Samstag, 22. Juli 2023

Kapellmeister sein ist: „Den Musikanten meine Freude an der Musik weitergeben“

Südtirol ohne Musikkapellen ist unvorstellbar. Mit über 200 aktiven Musikkapellen hat Südtirol mehr Musikkapellen als Gemeinden. Geleitet werden diese von den vielen Kapellmeistern unseres Landes. Auffallend ist dabei, dass immer öfter junge Kapellmeister vorne am Dirigentenpult stehen. Auch der 25-jährige Martin Wieser hat die musikalische Leitung seiner ersten Kapelle mit erst 20 Jahren übernommen. Im Sonntags-Gespräch mit STOL erinnert er sich an seine allererste Probe und an den bisher schönsten Moment als Kapellmeister. Außerdem verrät er uns, welche Fähigkeiten ein Kapellmeister braucht und, dass die Proben eigentlich nur einen kleinen Teil der Arbeit eines Dirigenten ausmachen.

Mit erst 25 Jahren dirigiert Martin Wieser bereits seit 5 Jahren die Musikkapelle Hafling. Seit einem Jahr leitet er auch die Kapelle seines eigenen Dorfes Schenna. Mit 2 Kapellen hat er alle Hände voll zu tun. Da kommt es schon mal vor, dass er 5-mal pro Woche im Probelokal zu finden ist. - Foto: © STEPHAN MATZOLL

Von Johanna Torggler

STOL: Wie bist du auf die Idee gekommen, Kapellmeister zu werden?
Martin Wieser: Als Musikant bei der Musikkapelle Schenna wurde ich von unserem Kapellmeister Luis Schönweger als Klarinettist von Beginn an gefördert. Schon damals habe ich mir gedacht, dass es toll sein muss, am Dirigentenpult zu stehen und die Kapelle so zu leiten, wie man es sich vorstellt. So hat eigentlich alles begonnen.

Bei meiner ersten Probe als Kapellmeister der Musikkapelle Hafling war ich erst 20 Jahre alt. Einige Musikanten, die vor mir saßen, waren mindestens doppelt so alt wie ich. Mit anderen besuchte ich gemeinsam die Schule.
Martin Wieser

Mit 16 Jahren habe ich mich dann schließlich für einen 3-jährigen Kapellmeisterkurs in Lana eingeschrieben. Als wir nach der Grundausbildung dann gemeinsam verschiedene Kapellen besucht haben, um das Dirigieren mal zu „probieren“, hat es mir von Beginn an gefallen.

STOL: Um Kapellmeister zu werden, braucht es also eine Ausbildung an der Musikschule?
Martin: Nein, verpflichtend ist die Ausbildung nicht. Heute ist es aber schon eher üblich, dass ein Kapellmeister zumindest eine Grundausbildung hat. Der 3-jährige Kapellmeisterkurs wird an verschiedenen Musikschulen des Landes angeboten. Nach einer Einführung in die verschiedenen Schlagtechniken wird Repertoire gelesen. Beim Dirigieren bei den Übungs-Kapellen lernt man dann, einer Musikkapelle die eigenen Vorstellungen und Ideen erfolgreich zu vermitteln.

STOL: Und dann steht man plötzlich am Dirigentenpult vor der eigenen Kapelle? Kannst du dich an deine erste Probe als Kapellmeister erinnern?
Martin: Ja. Ich war ziemlich nervös. Besonders weil ich noch sehr jung war. Bei meiner ersten Probe als Kapellmeister der Musikkapelle Hafling war ich erst 20 Jahre alt. Einige Musikanten, die vor mir saßen, waren mindestens doppelt so alt wie ich und spielten schon viele Jahre in der Kapelle. Mit anderen besuchte ich gemeinsam die Schule. Da hatte ich schon ein wenig Angst, ob die älteren, aber auch die jungen Musikanten, den nötigen Respekt vor mir haben würden.

