Das sagt Rentenexperte Helmut Renzler.<BR /><BR /><b>Herr Renzler, in den Medien ist zu lesen, dass die EU-Kommission die Quote 102, bei der man schon mit 64 Jahren in Pension gehen kann, wenn man 38 Beitragsjahre hat, ablehnt. Dadurch würden die Pensionsausgaben zu sehr steigen. Was bedeutet das nun?</b><BR />Helmuth Renzler: Nicht viel. Denn die EU hat gar keine Zuständigkeiten in dem Bereich. Im Vertrag von Nizza wurde 2001 klar geregelt, dass das Pensionswesen ausschließlich Angelegenheit der Nationalstaaten ist. Es ist nur so, dass immer dann, wenn die EU bemängelt, dass die Staatsverschuldung zu hoch ist, wie im kürzlich erschienenen Länderreport in einigen Medien die Pensionsausgaben in den Mittelpunkt der Kritik rücken. Dabei halte ich es für falsch, bei den Renten anzusetzen. Denn die Pensionsausgaben machen zum einen nicht so viel aus – 2022/23 liegen sie bei rund 16 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, bis 2030 werden sie voraussichtlich auf 17 Prozent steigen und danach wieder sinken. Und zum anderen gäbe es andere Einsparungsmöglichkeiten für den Staat, in der öffentlichen Verwaltung zum Beispiel oder beim Bürgereinkommen. <BR /><BR /><b>Eine ähnliche Diskussion war ja auch bei der Vorgänger-Lösung, der Quote 100, geführt worden. Auch sie wurde als zu teuer kritisiert.</b><BR />Renzler: Das stimmt. Die Quote 100, die es erlaubt hat, mit 62 Jahren und 38 Beitragsjahren in Rente zu gehen, wurde 2019 versuchsweise für 3 Jahre eingeführt. Sie wurde aber nicht auf Wunsch von der EU abgeschafft, sondern ist normal ausgelaufen. Auch weil sie nicht besonders stark gefragt war. Sie war vor allem für Frauen im öffentlichen Dienst mit einem körperlich belastenden Beruf eine gute Möglichkeit, früher in Rente zu gehen, etwa für Krankenpfleger oder Reinigungspersonal. Für viele war sie aber nicht so interessant, weil man nach der Pensionierung nur mehr eine freie gelegentliche Mitarbeit ausüben und nicht mehr als 5000 Euro brutto verdienen darf – wie auch bei der Quote 102. <BR /><BR /><b> Die Quote 102 wurde als Übergangslösung nur für heuer eingeführt. Welche Zukunft hat aus Ihrer Sicht jetzt die Quote 102? </b><BR />Renzler: Eigentlich hätten sich die Sozialpartner ja heuer auf eine Rentenreform einigen sollen, um in erster Linie ein flexibles Renteneintrittsalter zu finden. Doch nachdem von der Reform bislang wenig zu sehen ist …<BR /><BR /><b>... wohl auch weil der Ukraine-Krieg die Prioritäten der Regierung verschoben hat…</b><BR />Renzler: … gehe ich davon aus, dass die Quote 102 auch für das Jahr 2023 verlängert wird. Denn wenn bis zum Herbst keine Rentenreform vorliegt, dann werden die bisherigen Frühpensionierungsmöglichkeiten mit dem nächsten Haushaltsgesetz wohl um ein weiteres Jahr verlängert werden. Zumal auch nicht damit zu rechnen ist, dass man im Wahlkampf für die Parlamentswahlen 2023 eine solche Reform angehen wird. <BR /><BR /><b>Wenn jemand also beispielsweise heuer erst im Dezember die Voraussetzungen für die Quote 102 erreicht, dann kann er sie wahrscheinlich nutzen?</b><BR />Renzler: Nicht nur wahrscheinlich, sondern mit Sicherheit. Denn die Quote 102 könnte sowieso erst mit dem nächsten Haushaltsgesetz abgeschafft werden, das erst ab Jänner 2023 gilt. Und die Bestimmungen zur Quote 102 besagen ja, dass man die Voraussetzungen – 38 Beitragsjahre und ein Alter von 64 – innerhalb Dezember 2022 erreichen muss- Und wenn das der Fall ist, kann man danach jederzeit damit in Rente gehen.