Donnerstag, 4. Januar 2024

Erstes Weihnachten allein ist schwer: 300 Anrufe bei Telefonseelsorge

Weihnachten ist das Fest der Familie. Doch wenn es da gar keine Familie gibt? Wenn Weihnachten bedeutet, allein unter dem Christbaum zu sitzen? Dann ist es gut, dass es die Telefonseelsorge gibt. Rund 300 Anrufe hat man bei der Telefonseelsorge der Caritas über Weihnachten und den Jahreswechsel verzeichnet. Doch sind es keineswegs die älteren Menschen, die an diesen Tagen vermehrt anrufen.

„Wenn man sein Leid niemandem klagen kann, wird es größer“, sagt Guido Osthoff von der Caritas. Gut, dass bei der Telefonseelsorge immer jemand zuhört. Shutterstock/shutterstock - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Man hat so Bilder im Kopf, wenn man an einsame Menschen an Weihnachten denkt. Da kommen einem ältere Personen in den Sinn. Doch zumindest was die Anrufe bei der Telefonseelsorge betrifft, ist es nicht diese Altersgruppe, die an den Feiertagen vermehrt Redebedarf hat. „Es ist die Altersklasse zwischen 40 und 60 Jahren“, weiß Guido Osthoff, geschäftsführender Leiter der Caritas Telefonseelsorge.

Und noch etwas ist bemerkenswert: „Wir haben an diesen Tagen nicht mehr Anrufe als sonst. Rund 300 waren es zwischen dem 24. Dezember und dem 2. Jänner. Und rund 300 waren es auch in einem Vergleichszeitraum 2 Monate davor“, erklärt Osthoff. Auch die Themen unterscheiden sich nicht wesentlich von den Themen unterm Jahr: „Vereinsamung, viele Konflikte in der Familie, Ängste und Paniken, psychische Probleme.“

Also auch an den Feiertagen alles wie immer? „Nein“, sagt Osthoff. Denn einen auffälligen Unterschied gibt die Statistik doch preis: „Unsere Mitarbeiter schätzen das Alter der Anrufer zwar nur, wir fragen nicht. Aber laut diesen Schätzungen haben rund um die Feiertage 140 Personen aus der Altersklasse zwischen 40 und 59 angerufen, knapp über 100 waren zwischen 60 und 79. Und damit hat sich das Verhältnis dieser Kategorien zum Vergleichszeitraum glatt umgekehrt“, berichtet Osthoff. Es haben also an den Feiertagen gar nicht vermehrt ältere Personen angerufen, sondern die mittleren Altersklassen.

Warum? „Aus meiner beruflichen Erfahrung, unter anderem aus der Männerberatung, weiß ich, dass das erste Weihnachten alleine besonders schwer ist. Das setzt Menschen, die bis dahin stets im Kreise der Familie gefeiert haben, besonders zu“, erklärt Osthoff. Also der Klassiker: Nach der Scheidung bleiben die Kinder bei der Mutter und feiern dort zusammen Weihnachten. Der Vater bleibt alleine.

„Wenn man sein Leid niemandem klagen kann, wird es größer“

Und gerade Personen, die Weihnachten alleine nicht gewöhnt sind, kommen dann auch vermehrt ins Grübeln. Was habe ich falsch gemacht? Oder: Da habe ich Mist gebaut und habe alles vermasselt! Oder: Warum ausgerechnet mir? Gedanken, mit denen nicht jeder alleine fertig wird. Und es auch nicht muss: „Dafür sind wir in der Telefonseelsorge da – und es ist gut, dass wir dafür auch an den Feiertagen da sind“, betont Osthoff. Denn: „Wenn man sein Leid niemandem klagen kann, wird es größer.“

Für ältere Menschen, die an Weihnachten alleine sind, ist das dagegen oftmals gar nichts „Neues“ mehr. „Wenn man das jedes Jahr hat, dann lernt man damit umzugehen“, weiß Osthoff. Zudem ist die Einsamkeit bei älteren Personen auch häufig das ganze Jahr über ein Problem, und manchmal gerade an Weihnachten nicht, wenn die Familie zusammenkommt.

Etwas mehr Anrufer hat die Caritas-Telefonseelsorge an den Feiertagen übrigens auch in der Altersklasse der unter 19-Jährigen verzeichnet. „Die Zahlen sind da aber so gering, dass es auch Zufall sein könnte“, relativiert Osthoff. Denn statt 5 Anrufer im Vergleichszeitraum waren es über Weihnachten/Jahreswechsel 15.

Jugendliche haben aber zudem eine „eigene“ Kummernummer, nämlich bei young & direct, die zwar nicht an den Feiertagen, aber dazwischen besetzt war. „Doch es hat sich auch heuer wieder gezeigt, dass es in dieser Zeit weniger Bedarf gibt als sonst. Die Jugendlichen haben ,Programm‘. Die Mitarbeiter halten die Stellung, aber es ist vergleichsweise ruhig“, sagt Matteo Graiff vom Südtiroler Jugendring, dem Träger der Beratungsstelle.

ih

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