Mittwoch, 12. Juli 2023

Ein Euro für die Männer, 83,50 Cent für die Frauen

Mit 16,5 Prozent ist der Gender Pay Gap im Jahr 2021 etwas schmäler geworden als noch in den letzten Jahren. „Die Zahl ist immer noch viel zu hoch. Aber wenigstens bewegt sich etwas – wenn auch nur minimal“, kommentiert die Präsidentin des Landesbeirats für Chancengleichheit für Frauen, Ulrike Oberhammer.

Der Gender Pay Gap in Südtirol für Vollzeitbeschäftigte in der Privatwirtschaft lag 2021 bei 16,5 Prozent. - Foto: © Shutterstock

Wieder hat das Statistikinstitut Astat anhand der Daten des Fürsorgeinstituts NISF/INPS die Entlohnungen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst in Südtirol unter die Lupe genommen. Obwohl sich der Gender Pay Gap im Vergleich zu 2018 etwas geschmälert hat, bleiben die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern weiterhin mehr als deutlich.

Der Gender Pay Gap für die Gruppe der Vollzeitbeschäftigten in der Privatwirtschaft liegt bei 16,5 Prozent (2020: 16,3 Prozent). In anderen Worten, für jeden Euro, den ein Mann im Durchschnitt verdient, bezieht eine Frau durchschnittlich 83,50 Cent.



Bei den Teilzeitbeschäftigten in der Privatwirtschaft liegt der Gender Pay Gap bei 8,7 Prozent (2020: 9,6 Prozent): Die Frauen verdienen im Durchschnitt 64,53 Euro pro Tag, die Männer 70,64 Euro. Lediglich in 3 Wirtschaftssektoren zeigt sich der Gap zugunsten der Frauen: Im Sektor Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen, im Baugewerbe und bei privaten Haushalten als Arbeitgeber für Hauspersonal. In diesen 3 Sektoren sind jedoch nur 1,9 Prozent der vollzeitarbeitenden Frauen in der Privatwirtschaft beschäftigt, in allen anderen Bereichen herrscht ein Unterschied zu Gunsten der Männer. Die größten Lohndifferenzen sind im tertiären Sektor zu finden: Grundstücks- und Wohnungswesen (33,6 Prozent) und Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (29,7 Prozent) stechen hervor.

Der größte Nachteil ergibt sich bei den Führungskräften mit einem Gender Pay Gap von 24,3 Prozent, nur 7,8 Prozent der Führungskräfte im privaten Sektor sind weiblich.

Gap wird im Alter größer

Wie das Astat mitteilt, fällt der Gender Pay Gap in der Altersklasse bis 19 Jahre deutlich zu Gunsten der Frauen aus (-15,4 Prozent), bei den 20- bis 24-Jährigen kippt er schlagartig zu Gunsten der Männer (6,2 Prozent). Der Prozentwert steigt bis zur Altersklasse der 64-Jährigen konstant an und erreicht in dieser Klasse einen Höchstwert von 23,6 Prozent.

„Dies legt den Schluss nahe, dass die Mutterschaftszeit und das damit zusammenhängende geringere Dienstalter gemeinsam mit häufigeren Abwesenheiten für die Betreuung von Familienangehörigen der Frauen nach dem Wiedereintritt in das Erwerbsleben, großen Einfluss auf die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern haben dürfte. Der kontinuierliche Rückgang der Zahl der Arbeitnehmerinnen mit Vollzeitstelle in den Altersklassen über 30 Jahren vergrößert zudem den Unterschied“, so die Experten des Astat.

Der Gender Pay Gap für Vollzeitbeschäftigte in Südtirol ist im italienischen Vergleich hoch: Nur die Emilia-Romagna und Ligurien weisen höhere Werte auf (16,8 bzw. 17,8 Prozent).

Öffentlicher Dienst: Im Gesundheitswesen größter Unterschied

Im öffentlichen Dienst erhalten Frauen eine durchschnittliche Tagesentlohnung von 112,33 Euro, Männer 157,28 Euro. Dies ergibt einen Gender Pay Gap von 28,6 Prozent. Der Gender Pay Gap bei Vollzeitbeschäftigten liegt bei 16,4 Prozent, bei öffentlichen Teilzeitarbeitenden liegt bei 5,2 Prozent.

Die hohe Präsenz der teilzeitbeschäftigten Frauen mit einhergehend niedrigeren Gehältern ist teilweise eine Erklärung für den hohen Wert des Gender Pay Gaps im Gesamtdurchschnitt. Im Gesundheitswesen ist der Unterschied mit 26,8 Prozent am höchsten.

Oberhammer: „Es muss noch viel getan werden“

Die Präsidentin des Landesbeirats für Chancengleichheit für Frauen, Ulrike Oberhammer, warnt vor zu großen Optimismus:

„Sicher, im Vergleich zu den vergangenen Jahren, in denen der Gender Pay Gap konstant bei 17 Prozent lag, haben wir einen leichten Rückgang verzeichnet. Allerdings wurde uns mitgeteilt, dass es sich hierbei auch lediglich um eine statistische Schwankung handeln könnte“, erklärt Oberhammer.

Ulrike Oberhammer


Für das Jahr 2022 könnten die Zahlen dann wieder anders sein. Dennoch: „Wenigstens sehen wir, dass sich etwas bewegt, wenn auch nur im Kleinen.“

Größtes Thema in Sachen Gender Pay Gap in Südtirol sei weiterhin die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Immer noch gebe es nicht genügend Kinderbetreuungsplätze, noch immer würden die Väter zu wenig in die Pflicht genommen: „Erst, wenn Frauen auch wirklich die Wahl haben, ob sie zu Hause bleiben oder wieder in die Arbeit gehen wollen, wird sich etwas ändern.“

Noch immer sei gerade Südtirol durch veraltete Rollenstereotype geprägt, in denen die Frau die Kindererziehung alleine bewältigt: „Jährlich kündigen immer noch 1000 Frauen in Südtirol aufgrund der Mutterschaft, sehr viele kommen oft gar nicht mehr oder nur noch in Teilzeit in die Arbeitswelt zurück.“

Die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt sei eine große Chance für Frauen: „Wer jetzt in einen neuen Beruf einsteigen will, hat durch den Arbeitskräftemangel eine gute Verhandlungsbasis und Chancen, einen besseren Lohn zu beziehen“, so Oberhammer abschließend.

liz

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