<b>Von Katrin Niedermair und Arnold Sorg</b><BR /><BR />Eingebracht wurde der Gesetzesentwurf vom SVP-Landtagsabgeordneten Manfred Vallazza und der Grünen Abgeordneten Brigitte Foppa. Doch der Entwurf ist alles andere als unumstritten: Vor allem der Hoteliers- und Gastwirteverband (HGV) hat wenig Freude damit. Aber auch innerhalb der SVP-Fraktion scheiden sich die Geister. <a href="https://www.stol.it/tag/Lebensmittelkennzeichnung" target="_blank" class="external-link-new-window" title="">(STOL hat berichtet.)</a><h3> Pro Pflicht: „Keiner kontrolliert das, was auf der Karte steht“</h3><div class="img-embed"><embed id="861995_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Warum sind Sie für die Verpflichtung zur Lebensmittelkennzeichnung?</b><BR />Barbara Noflatscher: Der Konsument hat das Recht zu wissen, woher die Lebensmittel auf seinem Teller kommen. Es muss aufhören, dass Leute auf ihre Speisekarte schreiben, das Fleisch sei einheimisch, wenn es in Wahrheit von Übersee kommt. Keiner kontrolliert das, was auf der Karte steht. Es interessiert auch keinen. Wir hören entsprechende Klagen von den Metzgern. Das gilt auch für Gemüse: Das Lügen muss aufhören.<BR /><BR /><b>STOL: Wie handhaben Sie den Herkunftsnachweis derzeit?</b><BR />Noflatscher: Wir haben in unserem Gasthof immer schon einheimisches Fleisch verarbeitet. Wir sind ein Hof, das gehört zu unserem Konzept. Wir arbeiten mit Metzgern aus der Gegend zusammen und schreiben das auch auf die Speisekarte – direkt hinter das entsprechende Gericht: „Kalb aus dem Passeiertal“. Wir haben Gäste, die das suchen und wissen, dass wir das so handhaben. Wir machen auch sehr viel selbst, bieten Hausgemachtes: Natürlich ist es für uns deshalb leichter, die Herkunft der Grundprodukte zu verfolgen. Wenn ich alles einkaufen muss, ist das natürlich viel schwieriger und ein größerer Aufwand.<BR /><BR /><b>STOL: Trotzdem wären Sie für die Pflicht?</b><BR />Noflatscher: Ja. In der Schweiz ist das längst gang und gäbe. Man muss natürlich sehen, wie das Gesetz in der Praxis umgesetzt würde, wie viel Bürokratie es tatsächlich bringt. Wenn die Lieferscheine als Beleg genügen würden…das wäre eine Möglichkeit. Die wirft man ja ohnehin nicht weg. Dass es ein Mehraufwand ist, ist aber sicher – gerade auch für kleinere Betriebe, die niemanden für die Buchhaltung haben. Auch größere Betriebe haben Personalnot. Trotzdem glaube ich, dass sich das umsetzen ließe.<BR /><BR /><b>STOL: Die Lebensmittelproduktion in Südtirol ist nicht in allen Bereichen groß genug, um die Nachfrage zu decken. Wozu also die Herkunftsbezeichnung?</b><BR />Noflatscher: Das ist ein großes Problem, gerade beim Fleisch. Aber dann muss man so ehrlich sein und sagen: Unser Betrieb ist zu groß, wir können unseren Bedarf nicht mit Fleisch aus Südtirol decken. Nicht alles muss regional sein. Es sagt ja niemand, dass Fleisch aus Österreich oder Deutschland schlechter wäre. Es kommt auf das Konzept des Gastbetriebs an: Das muss man dem Gast erklären. <BR /><BR /><b>Verstehen Sie, dass Gastwirte wegen der Mehrbelastung dagegen sind, einen Imageverlust befürchten?