Kapellmeister sein bedeutet für mich den Musikanten meine Freude an der Musik weiterzugeben.
Martin Wieser


Als die eigentliche Probe dann begann, war es natürlich ein wahnsinnig tolles Gefühl zu wissen, dass ich diese Kapelle jetzt leiten werde. Im Nachhinein habe ich mit einigen Musikanten sogar über die erste Probe gesprochen. Für eine Kapelle ist es natürlich immer ungewohnt einen so jungen Kapellmeister vor sich zu haben, aber gleich vom ersten Moment an, gleich bei der ersten Probe war von beiden Seiten eine gewisse Achtung da. Auch nach der Probe wussten wir gleich was reden.

STOL: Inzwischen hast du die musikalische Leitung der Musikkapelle Hafling schon seit 5 Jahren inne. Während andere am Freitagabend beim Feierabend-Bier sitzen, geht es für dich noch in das Probelokal. Das muss Passion sein, oder?

Natürlich ist das eine Leidenschaft. Kapellmeister sein ist anstrengend, es nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Aber es lohnt sich.
Martin Wieser


Martin: Ich trinke mein Feierabend-Bier dann halt um 22.15 Uhr. Nein, Scherz beiseite. Natürlich ist das eine Leidenschaft. Kapellmeister sein ist anstrengend, es nimmt sehr viel Zeit in Anspruch. Aber es lohnt sich.

Kapellmeister sein bedeutet für mich den Musikanten meine Freude an der Musik weiterzugeben. Die Musik kann das Gemeinschaftsgefühl der Kapelle stärken, denn die Musikanten wissen, dass sie gemeinsam Großes erreichen können. Auch wenn es zu Beginn der Probenzeit manchmal so wirkt, als würde man es nicht schaffen, kommt der Moment, in dem man plötzlich spürt, dass man es gemeinsam doch irgendwie hinbekommen hat. Diese Freude möchte ich mit meinen Musikanten teilen.

STOL: Du leitest nicht nur eine, sondern 2 Kapellen. Wie viele Tage pro Woche bist du als Kapellmeister im Einsatz?
Martin: Ja, genau. Seit einem Jahr leite ich auch die Musikkapelle meines Heimatdorfes Schenna. Die Anzahl der Probentage ist unterschiedlich. Vor den Jahreshauptkonzerten kommt es schon vor, dass ich 5-mal pro Woche abends im Probelokal zu finden bin. Jetzt im Sommer sind es durchschnittlich 3 Tage.

STOL: Die Arbeit als Kapellmeister endet allerdings nicht im Probelokal, oder?
Martin: Nein, ganz im Gegenteil. Was viele Musikanten und auch andere nicht wissen, ist, dass die Proben eigentlich nur einen kleinen Teil der Aufgabe eines Kapellmeisters ausmachen. Am meisten Zeit nimmt die Auswahl der Stücke in Anspruch. Das ganze Jahr über ist man eigentlich auf der Suche nach neuen geeigneten Liedern für die Kapelle und beim Zusammenstellen von passenden Konzertprogrammen.

Außerdem wird jede einzelne Partitur genau vorbereitet und auch die Planung der Proben gehört zu den Aufgaben eines Kapellmeisters. Hinzu kommen organisatorische Aufgaben wie zum Beispiel die Erstellung des Probenplans. Das Jahreshauptkonzert, Sommerkonzerte, Prozessionen und Marschkonzerte machen dann eigentlich den kleinsten Teil der Arbeit aus.

STOL: Du bereitest dich also auf jede Probe vor?

Vor den Jahreshauptkonzerten kommt es schon vor, dass ich 5-mal pro Woche abends im Probelokal zu finden bin. Jetzt im Sommer sind es durchschnittlich 3 Tage.
Martin Wieser


Martin: Ja. Vor jeder Probe für das Jahreshauptkonzert schreibe ich mir genau auf, welche Stücke geprobt werden sollen und auf welche Stelle ich heute besonders eingehen möchte. Da notiere ich mir dann auch wirklich neben jedem Werk die genaue Uhrzeit, bis wann es geprobt wird.

