Montag, 4. September 2023

Ebeling: „Jetzt müssen sich Arbeitgeber ernsthaft mit Mitarbeitern beschäftigen“

Für die Vorgängergenerationen ist die Generation Z – also jene Generation, die nun in den Arbeitsmarkt einsteigt – zumeist ein Rätsel: Die jungen Leute fordern die 4-Tage-Arbeitswoche, wollen mehr Freizeit und wollen sich nicht mehr zu sehr an den Arbeitsplatz binden. Damit stoßen sie mitunter auch den einen oder anderen Arbeitgeber an Kopf. Die 27-jährige Ronja Ebeling aus Deutschland beschäftigt sich in ihrem Podcast vornehmlich mit der Generation Z, wie sie tickt, was sie bewegt und wie man sie verstehen kann. Ein Gespräch.

Ronja Ebeling: „Es stimmt nicht, dass wir nicht ehrgeizig sind.“ - Foto: © Eurac Research/Ingrid heiss

Von:
Arnold Sorg
Die Eurac Research in Bozen hat jüngst unter der Leitung von Josef Bernhart die Ergebnisse der Studie: „Frage an die Sozialpolitik: Wie zukunftsfit ist Südtirol?“ vorgestellt. Als Referentin war auch die 26-jährige Ronja Ebeling, Journastin und Podcasterin, dabei. Die Bundesdeutsche erklärte dabei, wie man „ihre“ Generation Z besser verstehen könne. s+ hat ein Gespräch mit ihr geführt.

Frau Ebeling, der Kampf um Arbeitskräfte verschärft sich. Gleichzeitig tritt mit der Generation Z eine Generation in den Arbeitsmarkt ein, die für viele Arbeitgeber ein Rätsel ist. Wie tickt die Generation Z?
Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass keine Generation ein homogener Haufen ist. In meiner Beratung unterscheide ich zwischen vier unterschiedlichen Peergroups, damit Führungskräfte lernen, die unterschiedlichen Lebensrealitäten und Bedürfnisse besser einzuordnen. Was aber alle jungen Menschen gemeinsam haben: Sie betreten den Arbeitsmarkt in einer Zeit, in der sie es sich aufgrund des Fachkräftemangels leisten können, Augenhöhe einzufordern. Wenn ich benennen muss, was jungen Menschen im Job zudem wichtig ist, dann zählen fachliche und persönliche Weiterbildung sowie eine faire Reallohnentwicklung in Zeiten der Inflation dazu.

Junge Menschen wissen, dass sie heute einen Langstreckenlauf vor sich haben und die Ziellinie wahrscheinlich noch weiter nach hinten versetzt wird.
Ronja Ebeling, Journalistin


Wodurch entstehen die Unterschiede innerhalb der Generation?
Es gibt insofern große Unterschiede, da sich durch die Pandemie die Chancenungleichheit im Bildungsbereich nochmal enorm verschärft hat. Der familiäre und finanzielle Hintergrund beeinflusst maßgebend die Bildungsbiografie: Während manche privilegierten Kinder schon im Grundschulalter das Programmieren können, bekommen andere Kinder an Brennpunktschulen aufgrund des Fachkräftemangels nicht die nötige Unterstützung, um die Grundrechenarten zu erlernen. Das wird sich langfristig auch auf den Arbeitsmarkt und die Digitalisierung ganzer Länder auswirken: Es führt nämlich unter anderem dazu, dass zu wenige junge Menschen sich für eine zukunftsweisende Karriere im MINT-Bereich entscheiden bzw. dass die Abbruchquote in diesen Studiengängen extrem hoch ist. Dabei bietet gerade der MINT-Bereich gute Möglichkeiten, um in sozialökonomisch Hinsicht gesellschaftlich aufzusteigen.

