Sonntag, 20. August 2023

Wieso Kreuzottern giftiger sind als Klapperschlagen und trotzdem nicht so gefährlich

Im Sommer kommt es immer wieder vor: Eine unachtsame Bewegung im Wald oder am Berg – und eine Schlange beißt zu. Auch in Südtirol. Ivan Plasinger vom Verein Herpeton ist Reptilien- und Amphibienexperte. Auch er hat schon den einen oder anderen Biss erlitten und weiß aus erster Hand, wie Giftschlangen ticken, und dass das Gift jener in Südtirol nicht tödlich sind. Er verrät, wie Sie eine giftige von einer ungiftigen Schlange unterscheiden.

Achtung giftig: Mit der Kreuzotter passieren in Südtirol die meisten Unfälle.

Von:
Matteo Tomada
STOL: Herr Plasinger, in den vergangenen Wochen hat man immer wieder gehört, dass Menschen in Südtirol von Schlangen gebissen wurden. Was ist da los?
Ivan Plasinger: In der Tat hat es in den vergangenen Wochen mehr Giftbisse gegeben als sonst. Normalerweise werden in Südtirol pro Jahr 3 bis 4 Menschen von Giftschlangen gebissen. Heuer haben wir diese Zahl schon erreicht.

STOL: Ist das Zufall?
Plasinger: Ich glaube, die Leute sind einfach unvorsichtiger geworden. Außerdem lassen sie sich von den sozialen Medien beeinflussen und hantieren mit Schlangen, ohne es zu können. Das ist erstens verboten und zweitens kann man natürlich gebissen werden.


Ivan Plasinger ist Reptilien- und Amphibienexperte. Außerdem ist er Präsident des Vereins Herpeton. - Foto: © Dlife-DF




STOL: Wurden Sie schon einmal gebissen?
Plasinger: Von Nattern wurde ich schon unzählige Male gebissen, bei meiner Arbeit. Von einer Giftschlange noch nie. Ich bin ein Einzelfall. Statistisch gesehen wird man nach 10 Jahren in meinem Feld gebissen, weil man mit der Zeit nachlässig wird. Ich arbeite schon seit über 30 Jahren mit Schlangen, bin aber sehr vorsichtig.

STOL: Woran erkennt man Giftschlangen?
Plasinger: Viele meinen, an der Farbe, aber das stimmt nicht. Wenn man sich auf einen Meter nähert, kann man die Pupille erkennen. Wenn sie rund ist, ist die Schlange ungiftig (Anmerkung: Das gilt nur in Europa). Wenn sie Schlitzaugen hat, ist sie giftig. Außerdem haben giftige Schlangen viele kleine Kopfschuppen, während ungiftige größere haben. Meistens sind Giftschlangen auch etwas dicker, kürzer und träge.


Runde Pupillen, große Kopfschuppen und besonders lang: Die Äskulapnatter ist ungiftig. - Foto: © Tetraon




STOL: Ist ein Meter Abstand nicht zu wenig?
Plasinger: Die Schlangen in Südtirol können aus rund 30 Zentimeter Entfernung beißen. Mehr ist für sie nicht machbar. Zudem versuchen sie immer zu fliehen. Es kann schon sein, dass sie einem entgegenkommen, aber nur, um in ihr Versteck zu flüchten. Die einzige bekannte Schlange auf der Welt, die einen aktiv verfolgt, ist die Schwarze Mamba in Afrika. Da heißt es laufen.


„Die Schwarze Mamba ist die einzige Schlange der Welt, die einen aktiv verfolgt“, sagt Plasinger. „Da heißt es laufen.“ - Foto: © Shutterstock / shutterstock




STOL: Und wenn man doch einmal gebissen wird?
Plasinger: Dann sollte man unbedingt Ruhe bewahren.

STOL: Leichter gesagt, als getan.
Plasinger: Ich weiß, das klingt blöd, aber ich kenne mehrere Fälle in Südtirol, wo jemand von einer ungiftigen Natter gebissen wurde und ihm trotzdem total übel wurde. Und das nur, weil er Todesängste bekommen hatte. Deswegen Ruhe bewahren!

