Dienstag, 1. August 2023

Italien: Proteste im Süden nach Einschränkung der Sozialhilfe

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni ist wegen des Beschlusses ihrer Regierung, ab dem heutigen Dienstag zahlreichen Menschen das Bürgergeld zu streichen, mit heftiger Kritik konfrontiert. Die Oppositionsparteien beschuldigen die Rechtspopulistin, eine „soziale Bombe“ mit schwer abschätzbaren Folgen für die ärmere Bevölkerung gezündet zu haben.

Die italienische Premierministerin Giorgia Meloni ist wegen des Beschlusses ihrer Regierung, ab dem heutigen Dienstag zahlreichen Menschen das Bürgergeld zu streichen, mit heftiger Kritik konfrontiert. - Foto: © ANSA / ETTORE FERRARI / FRR

Per SMS wurden 169.000 Haushalte in Italien kürzlich darüber informiert, dass sie ab dem 1. August kein Bürgergeld mehr erhalten. Die Textnachricht der Sozialversicherungsanstalt INPS führte besonders in Süditalien, wo die meisten Empfänger von Bürgergeld leben, zu Protesten. Ein 60-Jähriger, dem die Sozialleistung gestrichen wurde, stürmte am Montag ins Büro des Bürgermeisters seiner Wohngemeinde Terrasini in der Provinz Palermo auf Sizilien, übergoss sich mit Benzin und drohte damit, sich in Brand zu setzen.

In Neapel, der Stadt mit der höchsten Zahl von Bürgergeldbeziehern, kam es am Montagnachmittag zu einer Protestkundgebung gegen die Abschaffung des „Reddito di Cittadinanza“, wie die Geldleistung auf Italienisch heißt. Oppositionsparteien kritisierten die Regierung, die künftig das Bürgergeld nur noch an Haushalte mit Behinderten, Minderjährigen oder Senioren über 65 Jahren auszahlen wird.

Bürgermeister und kommunale Behörden riefen die Regierung Meloni auf, die Kürzungen rückgängig zu machen. „Zehntausende Menschen per SMS darüber zu informieren, dass sie ab Anfang August keine Hilfe mehr bekommen, ist ein soziales Trauma, das wir mit allen Mitteln hätten vermeiden müssen“, kommentierte der Präsident der Region Kampanien, Vincenzo De Luca. Seine Region ist jene mit den meisten Empfängern von Bürgergeld.

Regierung Meloni: Wer arbeiten kann, dürfe dem Staat nicht auf der Tasche liegen

Vor allem Langzeitarbeitslose sowie Personen, die alleinstehend sind oder keine Kinder haben, gehen leer aus. Bezugsberechtigt sind nunmehr nur noch Verheiratete mit Kindern oder Haushalte, in denen ältere Menschen über 65 oder Menschen mit Behinderung leben. Wer das Bürgergeld verloren hat und nicht arbeitsfähig ist, soll künftig Hilfe durch die Sozialdienste der Wohngemeinde erhalten. Wie das konkret erfolgen soll, ist selbst für die Kommunen noch unklar. Sie fürchten eine zusätzliche Belastung durch den Ansturm von Bürgergeldbeziehern, die jetzt ihre Sozialhilfe verlieren.

Wer arbeiten könne, dürfe nicht dem Staat auf der Tasche liegen, lautet die Devise der Regierung Meloni. Allein lebende arbeitslose Personen zwischen 18 und 59 Jahren erhalten künftig nur noch einen Zuschuss von 350 Euro pro Monat, und das auch nur, wenn sie an einer Qualifizierungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahme teilnehmen. Der Zuschuss ist auf zwölf Monate begrenzt und unterliegt im Hinblick auf die Einkommens- und Vermögensgrenzen härteren Zugangsbedingungen als die bisher geltende Unterstützung.

Sozialhilfeempfänger verlieren die Leistungen, wenn sie ein Arbeitsangebot ablehnen, das mindestens 60 Prozent einer Vollzeitstelle umfasst und den tarifvertraglichen Mindestlohn vorsieht.
Die Regierung Meloni will die Zahl der Leistungsempfänger innerhalb weniger Jahre um rund 40 Prozent reduzieren. Die Ausgaben des vergangenen Jahres für das Bürgergeld von über 8 Milliarden Euro sollen um 3 Milliarden Euro reduziert werden.

Zuletzt lag das von der Regierung von Premierminister Giuseppe Conte 2019 eingeführte Bürgergeld für einen Alleinstehenden bei bis zu 780 Euro im Monat, eine vierköpfige Familie bekam 1330 Euro. Wirtschaftstreibende meinen, das Bürgergeld führe dazu, dass Arbeitslose auf eine Beschäftigung verzichten. Dabei herrsche in vielen Wirtschaftssektoren, vor allem in der Gastronomie, im Tourismus und in der Landwirtschaft akuter Personalmangel.

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apa/stol

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