Sonntag, 27. August 2023

Als Tontechniker auf dem Kreuzfahrtschiff: So ist das Leben auf hoher See

Arbeiten und dabei gleichzeitig die Welt bereisen, mehrere Monate fernab von zu Hause und auch noch Erfahrungen und Eindrücke für das Leben sammeln. Klingt wie ein Traum, oder? Martin Guadagnini aus Pinzon (Montan) hat sich das einzigartige Leben auf dem Kreuzfahrtschiff für 4 Monate zum Alltag gemacht. Im Sonntags-Gespräch nimmt uns der Veranstaltungstechniker mit hinter die Kulissen - in eine Welt, die den Gästen an Bord normalerweise verborgen bleibt.

Die „Mein Schiff 1“ in Ocho-Rios, Jamaika. - Foto: © Martin Guadagnini

Von Johanna Torggler

STOL: Die Kreuzfahrtbranche boomt. Immer mehr Menschen entscheiden sich für einen Urlaub auf hoher See. Aber wie kommt man auf die Idee, als Teil der Crew an Bord zu gehen?
Martin Guadagnini: Dass es diese Möglichkeit gibt, habe ich schon während meines Studiums erfahren. Einige Jahre später, gerade nach der Corona-Zeit, wollte ich einen Einblick in die deutsche Veranstaltungstechnik erhalten. Außerdem wollte ich mal von zu Hause weg und so kam mir die Arbeit auf dem Kreuzfahrtschiff wieder in den Sinn. Die Mein Schiff 1 von TUI Cruises ist mit Veranstaltungstechnik namhafter internationaler Hersteller ausgestattet. Die Arbeit auf diesem Kreuzfahrtschiff war für mich also der ideale Weg, um mit der gängigen Technik zu arbeiten, und gleichzeitig etwas von der Welt zu sehen.


Gestern Costa Rica, heute Panama und am nächsten Tag Kolumbien. So sieht der Alltag auf einem Kreuzfahrtschiff wirklich aus. Sonst kann man sich das Leben hier vorstellen wie in einem großen Dorf.
Martin Guadagnini


STOL: Das Abenteuer auf dem Schiff ging für dich im Februar dieses Jahres in der Karibik los. Kannst du dich an den ersten Eindruck erinnern?
Martin: Ja. Als ich das Schiff zum ersten Mal gesehen habe, hatte ich zunächst großen Respekt. Am Anfang war es schon eher schwierig. Auf dem Kreuzfahrtschiff befinden sich teilweise 4000 Personen- davon 1.000 Crewmitglieder und maximal 3000 Gäste. Da verliert man schon mal den Überblick. Gerade in den ersten Tagen verbringt man viel Zeit damit, sich zu verlaufen. Allerdings sind alle Crew-Mitglieder an Bord sehr hilfsbereit und nach ein bis 2 Wochen empfindet man das Leben auf dem Schiff als ganz „normal“.


STOL: Du sagst die Veranstaltungstechnik war einer der Hauptgründe, warum du auf dem Schiff arbeiten wolltest. Du warst an Bord also Veranstaltungstechniker?
Martin: Ja genau. Ich war Teil des Entertainment-Teams und somit für die Unterhaltung der Gäste an Bord mit zuständig.


Martin Guadagnini bei der tontechnischen Betreuung in der Schaubühne mit circa 200 Sitzplätzen.



STOL: Was hast du genau gemacht?
Martin: Auf dem Schiff gibt es verschiedene Bars, in denen täglich ein Musiker, oder Musikgruppen auftreten. Meine Aufgabe war es, diese tontechnisch zu betreuen. Außerdem gibt es an Bord ein großes Theater, welches knapp 1.000 Sitzplätze hat. Dort war ich für die Bühnenvorbereitungen mit verantwortlich.


STOL: Wie ist das Leben auf hoher See?
Martin: Man schläft, wo man arbeitet; der Arbeitsweg ist also sehr kurz. Auf der anderen Seite hat man, je nach Position, auch viel Freizeit.