STOL: Besonders vor dem Jahreshauptkonzert sind die Südtiroler Musikkapellen fleißig beim Proben. Wie leitest du den Prozess von der ersten Probe bis zum Jahreshauptkonzert?
Martin: Ich glaube da hat jeder Kapellmeister sein ganz eigenes System. Als junger Kapellmeister probiere ich gerne noch das eine und das andere aus. Mit dem aktuellen System bin ich aber recht zufrieden: Ich starte mit Leseproben, dann gehe ich über in die Teilproben – von Großgruppen, bis in kleinere Gruppen. Denselben Weg gehe ich dann wieder zurück, bis im letzten Monat in den Vollproben dann gemeinsam alles zusammengefügt wird, was man in den Teilproben gelernt hat. Dann ist es wichtig viel zu spielen, auf gutes Zusammenspiel zu achten und auf das Musikalische einzugehen.

Zu meinen Musikanten sage ich immer besonders ein Konzert, aber auch jede Probe, soll eine Zeit sein, in der sie mal alle Probleme vergessen, und nur an die Musik denken und die Musik genießen können.
Martin Wieser



STOL: Und wenn es dann zum Jahreshauptkonzert kommt, bist du als Kapellmeister auch mal nervös?
Martin: Ja, vor den Jahreshauptkonzerten schon. Man wünscht sich einfach, dass die Musikanten zufrieden sind und sie zeigen können, was sie so fleißig eingelernt haben.

Martin Wieser dirigiert das Osterkonzert der Musikkapelle Hafling.



Im Konzert selbst möchte ich den Musikanten nur noch eine Stütze sein und eine Sicherheit geben. Die Hauptdarsteller beim Konzert sind die Musikanten, nicht der Kapellmeister. Deswegen bin ich eigentlich immer ein bisschen nervös und hoffe, dass die Musikanten danach zufrieden aus dem Konzert herausgehen und, dass das Konzert beim Publikum gut angekommen ist.

STOL: Was ist ein Konzert für dich persönlich?
Martin: Zu meinen Musikanten sage ich immer besonders ein Konzert, aber auch jede Probe, soll eine Zeit sein, in der sie mal alle Probleme vergessen, und nur an die Musik denken und die Musik genießen können. Wenn das die Musikanten im Konzert schaffen, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass es auch dem Publikum gelingt, mal für 2 Stunden in die Welt der Musik einzutauchen und alles andere zu vergessen.

STOL: Schaut man sich die Liste der aktuellen Kapellmeister in Südtirol an, so ist auffallend, dass sich immer mehr junge Südtiroler dazu entscheiden, Kapellmeister zu werden. Auch du bist mit 25 Jahren noch sehr jung. Warum glaubst du, ist das so?
Martin: Ein Grund dafür ist meiner Meinung nach die gute Instrumentalausbildung in den Musikschulen. Dadurch beenden viele die Musikschule als sehr gute Musikanten. Der Beginn der Kapellmeisterausbildung ist für viele Musiker dann ein nächster großer Schritt.

Gute Kapellmeister können ein Vorbild für junge Musiker sein und sie begeistern und inspirieren.
Martin Wieser


Außerdem hängt es sicherlich stark damit zusammen, wen man selbst als Kapellmeister hatte. Gute Kapellmeister können ein Vorbild für junge Musiker sein und sie begeistern und inspirieren.

STOL: Auch dein ehemaliger Kapellmeister Luis Schönweger hat es geschafft, dich zu begeistern. Inzwischen hast du die Musikkapelle Schenna, und somit jene Kapelle, in der du selbst 13 Jahre als Klarinettist mitgespielt hast, übernommen. Wie ist es die Kapelle des eigenen Dorfes zu leiten?
Martin: Nachdem ich die Anfrage erhielt, die Kapelle Schenna als Kapellmeister zu leiten, habe ich mir zunächst schon einige Gedanken gemacht. Besonders, weil man immer wieder von anderen Kapellmeistern hört, dass es nicht ganz einfach ist, die Kapelle des eigenen Dorfes zu leiten, aber auch weil Schenna eine relativ große Kapelle ist. Außerdem hatte ich großen Respekt davor, weil ich selbst 13 Jahre als Klarinettist im Verein tätig war und somit jedes einzelne Mitglied kannte. Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, ob ich der Herausforderung gerecht werden kann. Hinzu kam natürlich die Herausforderung mit 2 Kapellen gleichzeitig zu arbeiten.

