Sonntag, 30. Juli 2023

Mit dem Rollstuhl nach Jesolo: „Emotionale Momente“

Der Weg war das Ziel: Emanuel Plaickner, von allen nur „Petz“ genannt, machte sich kürzlich mit seinem Rollstuhl von Sand in Taufers auf den Weg nach Jesolo. Im Sonntags-Gespräch berichtet er über seine abenteuerliche und emotionale Reise.

Angekommen: Petz Plaickner am Strand in Jesolo. . - Foto: © privat

Von:
Michael Andres
STOL: Wie bewältigt man eine solche Strecke mit dem Rollstuhl?
Petz Plaickner: Vor etwas mehr als 6 Jahren habe ich mir ein so genanntes Triride zugelegt. Dabei handelt es sich um ein elektrisches Zuggerät für den Rollstuhl. Eigentlich ist es nicht für solch lange Strecken gedacht, sondern eher für Fahrten in der Stadt und Ausflüge in den Wald. Ich dachte aber, es ist bei guter Planung einen Versuch wert. Und es klappte hervorragend.

STOL: Wie sah die Reiseroute aus?
Plaickner: Insgesamt standen mehr als 260 Kilometer auf dem Programm. Dies wollten wir – also mein Begleiter Wilfried Steger, der mit dem E-Bike unterwegs war, und ich – in 3 Tagen bewältigen. Die Strecke führte größtenteils über Radwege, die aber nicht immer asphaltiert waren. Am 1. Tag, Freitag, 21. Juli, ging es über 83 Kilometer von Sand in Taufers bis nach Cortina, da standen einige steinige Aufwärtspassagen an. Am 2. Tag fuhren wir von Cortina bis nach Vittorio Veneto. Rund 100 Kilometer galt es dabei zu bewältigen, aber die Fahrt gestaltete sich angenehmen. Lediglich bei den Abwärtspassagen war aufgrund einiger Schlaglöcher Vorsicht geboten. Am 3. Tag erreichten wir nach 80 Kilometern schließlich Jesolo. Meine Lebensgefährtin und meine kleine Tochter erwarteten mich bereits dort. Es waren emotionale Momente. Ohnehin war die ganze Reise geprägt von großen Emotionen.

STOL: Was waren die bewegendsten Momente?
Plaickner: Das ist schwierig zu sagen. Die ganze Reise war bewegend. Der Weg war das Ziel. Es war für mich etwas Außergewöhnliches, man sieht auf so einer Reise Dinge, die man sonst als Rollstuhlfahrer nicht zu sehen bekommt. Der Lago di Santa Croce zum Beispiel war sehr beeindruckend. Es war schön, dort vorbeizufahren. Aber auch die Wege durch unsere Bergwelt. Und nicht zuletzt die Ankunft in Jesolo.

Manfred Steger und Petz Plaickner auf dem Weg nach Jesolo. - Foto: © privat


STOL: Wie sind sie auf diese Idee gekommen?
Plaickner: Die Idee reifte im Sommer vor über 2 Jahren. Eben weil ich damals schon längere Zeit das Tridide besaß und ich gerne am Strand urlaube, wurde der Plan konkret. Alfred Valentin unterstützte mich bei der Suche nach Sponsoren. Mit Wilfried Steger, dem Geschäftsführer von kreAktiv, konnte ich einen treuen Wegbegleiter finden. Ende des vergangenen Jahres hatten meine Familie und ich schließlich den Jesolo-Urlaub geplant. Da es sich ergab, dass auch Wilfried dieser Tage frei hat, stand dem Abenteuer nichts mehr im Wege. Ein Dank gilt an dieser Stelle allen, die mich unterstützten und mir dieses besondere Erlebnis ermöglichten.

STOL: Haben Sie sich auf die Reise vorbereitet?
Plaickner: Seit ich die Idee hatte, habe ich mich auf die Reise vorbereitet, was das technische Equipment betrifft, aber auch mental. Wir hatten ein Reparaturset mit und alles für den Notfall. Was wir nicht beeinflussen konnten war das Wetter und wie viel auf den Radwegen los ist. Mit dem Wetter hatten wir Glück und auch auf den Radwegen war es stets angenehmen.

Petz Plaickner bereitete sich gut auf die Reise vor. - Foto: © privat



STOL: Wie lange waren Sie täglich unterwegs?
Plaickner: Wir waren täglich sechs bis acht Stunden unterwegs, mit kürzeren und längeren Pause, auch weil die Triride-Batterien leer wurden. An Tag 2 etwa mussten wir eine Rast von einer Stunde einlegen, um die Akkus aufzuladen. An Tag 3 hingegen konnten wir durchfahren, da die Akkus hielten.

STOL: War die Tour anstrengend?
Plaickner: Die körperliche Anstrengung hielt sich natürlich in Grenzen. Ich musste Gas geben – und das war’s. Aber man muss durchaus wissen, wie man fährt, Gewichtsverlagerung und Co. spielen eine große Rolle. Auf längeren Strecken gilt es, konzentriert zu blieben. Insbesondere wenn es bergab geht und das Gerät Schwung bekommt, muss man schon gut aufpassen. Auch die steinigen Wege waren eine Herausforderung. Für meinen Begleiter war die Tour sicherlich anstrengender, schließlich musste er trotz E-Bike kräftig in die Pedale treten (lacht).

Petz Plaickner und Wilfried Steger in Jesolo. - Foto: © privat



STOL: Welche Durchschnittsgeschwindigkeit erreichten Sie mit dem Triride?
Plaickner: An den letzten beiden Tagen, wo es doch auch bergab ging, bis zu 20km/h. Am ersten Tage, wo es hauptsächlich bergauf ging, deutlich weniger.

STOL: Sie blieben für einige Tage zum Urlaub in Jesolo. Wie erlebten Sie diese Zeit?
Plaickner: Es war schön, es waren angenehme Tage. Am Donnerstag ging es zurück nach Hause - aber mit dem Auto (lacht).

STOL: Planen Sie weitere solcher Projekte?
Plaickner: Bereits vor der Reise nach Jesolo hatte ich einige weitere Projekte im Kopf, wie etwa eine Tour zum Gardasee oder nach Innsbruck. Derzeit ist mir jedoch nicht nach längeren Fahrten mit dem Triride zumute. Aber ich denke, sobald ich wieder daheim die Bergstraßen erkunde, kommt auch wieder die Lust auf längere Ausflüge.

Zur Person:

Petz Plaickner feierte am Donnerstag, 20. Juli, seinen 40. Geburtstag. Plaickner ist seit Geburt körperlich beeinträchtigt. Der sympathische Pusterer wohnt mit seiner Lebensgefährtin Franziska und der gemeinsamen 5 Jahre alten Tochter Xena in Sand in Taufers. Beruflich ist er in der Gemeindeverwaltung seines Heimatortes tätig.

Alle STOL-Sonntags-Gespräche finden Sie hier im Überblick.

--------------------------------------------

Nutzen Sie auch das Sommer-Digitalangebot des Tagblatts „Dolomiten“ und der „Zett“ für nur 3,30 Euro im Monat. Klicken Sie hier für das Angebot.

Stellenanzeigen


Teilzeit






Teilzeit





powered by
Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden