Ältere Menschen haben ein höheres Risiko, an einer oder mehreren chronischen Erkrankungen zu leiden, wodurch auch die Anzahl an eingenommenen Medikamenten steigt. Zugleich birgt die Mehrfacheinnahme von Medikamenten (Polypharmazie) auch gewisse Risiken. Das Institut für Allgemeinmedizin und Public Health der Landesfachhochschule für Gesundheitsberufe Claudiana ist daher der Frage nachgegangen, wie häufig Polypharmazie in Südtirols älterer Bevölkerung vorkommt und ob sich die Anzahl unangemessener Medikamente gezielt verringern lässt. Die Studienleitung oblag der Allgemeinmedizinerin und Wissenschaftlerin am Institut, Dr. Angelika Mahlknecht.<BR /><BR />Die klinische Studie „PRIMA“ wurde in Südtirol zwischen 2013 und 2016 von der Vorgängerin des Instituts, der Südtiroler Akademie für Allgemeinmedizin, gemeinsam mit Experten der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und der Universitätsklinik Innsbruck durchgeführt. An der Studie beteiligten sich 43 Südtiroler Hausärzte und 579 Patienten mit einem Mindestalter von 75 Jahren und einer täglichen Einnahme von mehreren Dauermedikamenten. Es wurde festgestellt, dass 13,4 Prozent aller Patienten im Alter ab 75 Jahren 8 oder mehr Medikamente einnahmen. <BR /><BR /><b>15 Prozent aller verordneten Medikamente „potenziell unangemessen“</b><BR /><BR />46 Prozent der Studienteilnehmer wurden mit mindestens einem potenziell unangemessenen Medikament behandelt: Dazu zählen Substanzen, die bei älteren Menschen das Risiko signifikanter Nebenwirkungen bergen, z. B. Stürze oder eine Verschlechterung kognitiver Funktionen. Die häufigsten potenziell unangemessenen Medikamente waren Schlaf- und Beruhigungsmittel und Entzündungshemmer. Bei 2 Dritteln der Studienteilnehmer wurde mindestens eine potenziell gefährliche Wechselwirkung zwischen Wirkstoffen festgestellt. Insgesamt wurden rund 15 Prozent aller verordneten Medikamente von den Experten als potenziell unangemessen bewertet. <BR /><BR />Von diesen wiederum wurde lediglich ein knappes Sechstel von den Hausärzten definitiv abgesetzt. Die Gründe für das Nicht-Absetzen waren: das Vorhandensein einer konkreten Indikation, eine vorangegangene fachärztliche Verordnung, der Wunsch der Patientin oder des Patienten nach Fortsetzung der Therapie oder aber das Wiederauftreten von Symptomen nach versuchtem Stopp der Therapie. Um festzustellen, ob eine Reduktion von potenziell unangemessenen Medikamenten zu einem Benefit für die Patienten führt, wurden bei allen Teilnehmern vor Beginn und am Ende der Studie die Anzahl der Todesfälle, Krankenhausaufnahmen und weitere Gesundheitsindikatoren erhoben: Obwohl in der Interventionsgruppe nur eines von 6 unangemessenen Medikamenten definitiv abgesetzt wurde, verzeichneten die Patienten signifikant weniger Stürze als jene der Kontrollgruppe. <BR /><BR />„Bereits eine geringe Reduktion von unangemessenen Arzneimitteln kann positive klinische Effekte für die betroffenen Patienten bewirken“, folgert Dr. Mahlknecht. Im klinischen Alltag der Hausärzte sollten daher die Möglichkeiten und Ressourcen geschaffen werden, die medikamentöse Therapie älterer Patienten regelmäßig zu überprüfen und anzupassen, mahnt sie deshalb.