Sonntag, 31. Dezember 2023

Der ungewöhnliche Weg eines vielseitigen Laienmusikers

Er wollte Fußballer werden. Doch mit 15 Jahren verliebte sich Josef Egger in die Klarinette. Sein ungewöhnlicher musikalischer Weg führte ihn sogar zu einer „Südtiroler Premiere“ am Bozner Konservatorium. Davon und über seine Passion erzählt der langjährige Musikant, Kapellmeister, Organist und Leiter des Kirchenchores Nals im Gespräch.

„Ich bin nur einer von vielen“, sagt der 78-jährige Nalser Josef Egger bescheiden: Als Bauernbub besuchte er das Konservatorium und war der erste Südtiroler mit dem Staatsdiplom in Kirchenmusik. - Foto: © ANDREAS KEMENATER

Von Edith Runer

„Ich bin nur einer von vielen“, winkt Josef Egger bei der ersten Interviewanfrage fast erschrocken ab. Ja, aber ein Besonderer unter den vielen. Schließlich lässt sich der 78-jährige Altbauer vom Graberhof doch zu einem Treffen im Probelokal des Kirchenchores Nals überreden. Die 40 Stufen ins Dachgeschoss eines vorbildlich sanierten denkmalgeschützten Gebäudes nimmt er überraschend sportlich.

„Nur fürs Foto“ setzt er sich gleich ans Klavier. Doch kaum berühren seine Finger die Tasten, erklingt wie von selbst eine Melodie. Das berühmte 1. Präludium in C-Dur aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach erfüllt den Raum, und man spürt: Hier sitzt einer, der die Musik im Blut hat.

Die Klarinette als große Liebe

Tatsächlich kommt Josef Egger, von allen Seppl genannt, aus einer musikalischen Familie. Großvater und Vater waren Klarinettisten in der Nalser Bürgerkapelle, mit seinen Brüdern Hubert und Ernst trat Seppl einst als die „Graber Buabm“ bei unzähligen Veranstaltungen auf.

Die „Graber Buabm“ (von links): Hubert, Josef und Ernst Egger.



Doch als Kind wollte er sein Talent allerdings noch nicht richtig wahrhaben. Er war sogar ziemlich enttäuscht, als er sich mit 10 Jahren vom Christkind ein Paar Ski gewünscht und dieses stattdessen eine Ziehharmonika unter den Baum gelegt hatte. Wenigstens machte das Musizieren Spaß. Seinen Traum vom Fußballprofi gab er aber zunächst nicht auf.

Das änderte sich, als ihm seine Eltern – da war Seppl 15 – eine Klarinette schenkten. „Ich habe mich sofort in dieses Instrument verliebt und alles rund um mich herum vergessen, sobald ich es in der Hand hielt.“ Ein Jahr später trat er in die Bürgerkapelle ein, spielte in jeder freien Minute und schaffte es, als er den Militärdienst ableisten musste, sogar ins italienische Militärorchester („Banda Nazionale dell’ Esercito Italiano“). Dort lernte der Soldat erstmals auch klassische Musik kennen und spielen – ebenfalls Liebe auf den ersten Blick.

Erster Südtiroler mit Staatsdiplom

Zurück in Nals, ließ sich Seppl in der Musikschule Lana bei Engelbert Perkmann sowie bei einem Orgelkurs in Meran in die Kunst des Orgelspiels einführen. Vom bekannten Musikprofessor und Organisten Herbert Paulmichl erhielt er einen wegweisenden Tipp. „Er ermutigte mich, als Gasthörer im Bozner Konservatorium das Fach Kirchenmusik zu belegen.“

Der Jungbauer Seppl vom Graberhof absolvierte die 3 Jahre der Weiterbildung mit einer „unheimlichen Begeisterung“, wie er sagt. Das merkte auch sein Vorbild Herbert Paulmichl. „Warum machst du nicht das Staatsdiplom?“, meinte der. Doch ohne Mittelschulabschluss – nach dem 2. Weltkrieg gab es lediglich 8 Grundschuljahre – war das nicht möglich. Professor Paulmichl blieb hartnäckig: „Die Mittelschulprüfung kannst du privat nachholen.“ Und der ehrgeizige Seppl schaffte es tatsächlich.