Ich habe mich dann dafür entschieden. Bei der ersten Probe war es natürlich nicht nur für mich, sondern auch für die Musikanten ungewohnt. Denn sie kennen mich schon lange, wissen wie ich früher war und plötzlich stand ich vor ihnen am Dirigentenpult. Natürlich ist es dann besonders schön zu sehen, wenn einem die Kapelle, bei der man selbst so lange mitgespielt hat, als Kapellmeister voll akzeptiert.

Heute würde ich sagen, dass sich die Tätigkeit als Kapellmeister im Heimatdorf dann doch kaum von jener in jedem anderen Dorf unterscheidet. Insgesamt ist es vielleicht im eigenen Dorf eine Spur heikler. Ich persönlich war deshalb auch um meine bis dahin 4-jährige Erfahrung mit der Musikkapelle Hafling froh.


Das schönste Erlebnis als Kapellmeister ist es, wenn die Musikanten nach einem gelungenen Jahreshauptkonzert mit einem Lachen auf mich zukommen.
Martin Wieser



STOL: Kapellmeister müssen wissen, wo es langgeht. Welche Fähigkeiten braucht ein Kapellmeister noch?
Martin: Ja, führen können muss man natürlich schon. Noch wichtiger ist meiner Meinung nach aber der richtige Umgang mit den Musikanten.

Wichtig ist auch die Fähigkeit Menschen begeistern und motivieren zu können. Man muss auch mal strenge Worte anschlagen, ohne dabei persönlich zu werden. Und natürlich Musik vermitteln.

STOL: Was sind also die größten Herausforderungen als Kapellmeister?
Martin: Eigentlich die Fähigkeit, all die oben genannten Punkte umzusetzen.

Außerdem kommt in der Probenarbeit immer ein Punkt, wo mal gar nichts mehr geht. In diesen Momenten muss man versuchen Ruhe auszustrahlen und die Musikkapelle wieder aus dem kurzen Tief herauszuholen. Eine Musikprobe so zu gestalten, dass die Leute auch zur nächsten Probe gerne wiederkommen, das ist natürlich auch eine Aufgabe.

Speziell als junger Kapellmeister ist es vor allem am Anfang herausfordernd, sich trotz des jungen Alters den nötigen Respekt zu verschaffen. Aber das gilt eigentlich für alle Kapellmeister, die eine neue Kapelle übernehmen. Für einen 20-Jährigen ist es vielleicht noch ein bisschen schwieriger.

Natürlich ist Kapellmeister sein auch zeitaufwendig. Man opfert viel Freizeit. Die Tätigkeit als Kapellmeister gibt einem aber auch ganz viel wieder zurück.

STOL: Die investierte Zeit lohn sich also. Was ist der schönste Moment als Kapellmeister?
Martin: Wenn sich die ganzen Proben gelohnt haben und man zufrieden auf ein Konzert zurückschauen kann. Es gibt aber viele schöne Momente: Eine ganz normale Probe zum Beispiel, in der man merkt, dass es so läuft, wie man es sich vorstellt und man musikalisch viel herausholen kann.

STOL: Was würdest du als dein bisher bestes Erlebnis als Kapellmeister bezeichnen?
Martin: Das schönste Erlebnis als Kapellmeister ist es, wenn die Musikanten nach einem gelungenen Jahreshauptkonzert mit einem Lachen auf mich zukommen.

Alle weiteren STOL-Sonntagsgespäche finden Sie hier.

jot

Stellenanzeigen


Teilzeit






Teilzeit





powered by
Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden