Donnerstag, 21. September 2023

Alzheimer vorbeugen – geht das? Das müssen Sie wissen

Gesund, fit und selbstbestimmt alt werden – das wünschen sich alle. Doch mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung. Alzheimer vorbeugen – Geht das? Diese Frage beantworten Experten in einem Vortrag am heutigen Donnerstag um 20 Uhr im Meraner Stadttheater.

Gesund, fit und selbstbestimmt alt werden – das wünschen sich alle. Doch mit zunehmendem Alter steigt das Risiko für eine Alzheimer-Erkrankung. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Die gute Nachricht zuerst: Das Gehirn ist ein wahres Wunderwerk. Ständig werden Informationen gespeichert, verarbeitet und stetig neue Verknüpfungen zwischen den einzelnen Nervenzellen gebildet – und dies ein Leben lang.

Zwischen 65 und 85 Jahren steigt die Anzahl der Betroffenen kontinuierlich

Vor dem 60. Lebensjahr sind nur sehr wenige Prozent der Bevölkerung von Alzheimer oder anderen Demenz-Erkrankungen betroffen; Jüngere brauchen also kaum Angst vor Alzheimer zu haben. Zwischen 65 und 85 Jahren allerdings steigt die Anzahl der Betroffenen kontinuierlich auf bis zu 25 und mehr Prozent an, dann flacht die Kurve ab. Wer fit das hohe Alter erreicht, hat die Chance, bis 100 und darüber nicht an Alzheimer zu erkranken.

Die schlechte Nachricht: Wenn die Diagnose gestellt wird, ist es meistens spät. Das Tückische an der Alzheimer-Erkrankung ist, dass das Absterben von Nervenzellen Jahrzehnte vor dem Auftauchen der ersten Symptome beginnt.

Dr. Christian Wenter

Südtirol: 9000 Personen betroffen, mit etwa 1000 Neuerkrankungen im Jahr

Wenn also die ersten Gedächtnisstörungen auftreten, sind die Schäden im Gehirn oft schon weit fortgeschritten und können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Und einmal verloren gegangene Nervenzellen können nicht wieder ersetzt werden.

Allein in Südtirol sind derzeit 9000 Personen betroffen, mit etwa 1000 Neuerkrankungen im Jahr muss derzeit gerechnet werden. Zwischen den ersten Symptomen und dem Tod vergehen durchschnittlich zwischen 8 und 10 Jahre.

Russisches Roulette?

Ist Alt-Werden also wie Russisches Roulette? Man bekommt Alzheimer, oder man bekommt es nicht? Jein, meint Dr. Christian Wenter, Primar der Geriatrie am Krankenhaus Meran.

Er ist einer der Expertinnen und Experten, die am heutigen Donnerstag am Rednerpult sitzen und, fernab von Dr.-Google-Tipps, über das Thema Prävention bei Alzheimer informieren. Gleich vorweg: Der erfahrene Geriater ist davon überzeugt, dass man mit der richtigen Prävention gesunde Jahre gewinnen und im Krankheitsfall Lebensqualität erreichen kann.

STOL: Im Netz findet man jede Menge Empfehlungen zur Alzheimer-Prävention – von Kurkuma-Latte über mediterrane Diät bis Jonglieren. Aber was hilft wirklich?
Dr. Christian Wenter: Obwohl die Wissenschaft vieles über Alzheimer und andere neurodegenerative Erkrankungen weiß, gibt es noch keine wirksamen Therapien und damit auch keine Heilung. Aber es gibt zahlreiche Studien, die sich mit dieser Vergesslichkeitskrankheit beschäftigen. Etwa mit den Risikofaktoren. Eine Untersuchung der Lancet-Commission aus dem Jahre 2020 beispielsweise zeigt, dass ein gesunder und aktiver Lebensstil tatsächlich das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um bis zu 40 Prozent senken bzw. den Verlauf der Erkrankung verlangsamen kann. Die Kommission hat insgesamt 10 Risikobereiche benannt. Ganz vorne mit dabei: Tabak- und Alkoholkonsum. Raucher haben ein um bis zu 60 Prozent höheres Demenzrisiko als Nichtraucher, ein Zuviel an Alkohol lässt Neuronen sterben und das Gehirn schrumpfen. Positiv: Durch den Verzicht auf Tabak und Alkohol kann man – auch in älteren Jahren – das Risiko senken.