Work-Life-Balance ist das Stichwort der Stunde. Der Stellenwert der Freizeit wird von der Generation Z deutlich höher bewertet als von den Vorgängergenerationen. Wie kann man das deuten: Ist die Generation Z weniger ehrgeizig oder will sie einfach weg vom immer mehr und immer größer?
Junge Menschen wissen, dass sie heute einen Langstreckenlauf vor sich haben und die Ziellinie wahrscheinlich noch weiter nach hinten versetzt wird. Was ich sagen will: Wir wissen, dass wir bis ins sehr hohe Alter erwerbstätig sein müssen, weil wir im Rentensystem aktuell nicht mitgedacht werden. Bekommen wir überhaupt noch Rente? Um einen Langstreckenlauf zu meistern, ist eine psychische und körperliche Gesundheit die Grundlage. Diese wollen wir schützen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht ehrgeizig sind.

Arbeitgeber hatten es zuvor nie nötig, sich wirklich mit der Lebensrealität junger Menschen zu beschäftigen: Die Praktikanten standen immer Schlange. Durch den demografischen Wandel ändert sich das nun.
Ronja Ebeling, Journalistin


Die Fluktuation in den Unternehmen nimmt zu. Was kann ein Arbeitgeber tun, um junge Arbeitnehmer längerfristig zu halten?
Die Fluktuation hat bei allen Altersgruppen zugenommen, ist aber insbesondere bei jungen Menschen besonders ausgeprägt. Das ist erstmal normal: Wir sind jung, wollen uns ausprobieren und in möglichst viele Bereiche reinschauen. Im Idealfall bieten Unternehmen die Möglichkeit, dass sich Mitarbeitende intern ausprobieren und eben auch fachliche weiterentwickeln können. Nicht zuletzt spielt aber auch die Gehaltsentwicklung eine große Rolle. Durch einen Unternehmenswechsel sind häufig größere Gehaltssprünge möglich.

Warum ist es für Arbeitgeber so schwierig, die Generation Z zu verstehen?
Arbeitgeber hatten es zuvor nie nötig, sich wirklich mit der Lebensrealität junger Menschen zu beschäftigen: Die Praktikanten standen immer Schlange. Durch den demografischen Wandel ändert sich das nun. Dabei ist es wichtig, dass sich Führungskräfte jetzt ernsthaft mit der Lebensrealität junger Menschen beschäftigen, um passende Benefits zu entwickeln: Sie müssen zum Beispiel herausfinden, wie hoch die Wohnmiete für ihre junge Belegschaft ist, mit welchen Verkehrsmitteln sie zur Arbeit kommt, welche Apps potenzielle Azubis in ihrer Freizeit nutzen, um als Unternehmen dort sichtbar zu werden.

Etwas, was die Generation Z auch definiert, ist die Zukunftsangst. Abgesehen vom Klimawandel: Wovor hat man Angst?
Ich denke, die größte Angst junger Menschen besteht darin, dass ihre Perspektive bei politischen Entscheidungen keine Rolle spielt. Während wir auf dem Arbeitsmarkt eine gute Verhandlungsposition haben, stehen wir im Abseits, wenn es um Themen wie Rente, Wohnen und Bildung geht. Die Generation Z ist de facto eine Minderheit. Für Parteien sind die Bedürfnisse älterer Generationen wesentlich interessanter, wenn zum Beispiel wie in Südtirol eine Landtagswahl ansteht und es darum geht, möglichst viele Stimmen einzusammeln.

Die Babyboomer konnten es sich lange nicht leisten, im Job an den richtigen Stellen auch mal Nein zu sagen, um sich selbst zu schützen.
Ronja Ebeling, Journalistin


Was kann/soll die Boomer-Generation von der Generation Z lernen und umgekehrt?
Die Babyboomer konnten es sich lange nicht leisten, im Job an den richtigen Stellen auch mal Nein zu sagen, um sich selbst zu schützen. Die Ergebnisse waren nicht selten gescheiterte Ehen, zerbrochene Familien oder auch körperliche und mentale Erkrankungen, die aber nicht ausreichend thematisiert wurden. Dieses bewusste Abgrenzen können sie von der Generation Z lernen. Junge Menschen wiederum müssen dringend in den fachlichen Wissensaustusch mit älteren Mitarbeitenden gehen – übrigens auch auf Betriebsratebene. Wenn das jetzt nicht passiert, geht viel Knowhow verloren, sobald die Babyboomer in Rente gehen.

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