Samstag, 16. September 2023

Gut gemeint, schlecht getimt

„Erstmal, und möglichst noch vor den Wahlen, Arbeitsgruppen einrichten und dann in Ruhe weiterschauen.“ Ein Kommentar von „Dolomiten“-Redakteur Rainer Hilpold.

Rainer Hilpold: „Bleibt für die politisch Verantwortlichen zu hoffen, dass der Wähler sich daran am Tag der Wahl nicht punktgenau erinnert.“

Was wäre, wenn Jannik Sinner einige hundertstel Sekunden zu spät ausholen, Dominik Paris beim Schwungansatz zögern oder das Schlagwerk im Haydn-Orchester den Einsatz um einen Wimpernschlag verpassen würde? Alle wären nicht auf dem Niveau, auf dem sie sind. Timing ist eben (fast) alles, eine gute Idee oder Tat zur falschen Zeit, bringt oft wenig.

Das sehen unsere Profis im Politikgeschäft offenbar genauso. Nur wird man den Eindruck nicht los, als stünde Sinner´sche Präzisionsarbeit dabei nicht immer an der Tagesordnung. Einige Beispiele von mehreren: Am Wochenende hieß es plötzlich, dass Abschüsse vom Großraubwild in Südtirol doch möglich werden sollen. Und das obwohl viel Vieh bereits wieder im Tal ist oder bald sein wird und daher der Effekt des vermeintlichen Durchbruchs beim Thema Wolf wohl eher bescheiden ausfallen dürfte.

Bedauerlich, dass die größte Gruppe der potenziellen Nutznießer, die Sommerpraktikanten, davon nichts hat.
Rainer Hilpold


Zu allem Überfluss wurde das Abschussdekret nun vorübergehend gerichtlich ausgesetzt. Man könnte sagen: „Bestenfalls gut gemeint, jedenfalls schlecht getimt“. Da scheint der Termin der nächsten Wahlen eher im Auge des Entscheiders gelegen zu haben als jener des Almabtriebs.

Ebenso gab es jüngst grünes Licht für Berufspraktika ab 14 Jahren – eine sicher löbliche Maßnahme, die von der Wirtschaft schon lange gefordert wurde und jetzt politisch entsprechend groß verkauft wird. Nur bedauerlich, dass die größte Gruppe der potenziellen Nutznießer, die Sommerpraktikanten, davon nichts hat.

Bleibt für die politisch Verantwortlichen zu hoffen, dass der Wähler sich daran am Tag der Wahl nicht punktgenau erinnert.
Rainer Hilpold


Im Juni klang das noch ganz anders, ihnen wurde die Möglichkeit von Sommerjobs in Aussicht gestellt. Betriebe, die diese Ankündigung ernst nahmen und den Jugendlichen erste Berufserfahrungen in Form von Sommerpraktika ermöglichen wollten, wurden auf später vertröstet – mittlerweile ist der Sommer vorbei. Nun kann man einwenden, dass alles besser ist als gar nichts. Richtig, schade ist es trotzdem, eine verpasste Chance für tausende Jugendliche und Firmen in Südtirol, die sich mal wieder falsche Hoffnungen machten.

Nichts falsch machen will man bei der Umsetzung des „Klimaplan Südtirol“. Weshalb man von politischer Seite möglichst auch Herr und Frau Südtiroler miteinbeziehen will. Die Auswahl der potenziellen Mitglieder des Klimabürgerrats soll in den nächsten Wochen erfolgen.

Mehr Mitsprache ist sicherlich willkommen, aber nicht selten schwingt bei derlei Aktionen mit, dass es in Wahrheit auch darum geht, ja nicht Verantwortung übernehmen und den Bürgern dringend notwendige Schritte im Bereich der Nachhaltigkeit erklären und sie dafür begeistern zu müssen.

Es wird signalisiert, was wohl nicht signalisiert werden soll: „Erstmal, und möglichst noch vor den Wahlen, Arbeitsgruppen einrichten und dann in Ruhe weiterschauen.“ Bestenfalls gut gemeint, jedenfalls schlecht getimt. Bleibt für die politisch Verantwortlichen zu hoffen, dass der Wähler sich daran am Tag der Wahl nicht punktgenau erinnert.

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stol

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