STOL: Und dann?
Plasinger: Danach sollte man ein Foto vom Biss machen und es uns, den Herpeton-Verein, schicken (Nr. 347 54 31 064). Wir antworten ziemlich schnell und können gleich sagen, um was für einen Biss es sich handelt.


Schlangenbisse kann man anhand der Einstiche selber sehr schnell erkennen.
Ivan Plasinger



STOL: Sollte ich nicht besser den Notruf absetzen?
Plasinger: Na ja. Den Schlangenbiss kann man selber auch sehr schnell erkennen: Wenn man an der Bissstelle eine gesamte Zahnreihe erkennen kann, war die Schlange ungiftig. Wenn man hingegen einen oder zwei Einstiche sieht, war es eine Giftschlange. Das muss aber noch nicht heißen, dass der Biss giftig war.


Bei 2 Einstichen wie im Bild war es eine Giftschlange. Trotzdem muss der Biss nicht gleich giftig sein. - Foto: © Shutterstock




STOL: Was für Symptome erwarten mich nach einem Giftbiss?
Plasinger: Das ist ganz unterschiedlich, weil jeder auf das Gift anders reagiert. Einige bekommen Bauchschmerzen, andere Kopfschmerzen, wieder andere bekommen alle Zustände und müssen sich übergeben. Einige merken gar nichts.

STOL: Und bei ungiftigen Bissen?
Plasinger: Da passiert gar nichts. Das ist wie ein kleiner Zwicker, der auch gar nicht weh tut. Trotzdem sollte man die Bisswunde vorsichtshalber desinfizieren.


Die Kreuzotter ist die Schlange, mit der am meisten Unfälle passieren.
Ivan Plasinger



STOL: In Südtirol gibt es bekanntlich 3 Giftschlangen. Welche ist die giftigste?
Plasinger: Die Kreuzotter ist die Schlange, mit der am meisten Unfälle passieren. Sie ist nicht besonders scheu und lebt in allen menschlichen Lebensräumen. Die Aspis ist die giftigste Schlange in Südtirol, weil sie etwas größer ist als die Kreuzotter und mehr Giftmenge hat. Die dritte Giftschlange ist die Hornotter. Von ihr werden nur äußerst selten Menschen gebissen, weil sie selten vorkommt und sehr scheu ist.


Die Aspis ist die giftigste Schlange in Südtirol. - Foto: © Tetraon




STOL: Wie giftig sind Südtiroler Schlangen im Vergleich?
Plasinger: Unsere Vipern, wie sie in der Fachsprache heißen, haben ein sehr starkes Gift. Es ist giftiger als das von Klapperschlangen in Amerika. Unser Glück ist, dass Vipern nur ganz wenig Gift haben, weniger als einen Tropfen. Die Klapperschlange hingegen hat viel mehr.

STOL: Nimmt die Population an Giftschlangen in Südtirol zu?
Plasinger: Es gibt dazu keine Studien. Aus Erfahrung weiß ich aber, dass sich der Mensch immer weiter ausbreitet und die Tiere zurückgedrängt werden. Vor allem schafft der Mensch Gefahren, wie Straßen, die Amphibien zum Verhängnis werden. Ich bin der Meinung, dass der Mensch und die Natur Hand in Hand gehen können.


„Eine Straße ist kein Problem, wenn an die Tiere gedacht wird“, sagt Plasinger. Im Bild eine Unterführung für Tiere, damit sie sicher die Straße queren können. - Foto: © Shutterstock / shutterstock




STOL: Wie soll das gehen?
Plasinger: Vor allem beim Bauen müssen wir auf die Tiere achten. Leider denken viele Ingenieure, Geometer und Bauherren nicht daran. Wir können gerne Straßen bauen, wir sollten aber genug Unterführungen für Tiere einbauen. Auch bei Häusern kann man besondere Ziegel verwenden, damit sich Vögel wohlfühlen. Eigentlich kann man bei jedem Bau etwas für die Tiere machen, wenn man nur an sie denkt.

STOL: Ist es dafür nicht zu spät?
Plasinger: Während Corona habe ich mit Erstaunen festgestellt, wie schnell sich die Natur erholt. Ich habe in der Zeit wirklich viele Amphibien und Reptilien beobachten können. Es ist also möglich.

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Hermann Zanier
20. August 2023 14:45