Die Ernährungswissenschaftlerin Julia Zacherl erklärt, wie sich unser Lebensstil nach dem Maßstab des „ökologischen Fußabdrucks“ ändern muss. <BR /><BR /><BR />Wie ernähre ich mich richtig? Auf den ersten Blick eine einfache Frage, auf die es aber mehr als nur eine Antwort gibt. Die erste spontane Antwort lautet: Richtig essen bedeutet, sich so zu ernähren, dass man gesund bleibt. Das ist aber nur ein Aspekt. Eine zweite Antwort kann lauten: Richtig essen bedeutet, sich so zu ernähren, dass man mit der Umwelt möglichst schonend umgeht. Legt man diesen Gedanken zugrunde, kann der Speiseplan plötzlich ganz anders aussehen. Und selbst diese Antwort ermöglicht wiederum verschiedene Facetten.<BR /><BR />Für die einen schließt eine umweltschonende Ernährung tierische Lebensmittel mit ein, für die anderen nicht. Für die einen sollen die Lebensmittel vorwiegend aus der Region kommen, für die anderen ist es vor allem wichtig, dass sie ökologisch angebaut werden – was auch in Afrika oder Amerika sein kann.<BR /><BR />Tatsächlich gibt es ein Maß, in dem beide Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden. Zum einen schließt es den gesundheitlichen Aspekt mit ein – wie und was esse ich, damit ich mich gesund erhalte. Zum anderen beinhaltet es den Umweltaspekt – wie und was esse ich, damit ich meinen Körper möglichst umweltschonend ernähre. Das Maß heißt „ökologischer Fußabdruck“, und die dazu passende Ernährungsform heißt „Planetary Health Diet“.<BR /><BR /><embed id="dtext86-49357187_quote" /><BR /><BR /><BR />Dieser Lebensstil – tatsächlich ist es weit mehr, als nur eine Ernährungsform – bedeutet, so zu essen und zu leben, dass man die Erde nicht an ihre ökologische Belastungsgrenze bringt. Die „Planetary Health“-Kommission hat 8 Strategien zur Gesunderhaltung unseres Planeten entwickelt. Fast alle haben mit der Art und Weise, wie wir uns ernähren, zu tun.<BR /><BR />Eines ist inzwischen klar: Die Gesundheit von uns Menschen und die Gesundheit der Erde können nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden. Ein kleines Beispiel: Jeder weiß, dass das Essen von Obst und Gemüse wichtig ist. Beides liefert uns wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe. <BR />Tatsächlich sind laut dem „Planetary Health“-Report 35 Prozent der weltweit erzeugten Lebensmittel von der Bestäubung durch Insekten abhängig, sind also pflanzliche Lebensmittel. Wird diese Gruppe von Lebensmitteln weiterhin mit dem Gebrauch von Insektiziden produziert, sterben immer mehr Insekten. Die Insektenpopulation ist weltweit bereits stark geschrumpft. Wie können wir uns noch mit Vitaminen versorgen, wenn wir gleichzeitig die zur Obstgewinnung notwendigen Insekten reduzieren?<BR /><BR /><b>Abfälle drastisch reduzieren</b><BR /><BR />Dasselbe Dilemma haben wir mit Fisch. Fisch liefert uns hochwertiges Eiweiß und essenzielle Fettsäuren. Wie wollen wir dieses Lebensmittel in Zukunft garantieren, wenn wir zum einen die Meere überfischen, bald also keine Fische mehr vorhanden sind? Und auf der anderen Seite verschmutzen wir die Meere so stark, dass Seefisch aufgrund der belastenden Inhaltsstoffe nicht mehr genießbar sein wird?<BR />Dies sind Beispiele, die deutlich machen, dass wir Menschen uns für eine nachhaltige Ernährungsweise entscheiden müssen. <BR /><BR />Dafür wurde die „Planetary Health Diet“ entwickelt. Sie ist das Resultat einer Forschergruppe aus 37 Wissenschaftlern aus der ganzen Welt, der „EAT Lancet Kommission“. Sie haben herausgefunden, wie ein Speiseplan auszusehen hat, der sowohl die Gesundheit des Menschen als auch die Gesundheit unseres Planeten Erde gleichermaßen im Auge hat.<BR />Ein ganz wichtiger Aspekt dieses Speiseplans betrachtet nicht den Input, sondern auch den Output. Konkret hat die Gruppe festgestellt, dass wir, wenn wir unseren Planeten gesund erhalten wollen, die Lebensmittelabfälle ganz drastisch reduzieren müssen. Dies ist eine neue Sichtweise. Alle anderen Diäten und Ernährungsformen haben gemeinsam, dass man „nur“ das anschaut, was gegessen wird oder eben nicht gegessen wird. Nirgendwo wird ein Augenmerk auf die Abfallmenge gerichtet. Die weggeworfenen Lebensmittel hat die „Planetary Health Diet“ im Blick. <BR /><BR /><b>Was wir ändern müssen</b><BR /><BR />Neben dem Abfall, der sichtbar in der Tonne landet, wird hier auch miteinbezogen, welche Abfallprodukte bei der Herstellung und beim Transport entstehen, also neben organischem und anorganischem Müll, auch CO2, Abwasser, Artensterben durch Insektizide oder Reduzierung des Waldes durch Rodung.<BR /><BR />All dies betrachtet: Wie sieht sie nun aus, diese neue umweltfreundliche und gesunde Ernährungsform? Die Menschen müssten weltweit den pflanzlichen Anteil an der Ernährung, also Obst und Gemüse, in etwa verdoppeln und gleichzeitig den Verzehr von Fleisch und Zucker halbieren. Die Tendenz geht klar Richtung flexitarisch, was so viel bedeutet, dass tierische Lebensmittel im Speiseplan enthalten sein dürfen, aber eher die Ausnahme sein sollten. <BR /><BR />Ideal laut dieser Kommission wäre eine vegetarische Ernährung, also mit Milch, Milchprodukten und Eiern, aber ohne Fleisch. Denn die Herstellung von Fleisch hinterlässt einen extra großen Fußabdruck, und man braucht bei der Herstellung sehr viele Umweltressourcen wie Ackerland, Weidefläche und Wasser.<BR /><BR /><b>Verschwendung vermeiden</b><BR /><BR />Zusätzlich muss weltweit die Lebensmittelproduktion verbessert werden und zwar in der Art, dass weniger Lebensmittelabfälle entstehen. Laut der Untersuchungen der „EAT Lancet Kommission“ würde eine Halbierung der Lebensmittelabfälle eine Verkleinerung des Fußabdruckes für Biomasse und Ackerland um bis zu 15 Prozent zur Folge haben. <BR />Was sind das nun für Abfälle? Neben den Kartoffelschalen, die zu Hause anfallen, kommt ein großer Teil an weggeworfenem Gemüse und Obst daher, dass es nicht einer „Norm“ entsprechend gewachsen ist. Oder dass ein Supermarkt ein noch gutes Gemüse am Samstag wegwirft, weil es am Montag zu reif ist, um noch verkauft werden zu können. Oder wir haben etwas gekauft, was wir gar nicht mögen und schon landet es in der Tonne. Oder bei der Herstellung von (Halb-)Fertigprodukten muss jede Karotte, jede Kartoffel, jeder Spargel gleich aussehen. Die Lebensmittel werden im wahrsten Sinne des Wortes zurechtgeschnitten – und der Rest landet in der Tonne. Die Kette der Beispiele ist unendlich lang und jeder weiß sicher selbst Beispiele, wo noch gut Essbares weggeworfen wird.<BR /><BR />Ganz wichtig ist auch die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung müssen alle mitmachen. Jeder und jede selbst kann Folgendes dazu beitragen. Hier sind einige Tipps:<BR /><BR />1. Vor dem Einkaufen einen <b>Einkaufszettel</b> schreiben und nicht mehr kaufen, als darauf steht!<BR /><BR />2. Mit <b>Ruhe und Zeit</b> einkaufen: Wer schnell noch was einkaufen muss, greift oft zu etwas, was er gar nicht benötigt, weil es grad im Supermarkt im Gang steht.<BR /><BR />3. Auf die <b>Packungsgröße</b> achten: Es muss nicht immer XXL sein. Dann wird das, was man nicht mehr essen kann, weggeschmissen.<BR /><BR />4. <b>Bewusst auswählen</b>: Wenn ich weiß, dass ich heute Sahne brauche, kann ich auch zu einem Becher mit einem kurzen Haltbarkeitsdatum greifen. Wenn ich einen Apfelkuchen backen will, kann ich auch Äpfel nehmen, die nicht ganz perfekt sind. Der Supermarkt würde beides wegschmeißen.<BR /><BR />5. <b>Richtig lagern</b> im Kühlschrank: Werden Lebensmittel falsch gelagert, werden sie schneller schlecht und weggeworfen. Richtig lagern heißt: Obst und Gemüse in dem dafür vorgesehenen Fach aufbewahren, Fisch und Fleisch unten lagern, Milch und Joghurt in der Mitte des Kühlschranks, Käse und Speisereste ganz oben. In der Türe sollten Sie Butter, Eier und Getränke aufbewahren. Alles gut in wiederverwendbaren (Bienenwachs-) Tüchern oder Dosen aufbewahren.<BR /><BR />6. Richtig lagern <b>außerhalb des Kühlschranks</b>: Alles was nicht kühl gelagert werden muss (Nudeln, Reis, Mehl, Zucker, Hafer …) in gut verschließbaren Dosen im Dunkeln lagern. Wichtig ist der Schutz vor Austrocknung und vor Schimmel- oder Schädlingsbefall.<BR /><BR />7. <b>Haltbarkeit</b> beachten: Oft wird etwas weggeworfen, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) abgelaufen ist. Das ist eines der größten Missverständnisse, denn mit dem MHD garantiert der Hersteller nur, dass das Produkt mindestens bis zu diesem Datum gut ist. Die Lebensmittel sind oft weit länger essbar und stellen keine Gefahr für die Gesundheit dar! Nutzen Sie hier Nase und Augen, um zu prüfen, ob etwas noch essbar ist. Achtung: Nicht zu verwechseln ist das MHD mit dem Verbrauchs- oder Ablaufdatum, das auf Produkten zu finden ist, die schnell verderben. Finden Sie zum Beispiel auf Hackfleisch das Verfallsdatum 14.6.21, so sollten Sie das auf keinen Fall mehr am 15.6.21 essen.<BR /><BR />8. <b>Reste verwerten</b>: Hier ist manchmal etwas Fantasie gefragt. Aber man muss kleinste (Rest-) Mengen nicht gleich wegwerfen.<BR />Neben diesen Regeln für zu Hause gibt es in immer mehr Orten die Möglichkeit des Foodsharings oder FairTeilens. Im Internet wird man schnell fündig. So kann jeder seinen Beitrag dazu leisten, das Ziel der Vereinten Nationen, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 zu halbieren, zu erreichen!<BR />