Samstag, 19. August 2023

Faktencheck: Darum wurde in Südtirol noch kein Wolf geschossen

Immer wieder taucht die Frage auf, wieso die Landesverwaltung nicht früher aktiv geworden ist, um Problemwölfe zu entnehmen. Das Gesetz dafür wurde bereits 2018 im Landtag verabschiedet. Seither sind viele Schafe, Ziegen, Kälber und Fohlen den Wölfen zum Opfer geworden. Der Wolf blieb unbehelligt. Die Schuld bekam das ISPRA (Höheres Institut für Umweltschutz und -Forschung). In Wirklichkeit war es aber ein Versäumnis von Landesrat Arnold Schuler und Landeshauptmann Arno Kompatscher, der das Abschussdekret ausstellen muss. Hier ein Fakten-Check.

Der erste Schuss hätte längst fallen können: Dass Wölfe hierzulande noch unbehelligt auf Beutezug gehen können, liegt an politischen Versäumnissen. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Bereits im Jahr 2018 hat das Land Südtirol mit Landesgesetz die europäische Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie umgesetzt. Das Gesetz sieht vor, dass der Landeshauptmann auf Gutachten des ISPRA in bestimmten Fällen (jene, die das EU-Recht vorsieht) die Genehmigung für Fang, Entnahme oder Abschuss von Bären oder Wölfen erteilen kann. Die Autonome Provinz Trient hat dasselbe Landesgesetz erlassen.

Beide Landesgesetze wurden von der italienischen Regierung angefochten. Das Verfassungsgericht hat 2019 beide Gesetze für rechtmäßig erklärt, und somit kann der jeweilige Landeshauptmann der autonomen Provinzen Abschüsse anordnen; es muss aber ein Gutachten des ISPRA vorliegen.

Landeshauptmann Arno Kompatscher erklärte: „Bislang stellte das gesetzlich vorgeschriebene ISPRA-Gutachten das Land vor enorme Herausforderungen.“ - Foto: © DLife/Groppo

Verweis auf fehlende Antwort vom ISPRA

Bis die Bürokratie im Land angelaufen ist, hat es wieder Monate gedauert und man schrieb das Jahr 2020, als das Land erstmals beim ISPRA um ein Gutachten für einen Abschuss im Raum Prags (Rossalm) angefragt hat. Auf diese erste Anfrage hin hat das Institut folgendermaßen geantwortet: „Ció premesso, questo Istituto non ritiene di poter esprimere al momento un motivato parere“. Am 14. August 2020 fragte Landesrat Arnold Schuler beim ISPRA um ein weiteres Gutachten an, um einen Wolf in Villnöß erlegen zu können (Schutz der Brillenschafe). Es ist aber beim Antrag geblieben.

Landesrat Arnold Schuler: „Das ISPRA-Gutachten ist nicht bindend. Wir müssen unsere Entscheidung dann aber besser begründen.“ - Foto: © DLife



Landesrat Schuler behauptet seitdem, dass man auf das ISPRA-Gutachten warte. Dies hat er in zahlreichen Interviews in verschiedenen Medien wiederholt. Einige Politiker übernahmen diese Aussage ungeprüft, so wie Senatorin Julia Unterberger, die erklärte: „Das Problem ist: Wir haben kein ISPRA-Gutachten für eine Entnahme des Wolfes.“ Oder auch Landeshauptmann Arno Kompatscher, der erklärte: „Bislang stellte das gesetzlich vorgeschriebene ISPRA-Gutachten das Land vor enorme Herausforderungen.“ Dieses sei in der Vergangenheit nicht ausgestellt worden, weshalb das Land „völlig blockiert“ gewesen sei.

ISPRA antwortet bereits 2020

In Wirklichkeit sieht die Situation aber ganz anders aus: Landesrat Schuler hat bereits am 22. September 2020 die Antwort des ISPRA erhalten. Das ISPRA hat zwar ein negatives Gutachten abgegeben, gleichzeitig aber erklärt, für eine Neubewertung offen zu sein, falls weitere Unterlagen geliefert werden: „Sulla base delle considerazioni preliminari sopra esposte, questo Istituto non ritiene di poter esprimere parere favorevole circa il prelievo di un individuo in Provincia di Bolzano, rimanendo disponibile a valutare una richiesta integrate alla luce delle indicazioni sopra sintetizzate“.

Fakt ist somit: Die Behauptung von Schuler stimmt nicht. Er hat innerhalb 7 Wochen eine Rückmeldung von ISPRA erhalten. Die Frage ist nun, wieso verbreitete Landesrat Schuler die Mär, dass es keine Antwort des ISPRA gäbe, und warum nimmt er das Angebot des ISPRA nicht an, detailliertere Unterlagen nachzureichen? Und es taucht weiters die Frage auf, wieso das Land seit 2020 kein neues Gutachten mehr beantragt hat, obwohl das ISPRA schriftlich geraten hat, die Anträge argumentativ besser zu untermauern?

Im Zuge der Landtagssitzung vom Juni wurden Landesrat Schuler und Landeshauptmann Kompatscher vom Grünen Abgeordneten Riccardo Della Sbarba in die Enge getrieben. Schuler und Kompatscher hatten darauf beharrt, dass es kein Gutachten des ISPRA gäbe und es daher keine Entnahme von Problemwölfen möglich sei. Dello Sbarba konnte aber nachweisen, dass es das Gutachten des ISPRA sehr wohl gegeben habe.

Voraussetzungen für Entnahme wären vorhanden gewesen

Landesrat Schuler verteidigte sich daraufhin mit der Aussage, dass das Gutachten des ISPRA zweideutig sei und dass er und seine Beamten der Meinung waren, es sei weder positiv noch negativ. Was nicht der Faktenlage entspricht, da das ISPRA-Gutachten vom September 2020 eindeutig negativ war.

Und Schuler muss gewusst haben, was zu tun sei, wenn das Gutachten negativ ausfalle. In einem Interview im August erklärte er: „Dann wird es schwieriger, aber nicht unüberwindbar. Das ISPRA-Gutachten ist nicht bindend. Wir müssen unsere Entscheidung dann aber besser begründen“. Damit gibt Landesrat Schuler selbst zu, dass er mit dem negativen Gutachten von 2020 die Voraussetzungen gehabt hätte, eine Entnahme in die Wege zu leiten.

Es ist jedenfalls merkwürdig, dass Schuler und Kompatscher seit 2018 keine Maßnahmen zur Umsetzung des Landesgesetzes gesetzt haben.

d

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