Dienstag, 17. Oktober 2023

„Neubau im Grünen ist interessanter als Leerstand zu sanieren“

Welche Themen brennen den Bäuerinnen und Bauern unter den Nägeln? „Besonders der Schutz der Kulturlandschaft und der Arbeitskräftemangel sind wichtige Anliegen und müssen von der künftigen Landesregierung berücksichtigt werden“, sagt Leo Tiefenthaler, Landesobmann des Südtiroler Bauernbundes.

Leo Tiefenthaler: „Ich wünsche mir, dass den Interessensgruppen bei wichtigen Entscheidungen vorab mehr zugehört wird.“ Suedtiroler Bauernbund - Foto: © Suedtiroler Bauernbund

STOL: Was ist der scheidenden Landesregierung besonders gut gelungen, was weniger gut?
Leo Tiefenthaler: Nicht so gut gelungen ist der Umgang mit dem Großraubwild. Vor 10 Jahren hat uns die Politik nicht recht zugehört, weil sie den Ernst der Lage unterschätzt hat. In der Zwischenzeit ist die Botschaft, dass es rasch ein aktives Großraubtier-Management braucht, Gott sei Dank angekommen. Natürlich ist es nicht so einfach, das Problem zu lösen, da EU- und staatliche Gesetze berücksichtigt werden müssen. Dennoch hoffe ich, dass in Zukunft Problemwölfe und Bären entnommen werden können, um die traditionelle Almwirtschaft zu erhalten.

„Beim Leerstandsmanagement muss die zukünftige Landesregierung zusätzliche Maßnahmen setzen.“
Leo Tiefenthaler, Bauernbund-Obmann


STOL: Und gut gelungen?
Tiefenthaler: Danken möchte ich der scheidenden Landesregierung für ihren Einsatz für einen lebendigen, attraktiven ländlichen Raum. Wichtig war in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Plattform Land, ein Zusammenschluss von Südtiroler Gemeindenverband, Bauernbund, Wirtschafts- und Sozialverbänden und der Politik. Unter anderem unterstützt die Plattform Land die Nutzung von Leerständen, damit nicht weitere Grünflächen verbaut werden müssen. Beim Leerstandsmanagement muss die zukünftige Landesregierung zusätzliche Maßnahmen setzen.

STOL: Die da wären?
Tiefenthaler: Es braucht einen neuen Förderansatz: Nicht der Neubau auf der grünen Wiese, sondern die Sanierung alter, leerstehender Gebäude, egal ob Wohnungen oder Gewerbebauten, muss mehr gefördert werden. Momentan ist es leider finanziell immer noch interessanter, im Grünen neu zu bauen, als ein altes leerstehendes Gebäude zu kaufen und zu sanieren.

STOL: Könnte auch der Denkmalschutz ein Grund sein, dass manche vor Sanierungen alter Gebäude zurückschrecken?
Tiefenthaler: Das ist sicherlich auch ein Grund. Daher muss die Sanierungsberatung weiter ausgebaut werden. Auch müssen bestimmte Einschränkungen, die der Denkmalschutz mit sich bringt, von Fall zu Fall überdacht werden.

STOL: Welche weiteren Themen liegen den Bäuerinnen und Bauern am Herzen und müssen von der zukünftigen Landesregierung angegangen werden?
Tiefenthaler: Der Schutz der Kulturlandschaft wird ein Hauptanliegen bleiben, da der Grund und Boden der Arbeitsplatz der Bäuerinnen und Bauern ist. Wir müssen sparsam mit Kulturgrund umgehen. Deswegen bemühen wir uns auch so stark, dass leerstehende Gebäude wieder genutzt werden. Zu schaffen macht uns auch die Bürokratie. Ein weiteres Thema ist der Arbeitskräftemangel. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den nächsten Jahren in Pension, was auch in der Landwirtschaft zu spüren sein wird. Daher sollten Rentner, die in der Landwirtschaft mithelfen wollen, arbeiten dürfen, ohne dass ihnen die Rente gekürzt wird. Was wir noch brauchen, sind günstige Rahmenbedingungen, die es unseren Betrieben ermöglichen, sich weiterzuentwickeln. Und nicht zuletzt braucht es eine vernünftige Raumordnungspolitik.

Die Landwirtschaft stellt sich bereits auf die Klimaveränderung ein und ist aktiv am Thema dran. Oberste Priorität wird in Zukunft die Sicherung der Wasserversorgung durch den Bau von Speicherbecken haben.
Leo Tiefenthaler, Bauernbund-Obmann


STOL: Und der Klimawandel? Wie kann die zukünftige Landespolitik der Landwirtschaft helfen, mit den sich verändernden Bedingungen umzugehen?
Tiefenthaler: Die Landwirtschaft stellt sich bereits auf die Klimaveränderung ein und ist aktiv am Thema dran. Ein Beispiel ist die Umstellung von Oberkronen- auf Tropfbewässerung im Obst- und Weinbau. Oberste Priorität wird in Zukunft die Sicherung der Wasserversorgung durch den Bau von Speicherbecken haben. Hier brauchen wir mit Sicherheit die Unterstützung der Politik. Auch wird man sich in Zukunft sehr genau überlegen, wo welche Kultur angepflanzt werden soll. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Forschung und die Züchtung neuer Sorten. Und nicht zuletzt arbeitet der Südtiroler Bauernbund aktiv am Klimaschutz, unter anderem mit Leuchtturmprojekten und Leitsätzen, die die Landwirtschaft ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltiger machen sollen.

Leider wird der Lobbyismus oft negativ dargestellt. Dabei ist es ganz normal, dass jeder Mensch seine Anliegen vertritt.
Leo Tiefenthaler, Bauernbund-Obmann


STOL: Wie kann die Zusammenarbeit mit der zukünftigen Landesregierung verbessert werden?
Tiefenthaler: Was ich mir wünsche, wäre, dass den Interessensgruppen bei wichtigen Entscheidungen vorab mehr zugehört wird. Leider wird der Lobbyismus oft negativ dargestellt. Dabei ist es ganz normal, dass jeder Mensch seine Anliegen vertritt. Die Verbände, wie etwa der Südtiroler Bauernbund, bündeln die Interessen der einzelnen Bäuerinnen und Bauern und tragen sie gesammelt an die Politik heran. Daran ist nichts falsch. Am Ende ist es immer noch die Politik, die entscheiden muss.


ber

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