Dreh- und Angelpunkt dürfte einmal mehr die Zurechnungsfähigkeit von Benno Neumair zum Tatzeitpunkt sein. <BR /><BR />Im Oktober 2023 hatte das Bozner Berufungsschwurgericht das Urteil erster Instanz über Benno Neumair bestätigt: Lebenslange Haft für den Mord an seinen Eltern Laura Perselli und Peter Neumair und die Beseitigung ihrer Leichen. Für das Gericht (Vorsitz Richterin Silvia Monaco) war Benno Neumair zurechnungsfähig, als er am 4. Jänner 2021 zuerst seinen Vater und dann seine Mutter strangulierte. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="1004420_image" /></div> <BR /><BR />Benno Neumair sitzt im Gefängnis von Verona ein. Seine Verteidiger Flavio Moccia und Angelo Polo haben noch bis 13. März Zeit für ihre Kassationsbeschwerde. Zum einen dürften sie darin bestreiten, dass Benno Neumair beim Mord an Laura Perselli mit Vorbedacht gehandelt hat. <BR /><BR />Auch sollten ihm die allgemein mildernden Umstände gewährt werden, und der Straftatbestand der Beseitigung der Leichen sollte in Verbergen abgeschwächt werden. Hauptargument dürfte aber die Notwendigkeit sein, Benno Neumairs Einsichts- und Willensfähigkeit zum Tatzeitpunkt neu zu prüfen. <BR /><BR />Wie berichtet, hatten die psychiatrischen Gutachter Benno Neumair eine schwere narzistische, antisoziale, histrionische und passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung bescheinigt – das Gericht befand aber, dass diese seine Zurechnungsfähigkeit nicht beeinträchtigt habe. Die Verteidigung sieht das anders. <h3> „Krankheit war das Tatmotiv“</h3>„Seine Krankheit war das Tatmotiv“, hatte es Verteidiger Polo auf den Punkt gebracht. In der Kassationsbeschwerde dürfte die Verteidigung bemängeln, dass sich das Berufungsschwurgericht bei seiner Einschätzung von Benno Neumairs Verfassung während der Morde zwar auf die Thesen des renommierten forensischen Psychiaters Ugo Fornari berufen, dies jedoch nicht entsprechend begründet habe. <BR /><BR />Fornari steht am Standpunkt, dass eine Geistesstörung nur dann die Zurechnungsfähigkeit einschränken kann, wenn beim Betroffenen zum Tatzeitpunkt ein Kontrollverlust, z.B. durch einen psychotischen Schub, dazukommt – und dafür sahen die Richter bei Benno Neumair keine Anzeichen. <BR /><BR />Laut Urteilsbegründung sei das Tatmotiv in einem „emotionalen Zustand der Irritation und Verärgerung gegenüber dem Vater zu suchen, den der Beschuldigte im Laufe der Zeit aufgebaut“ habe. Seine Mutter habe Benno Neumair getötet, um „einen möglichen Zeugen des ersten Verbrechens zu eliminieren“.<h3> Auf Präzedenzfall „Giuseppe Raso“ gepocht</h3>Die Verteidiger hingegen hatten schon in erster und zweiter Instanz auf den Präzedenzfall Giuseppe Raso gepocht: Im Jahr 2005 hatte das Kassationsgericht erstmals festgestellt, dass sich nicht nur eine psychische Krankheit, sondern auch eine schwere Persönlichkeitsstörung auf die Einsichts- und Willensfähigkeit auswirken kann. Im Urteil sei explizit betont, dass dafür kein psychotischer Schub vonnöten sei. <BR /><BR />In diesem Sinne hoffen Moccia und Polo, dass das Kassationsgericht den Fall ans Oberlandesgericht Trient rückverweist, damit dieses in Anlehnung an die im Raso-Urteil festgehaltenen Kriterien Benno Neumairs Zurechnungsfähigkeit neu bewerten kann – was sich auf das Strafmaß auswirken würde. Die Verhandlung vor dem Höchstgericht dürfte auf Herbst angesetzt werden. <BR />