</b><BR />Noflatscher: Ja und nein… Der Personalmangel in der Gastronomie ist extrem. Viele Betriebe haben keine Zeit für zusätzliche Büroarbeit. Gerade in Familienbetrieben tut eh schon jeder, was er kann. Und sicherlich fürchten sich einige, wenn sie das Thema bisher nicht genau genommen haben…Aber ich glaube, dass das die Zukunft sein wird: Es kommt darauf an, wie wir uns dem Gast präsentieren. <BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="861980_image" /></div> <h3>Contra Pflicht: „Schade, dass Gesetzesentwurf ein Schnellschuss geworden ist“</h3><div class="img-embed"><embed id="861998_image" /></div> <BR /><b>STOL: Herr Hintner, um den Gesetzentwurf zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung ist in der SVP ein Streit entfacht – einige Parteiexponenten sind dafür, einige dagegen. Wie stehen Sie dazu?</b><BR />Herbert Hintner: Ich selbst verwende schon seit vielen Jahren heimische Produkte, immer im Rahmen dessen, was man bekommen kann und wie gut die Qualität ist. Wir führen auf der Speisekarte auch immer an, wenn es sich um heimische Produkte handelt und woher diese stammen. Aber ganz viel geschieht im Gespräch mit dem Gast. Dabei sollen wir auch bleiben. Dazu braucht es keine gesetzliche Verpflichtung mit Sanktionen. Ich meine: Lassen wir es dem Gastronomen über, wie er die verwendeten Lebensmittel kennzeichnen will.<BR /><BR /><embed id="dtext86-58141162_quote" /><BR /><BR /><b>STOL: Laut Gesetzentwurf soll die Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie aber verpflichtend sein.</b><BR />Hintner: Laut gegenwärtigem Stand ja. Was mich aber an diesem Gesetzentwurf am meisten stört, ist, dass die Politik nicht zuerst bei ihren eigenen Institutionen – den Schulen, den Kindergärten, den Krankenhäusern – mit dieser Initiative beginnt und schaut, ob es zu Problemen kommt. So einfach, wie sich das manche vorstellen, ist es nicht, regional zu sein. Das soll ja bezweckt werden. Dazu braucht es viel Sachkenntnis und viele bäuerliche Mitstreiter, die diese Lebensmittel produzieren, und zwar das ganze Jahr über. Ansonsten hat der Gastronom wieder das Problem, die Lebensmittel zu gewissen Zeiten wieder anderweitig einzukaufen. <BR /><BR /><b>STOL: Nehmen wir das Beispiel Fleisch: Würde Südtirol überhaupt so viel eigenes Fleisch produzieren, wie die Restaurants, Gastbetriebe und Hotels tagtäglich brauchen?</b><BR />Hintner: Nein. Südtirol produziert viel zu wenig Fleisch, um den täglichen Bedarf abzudecken. Um mich nicht falsch zu verstehen: Die Herkunftskennzeichnung der in unseren Küchen verwendeten Lebensmitteln ist per se nicht falsch, aber lassen wir dies doch der Entscheidung jedes einzelnen Betriebes über und sensibilisieren wir die Betriebe dafür. Wir Köchinnen und Köche haben auch nichts zu vertuschen, wie gemutmaßt worden ist. <BR /><BR /><b>STOL: Die Kritiker sagen, dass der Gesetzesentwurf nicht zu Ende gedacht ist. Wie lautet Ihre Bewertung?</b><BR />Hintner: Das denke ich auch. Es ist schade, dass dieser Gesetzesentwurf ein Schnellschuss geworden ist. Er ist nicht ausgereift, nicht zu Ende gedacht. Und ich behaupte noch, dass die Unterzeichner wenig bis kaum Ahnung haben, wie vielfältig und auch kurzfristig die Beschaffungswege in der Gastronomie sind, vor allem auch in jenen Restaurants, wo in kürzester Zeit Hunderte von Gästen verköstigt werden wollen und wo der Preis eine zentrale Rolle spielt.