Bei Tumoren im Hals- und Gesichtsbereich sind chirurgische Eingriffe als Therapie die erste Wahl. Dabei werden oft Teile von Zunge und Kiefer entfernt. Das führt zu funktionellen und auch ästhetischen Beeinträchtigungen. Die Folge: das soziale Leben der Patientinnen und Patienten sowie deren Lebensqualität insgesamt wird stark beeinträchtigt – sofern nicht eine angemessene Rekonstruktion der betroffenen Körperteile erfolgt. <BR /><BR />Die Fortschritte, welche die onkologische Chirurgie in diesem Bereich während der vergangenen 25 Jahren gemacht hat, ist eng mit der rekonstruktiven Chirurgie verbunden. Das schreibt der Südtiroler Sänitätsbetrieb in einer Aussendung.<h3> Bozen eines der erfahrensten Zentren in Italien</h3>Im Landeskrankenhaus Bozen sind in den vergangenen 5 Jahren rund 100 komplexe mikrochirurgische Rekonstruktionen im Hals- und Gesichtsbereich durchgeführt worden. Damit gehört Bozen in diesem Bereich zu den erfahrensten Zentren in Italien.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="873797_image" /></div> <BR /><BR />Die Rekonstruktion eines Organs mit Gewebe, das einem anderen Körperteil entnommen und als echtes Transplantat übertragen wird, ermöglicht heute eine onkologisch umfangreiche und gleichzeitig funktionserhaltende Behandlung, teilt der Sanitätsbetrieb mit.<h3> Mikrochirurgische Technik: Gewebe aus dem eigenen Körper</h3>Mit Hilfe mikrochirurgischer Technik wird eine Organtransplantation an der Person selbst möglich. Der Patient oder die Patienten ist Spender und Empfänger zugleich. <BR /><BR />In den verschiedenen Körperteilen gibt es Gefäßeinheiten, das heißt anatomische Einheiten aus Knochen, Muskeln, Haut, Sehnen, Nerven, die durch eine einzige Arterie und Vene verbunden sind und die isoliert und nach Bedarf geformt werden können. Die Idee dabei ist, das Organ oder einen Teil davon zu rekonstruieren, indem man eine dieser anatomischen Einheiten benutzt.<BR /><BR />Beispielsweise führt die Zerstörung des Unterkiefers dazu, dass der Biss von Ober- und Unterkiefer nicht mehr passt und folglich das Kauen nicht mehr möglich ist – ganz abgesehen von den offensichtlichen morphologischen Schäden. In so einem Fall kann der entfernte Teil des Kiefers durch einen Teil des Fußwurzelknochen ersetzt werden. Dieser wird zusammen mit den erforderlichen Muskel- und Hautgeweben entnommen, um eine „Restitutio ad integrum“ – eine Gesamtwiederherstellung – zu erreichen, die der ursprünglichen anatomischen Situation so nahe wie möglich kommt. <h3> Mit dem Computer so nahe wie möglich an das Original</h3>Neue, computergestützte Technologien können dabei helfen: Die Anatomie des Patienten wird anhand von Computertomographien und Fotos vor der Operation rekonstruieret und dann originalgetreu nachgebildet.<BR /><BR />Arterie und Vene, die diese anatomische Einheit am Leben erhalten, werden nach der Entnahme des Lappens von der Spenderstelle mit einer mikrochirurgischen Naht, die unter dem Mikroskop ausgeführt wird, wieder an die etwa 4 Millimeter großen Gefäße im Hals angeschlossen. <BR /><BR />Sobald der Knochen vaskularisiert ist, verhält sich dieser wie bei einer normalen Fraktur: Der Knocken bildet Knochenkallus und integriert sich perfekt in die anderen Teile des Gesichts. Aus morphologischer und funktioneller Sicht fällt die Rekonstruktion niemandem auf. Das Gesicht des Patienten oder der Patientin ist nach dem Eingriff symmetrisch und dank der Möglichkeit, in diesen neuen Kiefer Zahnimplantate einzusetzen, ist auch ein gutes Kauen möglich. <h3> Keine Abstoßungsreaktionen zu befürchten</h3>Da es sich um ein Autotransplantat handelt, gibt es außerdem keine Abstoßungsprobleme. Aus immunologischer Sicht ist die Erfolgsquote ist sehr hoch – sie liegt etwa 95 bis 96 Prozent.<BR /><BR />Ein weiteres Beispiel ist die Zunge, ein äußerst komplexes muskuläres Organ, das mit Haut und Muskeln aus dem Oberschenkel rekonstruiert werden kann. Damit wird eine motorische und sensorische Wiederherstellung möglich. <h3> Zunge wiederherstellen: Sehr komplexer Eingriff</h3>„Dabei handelt es sich um einen sehr komplexen Eingriff, der bis zu 12 Stunden dauern kann und der den Einsatz mehrerer Teams erfordert“, erklärt Primar Luca Calabrese. „Zwischen Chirurgen, Anästhesisten, Ärzten und Pflegekräften werden mindestens 15 Personen benötigt, die sich immer wieder abwechseln.“<BR /><BR />Schlüssel zum Erfolg sei dabei Teamarbeit und Multidisziplinarität. Die Arbeit nach der Operation wird anschließend von kompetenten Pflege- und Rehabilitationsteams bis zur Genesung fortgesetzt.<BR /><BR />Generaldirektor Florian Zerzer sagt: „Dank dem Können und der Expertise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bei diesen komplexen Operationen beteiligt sind und ihr Bestes geben, bekommen diese Patientinnen und Patienten im wahrsten Sinne wieder ihr Gesicht zurück. Und damit ein Leben, das vorher nicht mehr möglich schien. Ich bin stolz, dass derartige medizinische Entwicklungen im Südtiroler Sanitätsbetrieb möglich sind.“<BR /><BR />Josef Widmann, Sanitätsdirektor, ergänzt: „Unser zentrales Ziel ist die Verbesserung der Gesundheitsversorgung aller Südtiroler Bürgerinnen und Bürger, die durch den öffentlichen Gesundheitsdienst gewährleistet werden muss.“<BR /><BR />Auch Pierpaolo Bertoli, Sanitätskoordinator des Gesundheitsbezirkes Bozen, unterstrich die Bedeutung der interprofessionellen Zusammenarbeit für derart komplexe Operationen. Diese können nunmehr auch in Südtirol durchgeführt werden; bis vor kurzem mussten die Patienten an Kliniken im restlichen Italien oder im Ausland überwiesen werden.