Freitag, 19. Mai 2023

Unbekannte Südtiroler Kriegsopfer? Die Hilfe von Nachfahren ist gefragt

Die Identifizierung von 450 Soldaten der Habsburgermonarchie, die nach dem Ersten Weltkrieg aus italienischer Gefangenschaft nicht wiedergekommen sind, ist Ziel der Forschung von Tamara Scheer und ihrem Team. Dabei ist die Wienerin auch auf der Suche nach Unterstützung von Nachfahren aus Südtirol, um den noch Unbekannten ihre Identität zurückzugeben. Ein Soldat aus Südtirol wurde bereits identifiziert.

Historikerin Tamara Scheer vor der Krypta der deutschsprachigen Kirche Santa Maria dell’Anima in Rom, wo die 450 Soldaten bestattet sind. - Foto: © Tamara Scheer

In ihrem Forschungsprojekt begibt sich Tamara Scheer gemeinsam mit ihrem Team auf Spurensuche. Sie recherchieren das Schicksal von in Rom bestatteten k.u.k.-Soldaten in detektivischer Historikerarbeit. „Dieses Projekt zeigt uns, warum wir Geschichte studiert haben. Es ist einzigartig, das Schicksal einzelner Menschen zu verfolgen und aufzuarbeiten. Einige Geschichten sind dabei echt berührend“, berichtet Scheer gegenüber STOL.

Die 450 Soldaten stammten alle aus Gebieten der ehemaligen Habsburgermonarchie. Alle kämpften in den Uniformen Österreich-Ungarns an der Italienfront und kamen in Kriegsgefangenschaft. Sie kehrten nie mehr nach Hause zurück. Sie sind in der Krypta der deutschsprachigen Kirche Santa Maria dell’Anima in Rom bestattet.

Mit Hilfe von Namenslisten des Schwarzen Kreuzes versuchte Tamara Scheer die Namen der einzelnen Soldaten herauszufinden. Allerdings haben manche Namen dabei nicht echt geklungen, oder waren vollkommen falsch geschrieben. Mithilfe eines Teams, das alle Sprachen der Monarchie abdeckt, wurde zunächst die korrekte Schreibweise der Namen geklärt.

Schauen Sie, ob ein vermisster Verwandter dabei sein könnte

Inzwischen ist das Projekt weit fortgeschritten. Von den 450 Soldaten gelten nur noch 40 bis 50 als noch nicht identifiziert. Trotzdem bitten Scheer und ihr Team weiterhin um die Unterstützung von Nachfahren, um auch die restlichen Namen zuordnen zu können.

Da die Soldaten aus Orten stammen, die heute in verschiedenen europäischen Staaten liegen, könnten auch noch weitere Südtiroler unter ihnen sein. „Einige Namen klingen sehr danach“, so Scheer gegenüber STOL. Bei 2 Soldaten ist man sich zurzeit unsicher. Sie könnten eventuell aus Nordtirol stammen.

„Oft sind wir auf die Familien angewiesen. Sollten Sie einen verschollenen Verwandten haben, der nicht aus der italienischen Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist, melden Sie sich bei uns“, bittet Scheer.

Hier gelangen Sie zur laufend aktualisierten Namensliste. Kontrollieren Sie, ob ein Familienmitglied darunter sein könnte. Das Forscherteam ist auch immer wieder dankbar über Fotos von Gedenkmonumenten auf den Friedhöfen, auf denen Soldaten des Ersten Weltkrieges genannt sind.

Michael Schroffenegger aus Südtirol: Von ihm gibt es ein Bild

Kürzlich wurde von Michael Schroffenegger aus Tiers sogar ein Bild gefunden. - Foto: © Tamara Scheer



Im Zuge der Forschungsarbeiten konnte auch der bis vor einem Jahr vermisste Michael Schroffenegger (Jahrgang 1883) aus Südtirol eindeutig zugeordnet werden. Sein Name war – anders als bei den meisten anderen Soldaten – richtig geschrieben. In der Liste des Schwarzen Kreuzes war sein Sterbedatum angegeben. Dieses wurde mit Verlustlisten abgeglichen. Schroffenegger war am 24. Januar 1919 in einem Militärspital in Rom gestorben. Fabian Tirler aus der Diözese Bozen-Brixen fand den Namen Schroffeneggers schließlich am Friedhof in Tiers genannt.

Michael Schroffenegger war ein Zimmermann aus Tiers. Nachfahren hat er keine. Er ist in der Krypta der Anima begraben. Seine Militärunterlagen hat Historikerin Tamara Scheer diese Woche im Tiroler Landesarchiv gefunden. Auch ein Foto von ihm ist kürzlich aufgetaucht. Es wurde zuvor noch nie publiziert.

Den Soldaten ihre Identität zurückgeben

Ziel der Forschung ist es, den Soldaten ihre Identität zurückzugeben. „Einen Menschen kann man so schnell töten, aber es dauert manchmal 100 Jahre, bis man Geschehenes aufarbeiten kann und den Familien sagen kann, was wirklich mit ihm passiert ist. Wir wollen die Lebensgeschichten einzelner Soldaten aufzeigen“, betont Scheer.

Deshalb soll im nächsten Jahr ein Online-Gedenkbuch veröffentlicht werden, in dem die Geschichten der einzelnen Soldaten erzählt werden – auch mit Fotos. „Es ist schön, dass sich immer wieder Nachfahren melden. Deshalb werden wir das Buch online anlegen, weil wir es dann hoffentlich laufend aktualisieren können. Außerdem wird im Buch erzählt, wie es den Familien mit der teils 100 Jahre langen Suche und Recherche erging“, erzählt die Historikerin abschließend.

jot

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