„Zerstörte Nervenzellen im Gehirn können nicht repariert werden“

STOL: Auch späte Einsicht wirkt?
Wenter: Grundsätzlich: Es ist nie zu früh oder spät, den Lebensstil zu ändern. Hauptsache man beginnt. Irgendwo anfangen, und es sich zur Gewohnheit machen. Schon kleine Schritte und Veränderungen im Alltag können sich positiv auf die Gehirngesundheit und die geistige Leistungsfähigkeit auswirken. Je früher man aber damit anfängt, desto besser. Zerstörte Nervenzellen im Gehirn können nicht repariert werden. Das Gehirn hat jedoch bis ins hohe Alter die Fähigkeit, neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen zu schaffen und damit die kognitive Reserve des Gehirns zu trainieren.

STOL: Stichwort Lebensstil. Wie sehr beeinflusst er die Gehirngesundheit?
Wenter: Es ist nachgewiesen, dass Risikofaktoren wie hoher Blutdruck, hohe Cholesterin-Werte oder Diabetes einer Alzheimer-Erkrankung Vorschub leisten. Die Werte sollten regelmäßig kontrolliert und – mit dem entsprechenden Lebensstil – korrigiert werden. Eine gesunde Lebensweise senkt nicht nur die kardiovaskulären Risikofaktoren, sondern auch das Demenz-Risiko. Auch der Schlaf, besonders die Schlafqualität, beeinflusst das Alzheimer-Risiko. Bei Menschen, die weniger als 7 Stunden pro Nacht gut schlafen, ist das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, um bis zu 30 Prozent höher als bei Menschen, die mehr als 7 Stunden schlafen. Man nimmt dem Nervensystem die Möglichkeit, sich zu erholen. Und: Ausreichende Bewegung hält auch das Gehirn fit. Wir verstehen immer besser, wie körperlich-sportliche Aktivität auf die kognitive Leistungsfähigkeit wirkt.

Sich ständig wiederholende Schädel-Hirn-Traumata stellen ein erhöhtes Demenzrisiko dar

STOL: Aber über den Zusammenhang von Kopfbällen beim Fußball und Alzheimer wird in mehreren Ländern eine Debatte geführt.
Wenter: In den USA gilt bereits seit 2015 ein Kopfballverbot für junge Fußballer bis zum Alter von 16 Jahren. In England und Schottland ist Kopfballtraining vor dem zwölften Lebensjahr untersagt. In Schottland gibt es auch Einschränkungen für Profis: Am Tag vor und nach einer Partie dürfen sie im Training keine Kopfbälle spielen. Der Grund: Kleine, sich ständig wiederholende Schädel-Hirn-Traumata, kurz SHT genannt, insbesondere die ständigen leichten Gehirnerschütterungen, stellen ein erhöhtes Demenzrisiko dar. Diese Warnung beschränkt sich nicht nur auf Fußballer, auch Rad- oder Skifahrern ist das Tragen von Helmen empfohlen.

STOL: Wie wichtig ist die soziale Integration älterer Menschen?
Wenter: Bei diesem Thema möchte ich kurz ausholen und das Hörvermögen miteinbeziehen. Denn der Hörverlust im Alter ist ein wichtiger Risikofaktor für Demenz. Im Alter wird die Welt für viele Menschen stiller – sie werden langsam schwerhörig, kapseln sich immer mehr ab und landen in der sozialen Isolation, die in einen kognitiven Abbau münden kann. Das Verwenden von Hörgeräten schützt dagegen. Soziale Kontakte hingegen gelten als anerkannter Schutzfaktor gegen Demenz, denn durch sie wird das Gehirn auf vielfältige Art und Weise gefordert.

Foto: © Maria Hechensteiner

Der Vortrag


Gemeinsam mit Dr. Christian Wenter sitzen beim Vortrag am 21. September Miriam Piva, Pflegekoordinatorin der Geriatrie am Krankenhaus Bozen, und Edith Moroder, Vizepräsidentin von „Alzheimer Südtirol Alto Adige“ und Autorin des Buches „Im Treibsand – Leben mit Demenz“, am Podium. Die Veranstaltung (mit Simultanübersetzung) beginnt um 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.

stol

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