s+ hat mit ihm über die Gründe der wachsenden jugendlichen Gewalt, über das Entstehen von problematischen Hotspots und über fehlende Zivilcourage gesprochen. Außerdem erklärt er, was in Sachen Gewaltprävention schief gelaufen ist.<BR /><BR /><b>Herr Mayer, laut Merans Hotellerie hat die Stadt ein Sicherheitsproblem. Was sagen Sie?</b><BR />Besay Mayer: Wir sind auf dem besten Weg dahin, ein Sicherheitsproblem zu kriegen.<BR /><BR /><b>Warum?</b><BR />Mayer: Weil es die Sozialträgerschaften und -einrichtungen nicht mehr schaffen, hinter der Menge an Jugendlichen und jungen Erwachsenen dahinter zu bleiben. <BR /><BR /><b>Sind sie mehr geworden?</b><BR />Mayer: Ja, dabei waren wir schon 2019 ausgelastet. Covid hat dazu beigetragen, dass die psychische Verfassung der jungen Leute labiler geworden ist. Sie haben sich zurückgezogen. Gleichzeitig ging auch das Ehrenamt zurück, die Beiträge, und was ich stark spüre, Spenden und Sponsoring. Heuer geht’s noch gut. Nächstes Jahr wird’s interessant, wie viel Mittel wir noch zur Verfügung haben werden. Die Preise steigen, die Sicherheit der Einnahmen sinken. Ich merke selbst, wie der Druck auf einem lastet.<BR /><BR /><b>Wie entstehen problematische Hotspots?</b><BR />Mayer: In Meran ist einer der größten Hotspots der Theaterplatz, weil dort am meisten Bewegung ist. Dort kommen alle zusammen wie auch am Bahnhof, wo man immer jemanden trifft, oder wie im ALGO, weil viele junge Leute dort sind. Probleme gibt’s, weil zu viele Jugendliche verschiedener Kulturen und Alters zusammen kommen und ihren Raum behaupten wollen. <BR /><BR /><b>In den vergangenen Wochen und Monaten waren Gewaltakte an der Tagesordnung...</b><BR />Mayer: Ich weiß von viel mehr Vorfällen, als medial berichtet wird. Sichtbar werden die Vorfälle, wenn gewisse Gesellschaftsschichten betroffen sind, weil eine Mutter in Sorge ist, dass sie ihren Sohn nicht mehr weggehen lassen kann. Sind die untersten 30 Prozent der Gesellschaft betreffen, hört man nichts davon.<BR /><BR /><b>Gerichtsbarkeit und Sicherheitskräfte betonen, dass die Zahl der Delikte rückläufig sei. Können Sie sich das erklären?</b><BR />Mayer: Allein im letzten halben Jahr weiß ich von einem Haufen an Gewaltsituationen – auch mit 2 Schwerverletzten –, da hat keiner eine Anzeige gemacht. Gleichzeitig weiß ich von vielen Diebstählen, aber die Leute sagen mir ganz offen ins Gesicht: Was bringt’s, eine Anzeige zu machen oder die Sicherheitskräfte zu rufen. <BR /><BR /><b>Ein neues Phänomen ist, dass Mädchen aufeinander eindreschen.</b><BR />Mayer: Das ist ein neues Phänomen, das habe ich in 10 Jahren Straßen-, Jugend- und Kulturarbeit nie erlebt. In jüngster Zeit habe ich ziemlich viele Situationen erlebt, in denen Mädchen aufeinander losgegangen sind. Was mich aber mehr beeindruckt bei den Videos, sind die Zuschauer, die die Mädchen motivieren, noch gewaltsamer zu werden. Alles wie eine Show.<BR /><BR /><b>Haben Sie eine Erklärung?</b><BR />Mayer: Wir haben heute einen so einen hohen Bildungsstand wie kaum bisher und legen die ungebildetsten Verhaltensweisen an Tag. Auch das hat mit dem Auf-sich-selbst-zurückziehen in Corona-Zeiten zu tun. Vereinfacht gesagt: Der Andere geht mich nichts an. Das ist nicht mein Problem, ich unterhalte mich als Schaulustiger. Die Zivilcourage hat sich in Luft aufgelöst.