Sonne tanken an den schönsten Stränden der westlichen Karibik, Wanderungen in der herrlichen Landschaft Norwegens, ein Spaziergang im Dschungel von Jamaika und die Sterne vom Crew-Deck aus beobachten. Aber auch die Arbeit hat mich begeistert.
Martin Guadagnini


Fast jeden Morgen wacht man in einem anderen Hafen auf und wenn man die Kabine verlässt, sieht man wieder etwas Neues - das ist schon beeindruckend. Gestern Costa Rica, heute Panama und am nächsten Tag Kolumbien. So sieht der Alltag auf einem Kreuzfahrtschiff wirklich aus.

Sonst kann man sich das Leben hier vorstellen wie in einem großen Dorf. Man ist ja rund um die Uhr von den anderen Crew-Mitgliedern umgeben und schnell kennt hier jeder jeden.


STOL: Was zählt zu den besten Erlebnissen dieser Zeit?
Martin: Sonne tanken an den schönsten Stränden der westlichen Karibik, Wanderungen in der herrlichen Landschaft Norwegens, ein Spaziergang im Dschungel von Jamaika und die Sterne vom Crew- Deck aus beobachten. Ich fand es auch besonders faszinierend, wie viele Leute ich aus verschiedensten Ländern in kürzester Zeit kennenlernte.

Aber auch die Arbeit hat mich begeistert. Es war sehr interessant, denn die Schiffe haben eine gute Ausstattung und es hat mir große Freude bereitet, damit zu arbeiten.


Veranstaltungstechniker Martin Guadagnini beim Crew-Ausflug zum Nordkapp um Mitternacht.



STOL: Wie läuft ein typischer Arbeitstag als Veranstaltungstechniker ab?
Martin: Nach dem Frühstück in der Crew-Mess bin ich oft, wie die Gäste auch, entweder auf eigene Faust, oder mit Arbeitskollegen, an Land gegangen. In Mittelamerika zum Beispiel an den Strand. Die eigentliche Arbeit im Entertainment-Bereich beginnt oft erst am Abend, wenn die Gäste wieder an Bord sind. Am späten Nachmittag begann meist meine Kernarbeitszeit mit den technischen Vorbereitungen, oder Proben der Shows. Nach einer Pause zum Abendessen startet dann die eigentliche Abendunterhaltung für die Gäste. Ich arbeitete normalerweise bis etwa Mitternacht, bevor ich dann auch mal gemeinsam mit meinen Arbeitskollegen den wohlverdienten Feierabend in der Crew-Bar genoss.

STOL: Umherreisen und die Welt sehen: Für viele Menschen ist ein Job auf einem Kreuzfahrtschiff ein Traumberuf. Ist dem so?

Auf einem Kreuzfahrtschiff ist man täglich beschäftigt und für die Gäste da.
Martin Guadagnini


Martin: Das hängt stark davon ab, welche Position man auf einem Kreuzfahrtschiff hat. Ich hatte das Glück in einer Funktion tätig zu sein, die es mir erlaubte auch regelmäßig an Land gehen zu können.

Man sollte jedoch nicht vergessen, dass man auf einem Kreuzfahrtschiff keinen freien Tag hat: Urlaub, Wochenenden oder Feiertage, so wie man es von einem durchschnittlichen Job an Land kennt, gibt es auf hoher See nicht. Auch in der Freizeit ist man in Bereitschaft, da jedes Crew-Mitglied eine Sicherheitsaufgabe erfüllt.

Wer sich das Arbeiten auf einem Kreuzfahrtschiff als bequeme und günstige Art die Welt zu bereisen vorstellt, irrt sich. Es ist eher umgekehrt: Man arbeitet und sieht nebenbei so einiges von der Welt.


STOL: War es für dich persönlich tatsächlich so spannend und erfüllend, wie man es sich ausmalt?
Martin: Ehrlich gesagt habe ich mir im Vorhinein nicht besonders viele Gedanken gemacht. Natürlich habe ich gehofft, dass ich viele Länder sehe. Aber eigentlich war ich überrascht, wie oft ich an Land gehen konnte. Ich war sehr dankbar für meine Arbeitszeiten und die Möglichkeit, meine Freizeit frei zu gestalten.

Auch was die Arbeit betrifft, habe ich immer wieder etwas Neues gesehen. Es war wirklich interessant. Insgesamt war ich positiv überrascht.


