Samstag, 5. August 2023

Nach der Verschwörung ist vor der Verschwörung

„Es geht zwar immer noch gegen das Impfen in all seinen Facetten, aber nun werden auch antisemitische Stereotype bedient.“ Ein Kommentar von „Dolomiten“-Chef vom Dienst Klaus Innerhofer.

Die glühendsten Fans des Verschwörungs-Gurus speisen sich – wie könnte es anders sein – aus der Gruppe der Corona-Leugner. Wer geglaubt hat, mit dem Ende der Pandemie hätte sich auch deren Betätigungsfeld erledigt, wird nun eines Schlechteren belehrt. - Foto: © dpa-tmn / Andrea Warnecke

Kennen Sie die Bücher von Dan Brown: „Sakrileg“, „Illuminati“, „Inferno“, und wie sie alle heißen? Fans des Literarischen Quartetts werden an dieser Stelle die Nase rümpfen, aber die Verschwörungsgeschichten sind unzweifelhaft sehr spannend geschrieben. Es sind echte „Pageturner“, wie es die Amerikaner nennen, also Bücher, die man, einmal angefangen, nicht mehr so schnell aus der Hand legt. Nicht umsonst wurden einige von Browns Werken von Hollywood verfilmt, etwa der „Da Vinci Code“ mit Tom Hanks.

Hier werden historische Tatsachen mit Verschwörungsmythen so kombiniert, dass am Ende eine zwar nicht immer hundertprozentig plausible, aber doch sehr attraktive Story übrig bleibt. Für Kinder sind diese „modernen Märchen“ aber nicht geeignet. Empfohlen werden sie erst ab 12 oder 14 Jahren, denn ab diesem Alter seien die Rezipienten imstande, Fiktion und Wirklichkeit trennscharf zu unterscheiden.

Wie lässt es sich erklären, dass der höchst umstrittene Schweizer Historiker Daniele Ganser in bestimmten Kreisen gefeiert wird wie ein Popstar, auch in Südtirol.
Klaus Innerhofer


Mit dieser Unterscheidung tun sich aber selbst Erwachsene manchmal schwer. Wie lässt es sich sonst erklären, dass der höchst umstrittene Schweizer Historiker Daniele Ganser in bestimmten Kreisen gefeiert wird wie ein Popstar, auch in Südtirol. So hat sich der als Friedensforscher titulierte Publizist im September für einen Auftritt im Meraner Kurhaus angekündigt. Die glühendsten Fans des Verschwörungs-Gurus speisen sich – wie könnte es anders sein – aus der Gruppe der Corona-Leugner. Wer geglaubt hat, mit dem Ende der Pandemie hätte sich auch deren Betätigungsfeld erledigt, wird nun eines Schlechteren belehrt.

Es geht zwar immer noch gegen das Impfen in all seinen Facetten, aber nun werden auch antisemitische Stereotype bedient, nach dem Motto: Die große jüdische Weltverschwörung stürzt den Planeten in den Abgrund – mit ihren Handlangern USA, NATO und EU. Der Überfall auf die Ukraine ist nach dieser Diktion die Schuld der Amerikaner, die Ukraine hätte gar kein Existenzrecht und die dokumentierten Kriegsverbrechen, wie in Butscha, seien inszeniert oder von den ukrainischen Soldaten an der eigenen Bevölkerung verübt – alles ganz im Wortlaut der Kreml-Propaganda.

Die Temperaturrekorde dieses Sommers werden als Erfindung der „Lügenpresse“ abgetan, wissenschaftliche Fakten geleugnet.
Klaus Innerhofer


Doch allein mit Weltpolitik als Wahlkampfthema wird es wohl nicht klappen mit dem herbstlichen Sprung in den Landtag. Deshalb haben sich unsere Impfschwurbler ein weiteres Thema zurechtgelegt, das jeden betrifft: den Klimawandel. Da wird plötzlich wieder die ganz große Verschwörung gewittert zwischen Regierungen, Wirtschaft und Medien, um die „einfachen Bürger“ zu knechten. Die Temperaturrekorde dieses Sommers werden als Erfindung der „Lügenpresse“ abgetan, wissenschaftliche Fakten geleugnet.

Nun bin ich zwar auch davon überzeugt, dass es einen Unterschied gibt zwischen Klima und Wetter und dass nicht jedes heftige Gewitter die Folge der Klimaveränderung ist. Aber eines weiß ich ganz gewiss: Mit rhythmischem Einklatschen oder der Verabreichung von Globuli werden wir das Problem nicht lösen – das ist so sicher wie die Mondlandung. ;-)

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stol

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