Ein Unwetter mit Starkregen und Hagelschlag richtete in Klausen vor 100 Jahren riesige Schäden an, 4 Menschen verloren ihr Leben. <BR /><BR />Es war ein typischer sonnig-schwüler Sommertag. Wie so oft schien in der Stadt die Sonne und oben auf den Latzfonser Almen, dem großen Einzugsgebiet des Tinnebaches, gab es ein Gewitter. Niemand in der Stadt konnte erahnen, dass sich ein Unwetter mit sintflutartigem Starkregen und Hagelschlag aufbaute. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667856_image" /></div> <BR />Es soll, wie „Der Tiroler“ später schrieb, ununterbrochen fast eineinhalb Stunden gehagelt und stark geregnet haben. In kürzester Zeit stürzten große Wasser- Schlammmassen über die steilen Hänge, Nebenbäche, Wälder und Fluren zu Tal. Sie rissen Geröll, Steine, Erdreich, Bäume und viele gelagerte Holzstämme mit. Die reißenden Massen hinterließen ein wüstes Bild der Zerstörung in der Landschaft. <BR /><BR />Im schmalen Tinnetal vereinten sich die Sturzbäche zu einer ungeheuren Kraftmasse, die sich mit unvorstellbarer Gewalt und alles zerstörend den Weg bis nach Klausen bahnte. <BR /><BR /><b>Ahnungslosigkeit in Klausen</b><BR /><BR />In Klausen ahnte niemand, dass großes Unheil auf die Stadt zukam. Die Sonne schien, als um 16.30 Uhr die Unwettermassen aus dem Tinnetal hervorschossen und dort ihre ganze Zerstörungswucht entfalteten.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667859_image" /></div> <BR />„Wie eine Mauer, fast turmhoch, eine Wand von Steinblöcken, Stämmen, Wasser-Schlammmassen wälzten sich in die Stadt“, schildert ein Augenzeuge sein Erlebnis 2 Tage später im „Tiroler“. Durch Zurufe gelang es, Leute zu warnen, die Sturmglocken erklangen. <BR /><BR />Viele flüchteten in höchster Not und Angst den bergseitigen Hang hinauf nach Säben. Das Kloster nahm die Geschockten auf und gar viele verbrachten dort auch die Nacht. <BR /><BR />Dem Umstand, dass es helllichter Nachmittag war, als die Unwettermassen ihr Zerstörungswerk fortsetzten, verhinderte ein noch größeres Unglück. <BR /><BR />Leider gab es auch 2 Tote zu beklagen. Die enorme Masse aus großen Steinen, Geröll, Schlamm-Wassermassen und einer Unmenge an Baumstämmen riss sofort die Tinnebrücke weg, zerstörte die Klostermauer des Kapuzinerklosters und einige Gebäude. <BR /><BR />Das ganze Unwettermaterial schob sich bis zum Eisack und vermurte bzw. errichtete dort eine Art Sperr-Staumauer. <BR /><BR /><b>Eisack wird zum See</b><BR /><BR />Die Folge war, dass der rückgestaute Eisack sofort anstieg und einen fast 2 Kilometer langen See bildete. Zu den schon vorher eingedrungen Unwettermassen, drang nun überall auch das Eisackwasser meterhoch in die Häuser, Betriebe, Kirchen, und Gasthäuser. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667895_image" /></div> <BR />Die beiden Toten waren der Weinhändler Franz Schmuck und die Spitalspfründerin Gabriele Obwexer. Sie mussten später in Villanders begraben werden, da der Friedhof im Nordosten der Stadt Teil des Stausees war. Erst Tage später erfuhr man in Klausen, dass es auch in der Latzfonser Gegend 2 Tote durch das Unwetter gegeben hatte: Otto Freisinger, Knottnersohn und Elisabeth Gasser, Zimmermeistertochter.<BR /><BR />In Klausen mussten 2 Frauen eine schwierige erste Nacht nach dem Unglück verbringen. Die Frau des Zimmermeisters war in einem Zimmer von den Wasser- und Schlammmassen überrascht worden und bis zum Hals stecken geblieben. Erst am folgenden Morgen hörte man die Hilfeschreie und konnte sie befreien. <BR /><BR />Eine andere Bürgerin hatte sich auf ein stilles Örtchen zurückgezogen und wurde dort von den eingedrungenen Massen eingeschlossen. Sie musste die ganze Nacht ausharren. Ihre glückliche Befreiung war sogar eine Zeitungsnotiz wert.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667898_image" /></div> <b>Schwierige Situation für die Stadt</b><BR /><BR />In der Stadt waren besonders die bachseitig gelegenen Stadthäuser überflutet und stark verschlammt. Die 6 Meter über dem Eisack gebaute Brücke war geflutet und unpassierbar, die Bahnlinie unterbrochen. Klausen war 2 Tage lang von der Außenwelt abgeschnitten. <BR /><BR />Valentin Gallmetzer, Bildhauer, war damals Bürgermeister der Stadt. „Ich habe ab diesem Tag für längere Zeit wenig geschlafen“, erzählte er dazu. Die Schäden an Bürgerhäusern, Gastwirtschaften, Handwerksbetrieben, Kirchen, Kapuzinerkloster, Schulen, Gassen, Straßen, Plätzen, Obstwiesen, Gärten, Fluren waren enorm. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667901_image" /></div> <BR />Ganz Klausen legte sofort Hand an und begann mit den Aufräumarbeiten. Rund 2 Jahre zogen sie sich hin. Das größte Problem bildete zu Beginn aber die Beseitigung des Sperrriegels im Eisack. Der erste Versuch der Beseitigung am 17. September schlug fehl. <BR /><BR />Der Pegelstand des gestauten Eisackwassers konnte nur kurzzeitig abgesenkt werden. Überall machte sich ein übler Geruch breit. Erst nach wochenlanger Handarbeit konnten die Wasser- und Schlammmassen abgelassen werden. Rund 200.000 Kubikmeter Erd-Geröllmaterial wurden dabei verschoben. Es zudem 6000 Kubikmeter Schutzbauten errichtet. <BR /><BR />Auch die beiden Flussbette mussten neu angelegt werden. Die Gesamtkosten dieser großen Aufräumarbeiten betrugen rund 4,5 Millionen Lire. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667904_image" /></div> <BR />Klausens Bevölkerung schlug von vielen Seiten eine große Hilfswelle entgegen. Überall im Lande und darüber hinaus wurden Hilfsaktionen und Spendenaufrufe gestartet. Künstler gaben Künstlerpostkarten heraus, man veranstaltete Konzerte, Versammlungen zum Spendensammeln. <BR /><BR /><b>Probleme mit „Kaiserlichen“ Spende</b><BR /><BR />Der in Verbannung auf Madeira lebende Kaiser der K.-K. Monarchie, schickte – obwohl nicht mehr wohlhabend – eine ansehnliche Spende nach Klausen.<BR /> Bürgermeister Valentin Gallmetzer nahm die Spende für die geplagte Stadt an und bedankte sich bei Kaiser Karl I., den er von früher kannte bzw. für den er Schnitzereien angefertigt hatte.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667907_image" /></div> Die Annahme der Spende brachte Gallmetzer einen „strengen“ Verweis der neuen politischen Machthaber in Südtirol ein. Zivilkommissar Postinger bezeichnete Gallmetzers Verhalten als verwerflich und drohte mit weiteren Konsequenzen. Dies waren die ersten Schattenzeichen der späteren, unseligen Zeit für unser Land.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667910_image" /></div> <BR />Da bei Gallmetzer Hausdurchsuchungen durchgeführt wurden, blieb man nur mehr über Kurierpost in Kontakt mit den Vertretern der Habsburgerfamilie. Diese Mitteilungen versteckte Gallmetzer in seinem Hausaltar.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667913_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667916_image" /></div> <BR />Auf Wunsch von Kaiserin Zita steht ein von Gallmetzer geschnitztes Kruzifix am Sarg des 1922 verstorbenen letzten Kaisers der K-K Monarchie in Funchal.<BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667919_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667922_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667925_image" /></div> <BR /><b>Die königliche Visite</b><BR /><BR />2 Monate nach der Unwetterkatastrophe, am 13. Oktober 1921, kam auch Italiens König Vittorio Emanuele I. mit seiner Gemahlin nach Klausen, um sich ein Bild über die Lage zu machen. Er reiste mit seinem Gefolge im Zug an und musste über Holzstege in die Stadt begleitet werden. <BR /><BR />Am Kirchplatz hießen Bürgermeister Gallmetzer, Dekan Moser, Vertreter des Kapuzinerkonvents, Klosterfrauen und Abordnungen der Vereine und Verbände das Königspaar willkommen. Besonders betroffen von der schwierigen Lage der Stadt zeigte sich die Königin. Die Pfarrkirche stand immer noch unter Wasser. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667928_image" /></div> <BR />Eine Tochter Gallmetzers überreichte dem Königspaar einen Blumenstrauß und die Gedenkschrift vom „Schlern“ über das Unglück. Als der König sie küssen wollte, wandte sich das kleine Mädchen ab. Auch der Schule wurde ein Besuch abgestattet. Die Königin sprach die Anwesenden in deutscher Sprache an. Das Königspaar überreichte der Stadt eine Spende von 20.000 Lire.<BR /><BR /><b>Ursache des Unglücks</b><BR /><BR />Unmittelbare Ursache des Jahrhundertunglückes war sicherlich das wilde Unwetter auf den Latzfonser Almen mit unglaublichem Starkregen und langem Hagelschlag. <BR /><BR />Zum Ausmaß und den Auswirkungen der Katastrophe wurden in allen Berichten auch das umweltschädigende starke Abholzen der Wälder und das Ablagern großer Mengen an Holzstämmen im Gelände angeführt. Die neuen politischen Machthaber hatten, wie berichtet wurde, Raubbau am Schutzwald betrieben. Unter der österreichischen Verwaltung waren jährlich 300 Festmeter, unter der italienischen Verwaltung 4.000 Festmeter aus den Staatswäldern geschlagen worden. Die Wildbäche im Tinnetal hatten damals keine Schutzbauten. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667931_image" /></div> <BR /><b>Tinnebach heute gut abgesichert</b><BR /><BR /> In den vergangenen Jahren hat das Amt für Wildbachverbauung alle Wildbäche im Einzugsgebiet des Tinnebaches abgesichert und im Tinnebach vor der Stadt Wehren mit Auffangbecken errichtet. Diese haben sich bestens bewährt. Die Forstbehörde pflegt gezielt die Wälder im Einzugsgebiet des Tinnebaches. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="667934_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667937_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667940_image" /></div> <BR /><div class="img-embed"><embed id="667943_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><BR /><BR /><BR />