<BR /><BR /><b>Sind die Jugendlichen aggressiver geworden?</b><BR />Mayer: In den letzten 2 Jahren sind die Jugendlichen viel mehr in digitale Welt eingetaucht. Das bringt uns weg vom Sich-miteinander-austauschen. Dabei ist das größte Bedürfnis der Jugendlichen, sich zu treffen und sich kennenzulernen.<BR /><BR /><b>Warum haben Jugendliche vermehrt Messer, Schlagringe usw. bei sich?</b><BR />Mayer: Weil sie wissen, dass auf der Straße mehrere Situationen passieren können, andere Interesse haben zu kämpfen – aus Frust, Depression usw. Deshalb habe ich einen Boxsack aufgestellt, mit der Absicht: Lass deinen Ärger, deine Wut heraus, aber auf den Boxsack.<BR /><BR /><b>Zudem ist von Kindern zu hören, die überhaupt keinen Respekt vor Erwachsenen mehr haben. Woher kommt das?</b><BR />Mayer: Ja, es handelt sich tatsächlich um Kinder, die zwischen 10 und 14 Jahre alt sind. Warum sie keinen Respekt kennen? Ich komme wieder zurück auf Corona. Mit der Digitalisierung gibt es das Gegenüber nicht. Wenn man daheim dann noch mitbekommt, dass es zwischen den Eltern heißt: Ich halte dich nicht mehr aus, „io ti ammazzo“ und im Nachhinein auch kein Psychologe Zeit hat für ein Gespräch, für Hilfe, dann erklärt sich vieles.<BR /><BR /><b>Lassen die aggressiven Jugendlich in irgendeiner Gesellschaftsschicht verorten?</b><BR />Mayer: Nein, denn aus meiner Erfahrung müssen die größten Drogendealer Geld haben. Und Gewalt geht nicht primär von einer bestimmten Kultur aus, sondern es gibt unterschiedliche Arten, Gewalt auszuleben. Leute, die aus Krisengebieten kommen, haben eine ganz andere Bereitschaft, sich zu verteidigen oder ihren Status zu halten. <BR /><BR /><b>Was ist in Sachen Gewaltprävention schief gelaufen?</b><BR />Mayer: In den letzten 10 Jahren hatten wir immer wieder Situationen, wo vermehrt Gewalt stattgefunden hat. Aber wir entwickeln keine dauerhafte Präventivmaßnahmen. Wir haben es nie geschafft, konkrete Maßnahmen – eine Task Force, eine Interventionseinheit – zu setzen, Wünschenswert wäre, wenn sich die Sicherheitskräfte die Arbeit aufteilen würden und nicht jeder alles macht. Es bräuchte eine Koordinierungsstelle, die Bereitschaft aller zusammenzuarbeiten. <BR /><BR /><b>Was braucht’s noch?</b><BR />Mayer: Wir sind eine so reiche Stadt. Wirtschaft und Tourismus müssen auch im eigenen Interesse Wege finden, um die Sozialträgerschaft zu unterstützen. In Zukunft braucht es mehr Streetworker, mehr mobile Jugendarbeit, die sich mit den jungen Leuten auseinandersetzt. Der Sommer geht noch gut, aber im Herbst wird es heikler.<BR /><BR /><b>Warum?</b><BR />Mayer: Weil die wirtschaftliche Situation nicht leichter werden wird, und dies trifft die untersten 30 Prozent am stärksten; keine positiven Aussichten, Benzin- und Strompreise gehen nicht zurück, Diebstähle nehmen zu, die Leute fühlen sich unsicherer und so schaukelt sich die Situation auf. Wir müssen auf die Politik einwirken, mehr Mittel zu Verfügung zu stellen, Arbeitsintegration, Streetwork, Räume zulassen für junge Menschen, wo Austausch möglich wird und sich die Anspannung lockern kann. Lasst die Leute tanzen.<BR /><BR />