Die Schwierigkeit, dauerhafte Beziehungen aufzubauen, der ständige Vergleich mit dem Vater, die Suche nach dem eigenen Weg im Showgeschäft und der Kampf um Anerkennung sind der Ausgangspunkt von „Vera“, dem Film der Bozner Regisseurin Tizza Covi und ihres Partners Rainer Frimmel, der beim Filmfestival von Venedig in der „Orizzonti“-Schiene gleich 2 Preise erhielt, für die beste Regie und für die beste Schauspielerin Vera Gemma. Auch beim Diagonale Filmfestival 2023 in Graz wurde „Vera“ mit dem „Großen Diagonale Preis“ ausgezeichnet.<BR /><BR /> Und heute Abend eröffnet der Film, der auch im Wettbewerb des BFFB läuft, das Film Festival. Ein Gespräch mit der Bozner Regisseurin.<BR /><BR /><b>Wie ist der Kontakt zu Vera Gemma zustande gekommen? Wie haben Sie sie kennengelernt?</b><BR /><BR />Tizza Covi: Wir haben Vera Gemma bei den Dreharbeiten unser Filmes „Mister Universo“ 2015 kennengelernt. Sie hatte sich – so wie wir – für die Zirkuswelt interessiert und hat uns fasziniert, weil sie auf den ersten Blick ganz anders ist als sie wirklich ist. Ihre Vergangenheit ist sehr interessant. Im Film beschäftigen wir uns damit, wie man lebt, wenn man nur als Tochter eines berühmten Mannes gesehen und immer mit dem Vater verglichen wird. Wie ist es, wenn man nicht als eigenständige Persönlichkeit betrachtet wird und von Menschen umringt ist, die von einem profitieren wollen? Wie kommt man mit dem Urteil der Menschen zurecht? Wie findet man seinen Platz in dieser Gesellschaft und in der High Society? Das sind Fragen, mit denen wir uns in diesem Spielfilm befassen.<BR /><BR /><b>Wo wurde der Film gedreht?</b><BR /><BR />Covi: Es handelt sich um einen sehr römischen Film, der im Herbst 2021 in Roms Viertel Trastevere und San Basilio gedreht wurde. Wir mussten unter Zeitdruck arbeiten, denn wir wussten, dass es wegen der Pandemie zu einem Lockdown kommen würde, was auch geschehen ist. In 42 Tagen haben wir das geschafft.<BR /><BR /><b>Wie lange haben Sie auf den Film hingearbeitet?</b><BR /><BR />Covi: Wie immer bei unseren Filmen sind die Dreharbeiten nur die letzte Etappe. Von 2015 und 2020 habe ich mich viel mit Vera Gemma beschäftigt, Gespräche mit ihr geführt, sie fotografiert, ihre Autobiografie gelesen und dann Drehbuch für sie geschrieben, mit allen Informationen, die ich über sie gesammelt hatte.<BR /><BR /><b>Und wie hat Vera Gemma auf den Film reagiert?</b><BR /><BR />Covi: Wir haben ihr den Film noch nicht gezeigt. Sie wird ihn erst bei der Premiere in Venedig sehen, und das wird eine Überraschung. Das ist immer so für die Protagonisten unserer Filme. Man kann ihnen die schönsten Emotionen schenken, wenn sie den Film mit einem großen Publikum sehen und dessen Reaktion erleben können.<BR /><BR /><b>Und wie sehr hat sich Ihre Arbeit während der Pandemie erschwert?</b><BR /><BR />Covi: Man konnte nicht so leicht casten etwa, oder recherchieren, weil alles zu war. Es war eine schwere Zeit für Dokumentarfilmer, und die Zeiten werden weiterhin schwierig bleiben. Wir erleben einen Krieg in Europa, und wir wissen nicht, wie sich die Pandemie entwickeln wird.<BR /><BR /><b>Sie sind für Ihre innovativen Filmprojekte bekannt. Wie schwierig ist es, sie bei Festivals zu platzieren?</b><BR /><BR />Covi: „Vera“ ist ein 100-prozentiger Spielfilm mit starkem dokumentarischen Aspekt. Unsere Werke werden bei Festivals geliebt, da hat man sein Publikum. Im regulären Filmbetrieb wird es immer schwieriger und sogar bald unmöglich werden, innovative Projekte vorzustellen.<BR /><BR /><b>Sie arbeiten mit Ihrem Lebenspartner Rainer Frimmel zusammen. Ist das oft auch schwierig?</b><BR /><BR />Covi: Wir arbeiten zusammen, weil dies für uns mehr Vorteile als Nachteile bringt. Das ist eine Entscheidung, die wir bei jedem Filmprojekt neu treffen, wir müssen nicht unbedingt zusammenarbeiten. Wir fragen uns: Wollen wir das auch machen? Vor allem, weil wir alle Aspekte des Filmemachens betreuen. Diesmal waren wir zu dritt am Set, denn wir hatten zum ersten Mal einen Regieassistenten: Ivan Bellavista. Er war toll, und es war wichtig, eine dritte Person am Set zu haben.<BR /><BR /><b>Glauben Sie, dass „Kino“ nach noch eine Zukunft hat, in Italien wurden nach der Pandemie 400 Kinos geschlossen?</b><BR /><BR />Covi: Nach 2 Jahren Pandemie beginnen die Menschen wieder, die eigenen 4 Wände zu verlassen. Filme auf der großen Leinwand zu erleben, ist emotional etwas ganz anderes, als sie auf kleinen Bildschirmen anzuschauen. Darum wird das Kino nicht so schnell sterben. Auch wäre es wichtig, dass das Kinoprogramm nicht zu uniform ist, damit es ein Ort bleiben kann, in dem man verschiedene Filmsprachen und Zugänge kennenlernen darf.<BR /><BR /><b>Und an welchen Projekten arbeiten Sie derzeit?</b><BR /><BR />Covi: Es gibt viele Ideen und Projekte, die wir vorbereiten. Wir suchen auch immer weiter nach neuen Geschichten und Ausdrucksformen.<BR /><BR /><i>Dieses Gespräch wurde von Mitarbeiterin Micaela Taroni Ende Juli 2022vor den Filmfestpielen von Venedig geführt.</i><BR /><BR /><BR /><b>Tizza Covi & Rainer Frimmel:</b><BR /><BR /> Die Regisseurin (*1971, Bozen) und der Regisseur (*1971, Wien) arbeiten seit 1996 zusammen und drehen nach ihrem Studium an der Höheren Grafischen Lehran- stalt in Wien mit „Das ist alles“ (2001) ihren ersten gemeinsam Film. 2002 gründeten sie die Film- produktionsfirma Vento Film, um unabhängig zu produzieren. In der Folge realisierten sie die Filme „Babooska“ (2005), „La pivellina“ (2009), „Der Glanz des Tages“ (2012) und „Mister Universo“. Ihr vorletzter Film „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ wurde 2020 bei der Berlinale vorgestellt.