„Wir sind von der Erwärmung schon jetzt doppelt so stark betroffen wie im globalen Durchschnitt“, sagt der Vorsitzende des länderübergreifenden Dachverbandes.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="764897_image" /></div> <BR /><b>Worin liegt aus Umweltschutzsicht die Besonderheit der Alpen?</b><BR />Kaspar Schuler: Ganz banal und insbesondere liegt die Besonderheit im Gefälle. Es sorgt beispielsweise dafür, dass man über den Brenner das Transitproblem hat, weil man anders als in der Fläche eben nicht breit verteilt und energiesparend durchbrausen kann. Die steile Faltung sorgt aber auch für eine hohe Biodiversität, es gibt in der Höhe eine andere Flora und Fauna als im Tal. So sind die Alpen für viele Arten über die lange Entwicklungsgeschichte zum Rückzugsort geworden, etwa für das Edelweiß, das ursprünglich aus Sibirien kommend nach der Eiszeit hier passende Umweltbedingungen fand. Die Alpen sind daher eine Schatztruhe – und wir schon mittendrin im Konflikt.<BR /><BR /><b>Inwiefern?</b><BR />Schuler: Wir müssen uns entscheiden, ob wir für die Alpen besonders Sorge tragen wollen, weil sie nicht nur topographisch sehr speziell sind, sondern auch weil sie die letzten Nischen für viele Tier- und Pflanzenarten darstellen. Oder ob wir einfach sagen: „Entschuldigung, wir Menschen dominieren hier und wir nutzen einfach alle Ressourcen für uns.“<h3> „Doppelt so stark betroffen“</h3><b>Die Alpen nehmen aber auch bei den Auswirkungen des Klimawandels eine besondere Stelle ein...</b><BR />Schuler: Ja, wir sind von der Erwärmung schon jetzt doppelt so stark betroffen wie im globalen Durchschnitt. Noch haben wir aber das Gefühl: „Das sollte machbar sein“. Dieses Gefühl ist trügerisch, denn wenn die Klimaerwärmung noch weiter zunimmt und wir global nicht jetzt die Kurve kriegen, dann wird es eng. Denn die Alpen werden auch in Zukunft überdurchschnittlich betroffen sein und die Erwärmung kaum bei den angestrebten 1,5 Grad Celsius stehen bleiben.<BR /><BR /><b>Was meinen Sie mit „dann wird es eng“?</b><BR />Schuler: Durch den Anstieg der Temperatur läuft die Wettermaschine intensiver. Die Extremwetterereignisse werden zunehmen, das sind Dürreperioden und extrem starke Schnee- und Regenfälle. Und wiederum durch das Gefälle nehmen in den Alpen die Bedrohungen bei starken Niederschlägen zu. Erdrutsche, weggerissene Infrastrukturen wie Straßen etc. werden auf lange Sicht die Bewohnbarkeit mancher Täler in Frage stellen. Denn die Schäden durch solche Wetterextreme werden heftiger und häufiger auftreten. Früher oder später wird man sich folglich entschließen, Alpentäler aufzugeben. <BR /><BR /><b>Von welchem Zeitrahmen sprechen Sie da?</b><BR />Schuler: Der Zeitrahmen ist dieses Jahrhundert. Wir haben nicht mehr viel Luft, denn was wir jetzt nicht schaffen einzudämmen, lässt sich nicht mehr aufhalten. Die Klimaerwärmung reagiert träge, nicht wie ein Auto, bei dem man jederzeit auf die Bremse treten und schnell korrigieren kann. <BR /><BR /><embed id="dtext86-54090928_quote" /><BR /><BR /><b>Warum schaffen wir es nicht, das Klima zu schützen?</b><BR />Schuler: Wir haben mit der Corona-Pandemie und der Ukraine-Krise 2 ganz aktuelle Beispiele, wo die Politik ganz schnell tiefschürfend eingegriffen hat. Sie hat heftig und unmittelbar reagiert. Weil das Ereignis sofort und akut spürbar stattgefunden hat. Projizieren wir den Verlauf dieser Krisen jedoch auf eine Spanne von 100 oder 200 Jahren, dann wäre auch in diesen Krisen nichts passiert. Die Menschheit ist zwar in der Lage, sofort umzuschalten und Verhalten anzupassen. Aber leider tun wir das nur bei einer sehr unmittelbaren Bedrohung. Beim Klimawandel, der sich langsam und mit vielen Jahrzehnten Verzögerung manifestiert, fällt es uns schwer adäquat zu handeln. Das ist fatal, denn die Natur gibt lange Zeit Kredit, aber sie vergisst nie, die Rechnung zu stellen. Am Ende treibt sie ein, auch brutal. <BR /><BR /><b>Noch ein Wort zu den Umweltschutzverbänden. Wie wichtig sind sie, welche Rolle können sie spielen?</b><BR />Schuler: Sie haben 2 Aufgaben: Sie müssen weh tun – weil sie im langfristigen Allgemeininteresse unbequem und lästig sein müssen. Und sie müssen vorausblicken. Damit widersprechen sie 2 wesentlichen Treibern der Politik, die allzuoft auf Eigeninteressen bestimmter Lobbies und auf kurzfristige Erträge ausgerichtet sind. Wir sollten daher sehr froh sein, dass es solche Verbände gibt, und dort Menschen arbeiten, die bereit sind, nicht für Eigeninteressen, sondern für die Allgemeinheit einzustehen. Sie sind ein überlebenswichtiges Korrektiv.<BR /><BR />