Mittwoch, 31. Januar 2024

„Solche Ereignisse vorauszusehen, ist unmöglich“

Steinschläge wie jener vom Montag nördlich von Atzwang seien „nichts Außergewöhnliches in Südtirol“, und dass Straßen dadurch verlegt werden, passiere relativ selten, weiß Landesgeologe Volkmar Mair. Im STOL-Interview erklärt er, warum Südtirol „ein sicheres Land“ ist.

„Steinschläge können sich gehäuft dort ereignen, wo die Temperatur häufig um die 0 Grad schwankt“, sagt Landesgeologe Volkmar Mair. - Foto: © pir

STOL: Hätte man einen Steinschlag wie jenen vom Montag nicht vorhersehen können?
Volkmar Mair: Solche Ereignisse vorauszusehen, ist unmöglich. Die Autobahngesellschaft hatte dort aber schon 3 Reihen Schutzzäune aufgestellt. Diese wurden zerstört, aber das Material soweit aufgehalten, dass es nur bis an die bergseitige Leitplanke der Autobahn gelangt ist und nur kleinere Brocken auf der Nordspur gelandet sind. Ich war heute (gestern, Anm. d. Red.) Vormittag vor Ort für einen Lokalaugenschein. Es handelt sich um eine steile, fast senkrechte Felswand, die bereits stark zerlegt und geklüftet war. Am Montagabend ist eine große Felsscheibe abgebrochen.

STOL: Warum war die Felswand so geklüftet?
Mair: Beim Gestein handelt es sich um Porphyr der Auer-Formation – es war geklüftet bzw. teilweise in senkrechte Klüfte zerlegt. Diese füllen sich mit Erde, die dann mit Wasser vollgesaugt gefrieren kann – und früher oder später „platzt“ das Material. Gefroren gewinnt Wasser 10 Prozent an Volumen, was einen Druck von 200 Kilogramm pro Quadratzentimeter bedeutet.



STOL: Ist das in Südtirol in vielen Fällen der Auslöser von Steinschlägen?
Mair: Diesen Prozess kann man in der Natur oft beobachten. Aber gehäuft dort, wo die Temperatur häufig um die 0 Grad schwankt. Zum Beispiel, wenn die Temperatur etwa 3 Mal am Tag die 0-Grad-Marke über- bzw. wieder unterschreitet. Aber das ist nichts Ungewöhnliches – wir hatten am vergangenen Samstag dasselbe Phänomen im Eggental beobachtet, allerdings in einer kleineren Größenskala.

STOL: Eine größere Felsplatte scheint sich noch nicht ganz von der Felswand abgelöst zu haben...
Mair: Eine Felsplatte hat keinen Fuß mehr und hängt locker an der Felswand – wir müssen sie holen, weil wir nicht warten können, bis sie von selbst kommt.

STOL: Und wie?
Mair: Wir werden sie sprengen – mit allen Vorsichtsmaßnahmen. An dieser Stelle möchte ich der Autobahngesellschaft ein großes Kompliment für die Organisation aussprechen: Das Personal hat alles Mögliche getan, um die Sicherung in möglichst kurzer Zeit durchzuführen. Bei den Sprengungen wird der weite Umkreis abgesperrt. Ein Schutzdamm mit dem Material, das abgestürzt ist, wurde bereits aufgestellt, damit alles, was gesprengt wird, dahinter bleibt und nicht auf die Fahrbahn gelangt.

STOL: Zumal die Temperaturschwankungen eine Rolle beim Auslösen des Steinschlags gespielt haben, stellt sich die Frage, ob der Klimawandel die Steinschlaggefahr in Südtirol erhöht?
Mair: Nein, das ist nichts Außergewöhnliches. Das hätte genauso gut auch vor 30 Jahren passieren können. Es geschieht manchmal früher, manchmal später, je nach Temperaturentwicklung.

STOL: Sind Südtirols Straßen also verhältnismäßig sicher?
Mair: Das Risikomanagement in Südtirol ist gut. Schaut man sich die Statistiken der letzten 23 Jahre an, sieht man sofort, dass bei über 2000 Kilometern Staats- und Landesstraßen selten welche gesperrt sind. Südtirol ist ein sicheres Land – das auch von Schutzengeln überwacht wird.

mic

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