjährige Widerstände in Organisationen gegen mobiles Arbeiten durch die dynamische Veränderung durch Corona mit einem Schlag überwunden, heißt es in der Studie. <BR /><BR /> Zweitens haben sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Investitionen in das mobile Arbeiten getätigt, zum Beispiel in Form von IT-Infrastruktur, die Anreize für eine Fortsetzung geben. Drittens wurde das mobile Arbeiten von dem Stigma befreit, dass dies nur Teilzeitbeschäftigte oder weniger leistungsfähige Arbeitnehmer machen können. <BR />Zusätzlich ist es möglich, dass Mitarbeitende auch Maßnahmen der sozialen Distanz beim Arbeiten, zum Beispiel zum Infektionsschutz während der Grippesaison weiter aufrechterhalten werden. <BR />Fünftens werden technologische Innovationen für ein effektives mobiles Arbeiten weiter zunehmen. So hat die Zahl der Patente, die explizit das Wort Homeoffice erwähnen, deutlich zugenommen Schließlich dürfte mobiles Arbeiten auch ein zentraler Faktor für die Arbeitgeberattraktivität werden.<BR />