STOL: 4 Monate rund um die Uhr von Arbeitskollegen umgeben und das Schiff täglich nur für ein paar Stunden verlassen. Bringt das nicht auch Herausforderungen mit sich?
Martin: Ja, natürlich. Zuallererst ist man für eine lange Zeit fernab von zu Hause. Man sieht Familie, Kollegen und eventuell Partner für eine lange Zeit nicht mehr. Außerdem ist es besonders zu Beginn schwierig, sich auf dem großen Schiff zurechtzufinden.

Am Anfang gibt es auch viele Sicherheitskurse, die man alle bestehen muss und eine neue Arbeit ist zunächst natürlich auch immer mit gewissen Herausforderungen verbunden. Vor allem wenn man das erste Mal auf dem Schiff ist, wird man aber nicht ins kalte Wasser
geworfen.


STOL: Und wie schaut es mit der Internetverbindung aus?
Martin: Martin: Genau, das ist auch ein Luxus, den man zurücklässt. In der Karibik hat man natürlich kein Handy-Internet. Auf dem Schiff ist man dann auf das Bord-Wifi angewiesen, für das auch wir als Crew bezahlen müssen. Es ist für uns zwar günstiger, aber natürlich muss man versuchen, den Internetkonsum so gut es geht zu reduzieren. Außerdem ist die Internetgeschwindigkeit auf dem Schiff nicht gerade die schnellste. Netflix, YouTube und ähnliches vermisst man manchmal schon.

STOL: Der Gästebereich ist für die Crew tabu. Stimmt das?
Martin: Nein, nicht ganz. Wir konnten uns im Gästebereich aufhalten. Besonders, weil ich ja auch in allen Bars gearbeitet habe. In den Pool der Gäste dürfen wir jedoch zum Beispiel nicht. Bars und Restaurants durfte man hingegen besuchen. Generell sollte man sich da aber unauffällig verhalten. Gegenüber Gästen sollte man zudem vor allem in gastgebender Funktion verhalten, daher baut man hauptsächlich mit den anderen Crew-Mitgliedern privaten Kontakt auf.


STOL: Was machen die Mitarbeiter, wenn sie unter sich sind?
Martin: Man verbringt eigentlich sehr viel Zeit miteinander. Wir haben gemeinsam Ausflüge gemacht, und ließen abends nach der Arbeit in der Crew-Bar den Tag gemeinsam ausklingen.

STOL: Es gibt also eine eigene Crew-Bar? Wird da auch mal ordentlich gefeiert?

Sollte es zu einem Notfall kommen, hat jedes Crew-Mitglied eine ganz bestimmte Aufgabe, um die Sicherheit der Gäste zu gewährleisten.
Martin Guadagnini


Martin: Ja, die gibt es. Natürlich wird da auch mal gefeiert. Allerdings gibt es an Bord auch strenge Regeln, die wir einhalten müssen. Das bedeutet vor allem stets auf den bewussten Umgang mit Alkohol zu achten. Jeglicher Drogenkonsum ist natürlich tabu. Jedes Crew-Mitglied hat eine Sicherheitsaufgabe. Sollte es zu einem Notfall kommen, hat jeder eine ganz bestimmte Aufgabe, die es nüchtern auszuführen gilt, um die Sicherheit der Gäste und der Crew zu gewährleisten. Hier gehört unter anderem dazu, zu wissen, wie ein Rettungsboot zu Wasser gelassen wird.

STOL: Welche geheimen Orte gibt es, bis auf die Crew-Bar, noch auf dem Schiff, an die sonst nur die Besatzung darf?
Martin: Der Crewbereich des Schiffes ist eine ganz eigene Welt. Dort sind unsere Crew-Kabinen. Außerdem haben wir ein eigenes Crew-Deck mit Liegestühlen; ein Fitnessstudio; und ein Café, in welchem wir auch tägliche Gebrauchsartikel wie Zahnpasta, oder Duschgel kaufen können.

STOL: Das heißt auch an Seetagen wurde dir nicht so schnell langweilig?
Martin: Nein, ganz im Gegenteil. Als Entertainment-Team müssen wir an solchen Tagen natürlich mehr bieten, weil die Gäste dann den ganzen Tag an Bord sind. Das heißt arbeitsmäßig hatte ich an solchen Tagen deutlich mehr zu tun.