Die anschließende 4-jährige Ausbildung am Konservatorium „war die beste meines Lebens“. Am Ende erhielt Josef Egger als erster Südtiroler überhaupt das Staatsdiplom in Kirchenmusik. „Für mich ist Kirchenmusik nach wie vor die schönste Musik“, sagt er. Als religiöser Mensch erachtet er die musikalische Gestaltung von Gottesdiensten als wichtig, weil sie ihnen einen würdevollen Rahmen gebe, „ganz nach dem Ausspruch von J. S. Bach: ,Zur großen Ehre Gottes und zur Erbauung der christlichen Gemeinde‘.“

Ehrenamt statt Profimusik

Obwohl Josef Egger nach seinem Abschluss interessante Stellenangebote im Musikbereich erhielt, entschied er sich dafür, Laienmusiker zu bleiben und den elterlichen Hof mit seinem Bruder Hubert zu übernehmen. „Das war eine gute Entscheidung“, sagt er heute. Denn so konnte er für sein Dorf „etwas weiterbringen“. Er leitete fortan den Kirchenchor sowie die Bürgerkapelle, und er heiratete seine Almuth, die er natürlich im Kirchenchor kennengelernt hatte. „Sie hat nicht nur wunderschön gesungen, sondern genauso gut Harfe gespielt, und da habe ich mich verliebt“, erzählt er. In das Harfenspiel und in die Frau, fügt er verschmitzt hinzu.

Josef Egger (rechts) mit dem Orchester der Musikfreunde Meran (2011).



Den Dirigentenstab der Nalser Kapelle gab er nach 25 Jahren ab, um für mehrere Jahre die Kapellen von St. Michael/Eppan und Zwölfmalgreien zu leiten. Weiterhin spielt er Klarinette in Nals und leitet dort den Kirchenchor. Dass er auch langjähriger Referent bei Kapellmeisterkursen des Verbandes der Südtiroler Musikkapellen, stellvertretender Bezirkskapellmeister, Bezirksjugendleiter, Ziehharmonikaspieler bei Volkstanzgruppen und 10 Jahre Dirigent des Orchesters der Musikfreunde Meran war, sagt alles über sein musikalisches Engagement.

Bei der Fronleichnamsprozession in Nals (2023). - Foto: © Franz Spiess



Seiner Familie gegenüber hatte Seppl oft ein schlechtes Gewissen, weil kaum ein Sonntag ohne Einsatz verging. Doch offenbar hat er seine Kinder dennoch mit seiner Leidenschaft angesteckt. Immerhin ist seine älteste Tochter Veronika heute Konzertmeisterin beim Bozner Domorchester sowie beim Ensemble Conductus (und auch als Geigerin bei der Band „Opas Diandl“) tätig, Sohn Matthias arbeitet als hauptamtlicher Domkapellmeister im bayerischen Freising, und Sohn Martin setzt die Familientradition als Klarinettist bei der Bürgerkapelle fort.

Immer Wert auf Nachwuchsarbeit gelegt

Vor allem dem Kirchenchor Nals hat Josef Egger seinen Stempel aufgedrückt. Der Chorleiter hat in seiner 52-jährigen Tätigkeit viel Nachwuchsarbeit geleistet. Und er versteht es mit seiner authentischen Art, seinem Humor und seiner Empathie, die immerhin 30 bis 35 Sängerinnen für die Chormusik zu begeistern. Er fordert sie zudem immer wieder heraus, indem er mit ihnen neben der klassischen Chorliteratur auch anspruchsvolle Werke einübt und zusätzlich zur Gestaltung von Gottesdiensten musikalische Projekte in Angriff nimmt. „Viele Jahre war unser Geistliches Konzert am 8. Dezember der Höhepunkt. Unsere bunten Abende zu Fasching, bei denen wir auch Auszüge aus Musicals oder Operetten gesungen und Sketche vorbereitet haben, waren legendär“, erzählt der Chorleiter.

Mit dem Kirchenchor Nals beim traditionellen Geistlichen Konzert (2017).



Mittlerweile konzentriere man sich – organisationsbedingt – auf ein Geistliches Konzert, das künftig aber voraussichtlich an einem anderen Tag stattfinden wird. Sein ehrenamtliches Engagement führt Seppl trotz seines stattlichen Alters gerne weiter, „aber nur, solange Gott will und man mich braucht“.

er

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