Mittwoch, 16. August 2023

Trotz Anzeige: Warum war das Mordopfer von Schlanders nicht besser geschützt?

Nach dem Mord an Celine Frei Matzohl herrscht bei vielen Südtirolern Unverständnis und Empörung: Warum erhielt die 21-Jährige aus Schlanders keine Schutzmaßnahmen und der Ex-Partner kein Annäherungsverbot? Rechtsanwältin Ulrike Oberhammer erklärt, was bei einer Anzeige beachtet werden muss – und fordert strengere Gesetze.

Wie kann eine Frau aus dem Gefängnis der Gewalt geholt werden? Rechtsanwältin Ulrike Oberhammer nimmt den traurigen Mord von Schlanders zum Anlass für eine Analyse der Situation in Südtirol. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Von:
Stephan Pfeifhofer
Die Präsidentin des Landesbeirates für Chancengleichheit erklärt, was Gewaltopfer bei einer Anzeige auf jeden Fall beachten sollen, welche Rolle Familie und Freundeskreis übernehmen müssen und warum das Annäherungsverbot noch verbessert werden muss.

Warum konnte das Mordopfer Celine Frei Matzohl nicht besser geschützt werden, nachdem sie wegen Gewalt und schwerer Bedrohung bereits Anzeige gegen den mutmaßlichen Täter Omer Cim erstattet hatte?
Ulrike Oberhammer: Es scheint so, dass Frau Matzohl zwar Anzeige erstattet hatte, aber angezeigt wurde nur eine einzelne Episode. Das Problem ist: Schutzmaßnahmen wie ein Annäherungsverbot sind nur für bestimmte Straftaten vorgesehen wie Stalking. Stalking bedeutet, dass es wiederholte Belästigungen gegeben hat, Nachstellen, Anrufe, usw. – also nicht nur eine Episode. Im Normalfall ist es aber so, dass es sehr wohl mehrere Episoden gegeben hat, bei den Anzeigen dies dann aber vergessen wird – oder nur der schlimmste oder der letzte Vorfall gemeldet wird. Es ist deshalb sehr wichtig, auch weitere Episoden sofort zu melden und eine Integrierung der Strafanzeige vorzunehmen. Damit hat man schlussendlich etwas in der Hand. Denn nach einer Strafanzeige dauert es eine gewisse Zeit, bis die Staatsanwaltschaft ermittelt hat und die Ermittlungen abgeschlossen sind. Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn es in dieser Zeit noch zu einem Vorfall kommt, so muss man diesen melden.


Die Täter sollten in den Hausarrest gestellt werden und dann auch wirklich zu Hause bleiben müssen. Warum soll sich ein Täter am Wochenende frei bewegen dürfen und das Opfer muss immer acht geben, wo es hingeht?
Ulrike Oberhammer



Es ist folglich wichtig, auch bei der ersten Anzeige nicht nur einen Vorfall anzugeben, sondern eine Auflistung von mehreren Vorfällen..

Oberhammer: Ja. Meist wenn es einen schlimmen Vorfall gab und man nachfragt und zeitlich zurückblickt, dann kommt heraus, dass es schon vorher Vorfälle gab wie Herabwürdigung, psychische Gewalt oder Erniedrigung. Dies ergibt dann ein ganz anderes Gesamtbild, als wenn nur eine einzelne Episode angezeigt wird. Eine einzelne Episode kann zwar schlimm sein – sie ist aber kein Fall von Stalking.

Was können Sie Frauen noch raten, wenn ihnen der Partner oder Ex-Partner Gewalt antut?
Oberhammer: Der Freundeskreis und die Familie sollten hinschauen, hinhören und Hilfe anbieten. Wir haben in Südtirol sehr gut arbeitende Vereine und Frauenhäuser. Dort können Frauen sich Hilfe holen. Viele Frauen bestätigen mir aber, dass sie sich nicht betroffen fühlen: Ihre Situation ist für sie normal und alltäglich – manche kommen aus einer Familie, wo Gewalt bereits an der Tagesordnung war. Es ist für sie ein normales Verhalten: Sie kennen es nicht anders oder können mit der Zeit nicht mehr unterscheiden, dass dieses Verhalten nicht normal ist. Außenstehende sagen dann oft: Das kannst du dir doch nicht gefallen lassen – wie behandelt dich dieser Mann? Diese Frauen sagen dann häufig: So schlimm ist es gar nicht, es geht noch schlimmer. Wir müssen gerade auch diese Frauen erreichen, die nicht mehr den Unterschied kennen.

Sie plädieren für eine Verschärfung der Gesetze?
Oberhammer: Es braucht ein Annäherungsverbot nicht nur bei Stalking und anderen schweren Vergehen, sondern auch bei Körperverletzung und schwerer Bedrohung. Wir brauchen zudem verstärkt Präventionsprojekte an den Schulen, Aus- und Fortbildungen für alle Berufsgruppen, die mit diesem Thema in Berührung kommen, angefangen von den Polizeikräften, Sanität usw.. Wir brauchen auch mehr Personal bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht, damit diese Fälle schnell behandelt werden können.

Ein Annäherungsverbot reicht aber oft nicht aus – wie man auch in Südtirol bereits gesehen hat..
Oberhammer: Wir haben bei der Polizei nicht ausreichend Personal, um ein Annäherungsverbot zu kontrollieren. Und: Es bräuchte mehr Fußfesseln. Man hat in Italien aber nicht genug – es laufen die Ausschreibungen, um mehr Fußfesseln anzukaufen. Das dauert seine Zeit. Die Täter sollten in den Hausarrest gestellt werden und dann auch wirklich zu Hause bleiben müssen. Warum soll sich ein Täter am Wochenende frei bewegen dürfen und das Opfer muss immer acht geben, wo es hingeht?


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