Ich habe extrem viel gelernt, speziell was die Arbeit in der Veranstaltungstechnik betrifft und bin dabei auch noch an verschiedenste Orte der Welt gekommen, die ich sonst wohl nie gesehen hätte.
Martin Guadagnini



STOL: Was hast du in den 4 Monaten effektiv von der Welt gesehen?
Martin: Viel mehr, als ich dachte. Zugestiegen bin ich in der Dominikanischen Republik. Dann haben wir für 2 Monate mehrmals die Karibik-Route gemacht: Costa Rica, Panama, Kolumbien, Jamaika, Mexiko, Belize und Honduras. Während der großen Atlantiküberquerung besuchten wir die Azoren. Bevor es nach Deutschland ging, legte das Schiff in Portugal und Spanien an. Nach 10 Tagen Trockendock in Hamburg - an denen ich auch mal die Unterseite des gewaltigen Schiffes sehen konnte – ging es zuerst nach Amsterdam und dann für etwa 1,5 Monate nach Norwegen.

Die „Mein Schiff 1“ in Geirangerfjord, Norwegen. Etwa 1.000 Crewmitglieder und maximal 3000 Gäste sind normalerweise an Bord. - Foto: © Martin Guadagnini



STOL: Und wo hat es dir am besten gefallen?
Martin: Auf der Insel Roatán, in Honduras, war ich am schönsten Strand, den ich je gesehen habe: Weißer Sand, türkises Wasser, Palmen, Felsen, ein schönes Korallenriff und 35 Grad Celsius im Februar – was will man mehr? Insgesamt war ich dort 3- bis 4-mal.

West Bay Beach auf der Insel Roatán, Honduras. - Foto: © Martin Guadagnini



STOL: Du hast also so einiges erlebt in dieser Zeit. Was würdest du als den besten Kreuzfahrtschiff-Moment überhaupt beschreiben?
Martin: Generell sind mir die die gemütlichen Abende mit meinen Arbeitskollegen/Freunden nach Dienstschluss in den unterschiedlichsten Locations an Bord in besonders guter Erinnerung geblieben.

Zuerst möchte ich im Sommer und im Herbst auf lokalen Events hier bei uns im Land als Tontechniker arbeiten. Danach kann ich es mir schon vorstellen, erneut mit meinem Arbeitsplatz um die Welt zu fahren.
Martin Guadagnini



STOL: Jetzt bist du ja wieder daheim. Was ist dein Fazit zum Arbeiten auf dem Kreuzfahrtschiff?
Martin: Ich glaube, es hängt sehr von der Position ab, ob einem die Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff gefällt. Mir hat es auf jeden Fall gefallen. Ich habe extrem viel gelernt, speziell was die Arbeit in der Veranstaltungstechnik betrifft und bin dabei auch noch an verschiedenste Orte der Welt gekommen, die ich sonst wohl nie gesehen hätte. Man lernt in dieser Zeit aber auch sonst sehr viel, unabhängig von der Position. Das sind Erfahrungen, die prägen. Vor allem lernt man aber auch viele Leute aus verschiedensten Ländern und Kulturen kennen, das ist schon toll! Also Fazit: Persönlich, freizeitmäßig sowie arbeitsmäßig bin ich mit meiner Entscheidung mehr als zufrieden.

STOL: Würdest du jemals wieder an Bord eines Kreuzfahrtschiffes gehen – als Teil der Crew?
Martin: Ja, ehrlich gesagt, gibt es jetzt schon wieder Überlegungen, dass ich noch einmal an Bord gehe. Es hat mir gut gefallen und ich konnte auch in viele andere Bereiche hineinschnuppern. Die Aufstiegschancen sind generell gut auf einem Kreuzfahrtschiff, denn während der verhältnismäßig kurzen Einsätze an Bord kann man sein Können zeigen und sich teilweise sogar schneller hocharbeiten als an Land. Mir wurde sogar bereits eine höhere Position angeboten.

Zuerst möchte ich im Sommer und im Herbst allerdings auf lokalen Events hier bei uns im Land als Tontechniker arbeiten. Danach kann ich es mir schon vorstellen, erneut mit meinem Arbeitsplatz um die Welt zu fahren.

Alle weiteren STOL-Sonntagsgespräche finden Sie hier.

jot

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