Wir haben mit dem Bozner Psychiater Horst Mario Lanczik über ein tabubehaftetes Thema gesprochen. <BR /><BR />„Junge Frau auf den Talferwiesen belästigt“, „Mit dem Tode bedroht“, „Mit dem Messer angegriffen,“ „Verfolgungsjagd in Bozen“, „Mit Machete zum Arztbesuch“: Tagtäglich kommt es in der Landeshauptstadt zu kriminellen Handlungen, die mittlerweile auch das Klima in der Stadt prägen. Nicht immer, aber häufig, sind in die Straftaten Migranten verwickelt. <BR /><BR /><b>Herr Dr. Lanczik, wie wirken sich die ständigen Negativberichte auf die Gesellschaft aus?</b><BR /><b>Horst Mario Lanczik</b>: In der Bevölkerung macht sich zunehmend Unsicherheit breit, bis hin zu Angst. Es entsteht ein immer größeres Problem für die seelische Gesundheit und zwar für die Einheimischen, wie für die Einwanderer. Am häufigsten sind derzeit noch die Helfer und Ordnungskräfte betroffen, die tagein tagaus nicht nur die Opfer von Gewalttaten behandeln und die Menschen vor Gewalttaten schützen, sondern selbst Opfer derselben sind und deswegen jede Unterstützung verdienen.<BR /><BR /><b>Sie haben zum Beispiel die posttraumatischen Belastungsstörungen bei Soldaten wissenschaftlich geforscht...</b><BR />Lanczik: Das ist richtig. Es gibt Berufe, die mit einem ungleich höheren seelischen Stress einhergehen. Eine Gruppe, die oft vergessen wird, wenn es um die seelischen Folgen von Gewalt geht, sind tatsächlich die Beschützer und Helfer. Dabei werden behandlungsbedürftige seelischen Störung bei diesen Berufsgruppen durch die mangelnde Anerkennung in der Bevölkerung noch verstärkt. Was Polizisten, Carabinieri, Feuerwehrleute und Sanitäter aushalten müssen, wird zu wenig beachtet. Häufig werden die seelischen Folgeerscheinungen bei diesen Menschen einfach als Berufsrisiko abgetan. Die Bilder, die sich in deren Erinnerungen eingraben, können auch bei diesen gesundheitliche Störungen auslösen, die bis zur Berufsunfähigkeit gehen können.<BR /><BR /><b>Sind bestimmte Gruppen besonders gefährdet, durch permanente Unsicherheit und Angst seelisch zu erkranken?</b><BR />Lanczik: Frauen sind meistens die ersten, die betroffen sind. Frauen meiden zunehmend bestimmt Orte innerhalb der Städte, besonders nach Einbruch der Dunkelheit. Unter solchen Selbsteinschränkungen leiden auch die Mitbürger seelisch, die schon lange hier leben. Die häusliche Gewalt, die es, keine Frage, auch schon vor den Einwanderungswellen gegeben hat, wird zu einem immer größeren Problem auch in Südtirol. Sie wird meistens nur aufgedeckt, wenn wenigstens ein Partner aus unserem Kulturkreis kommt. Viele Migranten kommen aus Kulturkreisen, in denen die Züchtigung von Frauen gesetzlich nicht nur geduldet, sondern ausdrücklich erlaubt ist und praktiziert wird. Bei uns sind das Straftaten, die nicht mit angezogener Handbremse verfolgt werden dürfen, nur aus Sorge, Vorurteile zu fördern. Das ist falsch, denn ausländische Mitbürger leiden unter der Gewaltkriminalität genauso. So gesehen ist das jetzt praktizierte, entschlossene Vorgehen von Polizei und Justiz in Südtirol auch für die seelische und nicht nur für die körperliche Unversehrtheit der Menschen wichtig. <BR /><BR /><b>Auffallend oft sind es Menschen mit Migrationshintergrund, die in die Schlagzeilen geraten. Wie lässt sich das aus psychologisch-psychiatrischer Sicht erklären?</b><BR />Lanczik: Eine Kultur ist immer auch eine seelische Heimat. Diese sehen viele bei uns gefährdet. Je mehr Menschen aus diesen Ländern kommen, desto schwerer sind sie integrierbar, desto weniger sind sie bereit, sich den lokalen Verhältnissen anzupassen. Wenn sie es nicht tun, entsteht bei den Einheimischen Angst. Als erstes sind dann Frauen und ihre mühsam erkämpften Rechte betroffen. Das gilt auch für die zugewanderten Frauen. Viele Einwanderer kommen aus Weltgegenden, in denen man sich nur durch Gewalt, Raub und Mord durchsetzen, bzw. seinen sozio-ökonomischen Status verbessern kann. Bei uns angekommen, verändern die Menschen ihr Verhalten nicht plötzlich, auch nicht wenn sie eine Reihe von Integrationskursen absolvieren. Die Prägungen in den Herkunftsländern haben über viele Generationen hinweg stattgefunden. Wie lange haben wir auch in Europa gebraucht, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass es erfolgreichere Strategien als die Gewalt im Umgang miteinander gibt, um individuell und gesellschaftlich erfolgreicher zu sein?<BR /><BR /><b>Sie selbst waren als Arzt in zahlreichen Kriegsgebieten, wie in Afghanistan und im Kosovo, und haben dort das Leid der Zivilbevölkerung und der Soldaten gesehen. Wie sehen die seelischen Folgeerscheinungen nach Gewalterfahrung aus? </b><BR />Lanczik: Die Erfahrung mit Gewalt hat nicht nur kurz- sondern besonders auch langfristige gesundheitliche Folgen. Solche Extremsituationen können krank machen, Angsterkrankungen, sozialen Rückzug, traurige Verstimmungen und Schlafstörungen zur Folge haben. Handelt es sich bei diesen Symptomen um Langzeitfolgen, spricht man in der Medizin von einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese können übrigens schon auftreten, wenn man nur davon hört, ohne selbst unmittelbar betroffen zu sein, aber ein Gefühl andauernder Unsicherheit entstanden ist.<h3> <b>Stichwort: Posttraumatische Belastungsstörung</b></h3>Es handelt sich um seelische Reaktionen auf belastende Erlebnisse, z. B. Verbrechen, die mit Bedrohungssituationen für Leib und Leben und andere Gewalttaten einhergehen. Sie sind gekennzeichnet durch sich aufdrängende Erinnerungen an die auslösenden Ereignisse des Traumas. Situationen, die daran erinnern, werden gedanklich immer wieder erlebt und vermieden. Hinzu kommen Ausbrüche von Angst und Panik. Krankheitstypisch sind auch Depressionen und Schlafstörungen.