Sonntag, 11. Februar 2024

Musikproduzent Fabian Pichler: „Kreativität ist Übungssache“

Fabian Pichler (28) hat einen besonderen Beruf: Als Musikproduzent hat er schon mit zahlreichen Künstlern aus Südtirol und dem Ausland zusammengearbeitet und ihren Songs im Studio den Feinschliff verpasst. Im Sonntagsgespräch erzählt der Bozner, welchen Weg ein Musikstück von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung zurücklegt, was einen guten Song ausmacht und wie er es schafft, jeden Tag aufs Neue kreativ zu sein.

Fabian Pichler arbeitet in seinem Studio in Bozen mit Künstlern aus Südtirol und dem Ausland. - Foto: © Daniel Eggert

Von:
Philipp Trojer
STOL: Der Produzent steht oft im Schatten des Künstlers, ist aber maßgeblich für den Erfolg eines Songs verantwortlich. Wie sieht die Rolle des Musikproduzenten aus?
Fabian Pichler: Die Rolle des Produzenten hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Gleich geblieben ist, dass der Produzent die Person ist, die die gesamte Produktion im Auge hat und eine umfassende Vision für die Musik entwickelt – egal ob es sich um eine Single oder ein ganzes Album handelt. Die großen Produzenten der 60er, 70er, 80er Jahre haben in der Regel nicht selbst Hand angelegt, sie waren eher Ideengeber und Visionäre – für die Ausführung der einzelnen Arbeitsschritte waren Spezialisten in den jeweiligen Bereichen zuständig : Songwriter, Texter, Arrangeure, Instrumentalisten, Aufnahmetechniker, Toningenieure und ähnliche Berufsbilder. Heute übernimmt der Produzent viele dieser Aufgaben selbst, vom Songwriting über das Arrangieren bis hin zu den Aufnahmen, teilweise sogar bis zum fertigen Mix. Je nach Projekt ändern sich die Anforderungen, damit am Ende ein fertiges Musikstück herauskommt.

STOL: Sie arbeiten im Studio – der Künstler steht dann auf der Bühne. Wollten Sie nie selbst ins Rampenlicht?

Pichler: Ich habe lange in verschiedenen Bands gespielt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, aber dann habe ich meine Liebe zur Studioarbeit entdeckt. Heute weiß ich, dass ich dort noch besser aufgehoben bin als auf der Bühne.

In München und Trient hat Fabian Pichler Tontechnik und Popmusik studiert. - Foto: © Daniel Eggert



STOL: Was begeistert Sie an der Arbeit im Studio?
Pichler: Im Studio ist alles möglich. Musik ist ein riesiger Kosmos und es gibt unendlich viele Werkzeuge, mit denen man seine Ideen umsetzen kann. Werkzeuge, die live auf der Bühne oft nicht zur Verfügung stehen. Im Entstehungsprozess eines Songs gibt es zunächst kein Richtig oder Falsch. Alles ist möglich, alles ist erlaubt, man darf sich ausprobieren. Wenn dann eine Idee reift, arbeite ich mich bis in die kleinsten Details vor, bis alles perfekt sitzt.

STOL: Welchen Weg geht ein Song von der ersten Idee bis zum fertigen Master?
Pichler: Es gibt unterschiedliche Abläufe. Manchmal treffe ich mich mit einem Künstler und wir fangen gemeinsam bei Null an, einen Song zu schreiben. Manchmal bringt der Künstler auch schon einen ersten Entwurf mit. In beiden Fällen haben wir am Ende des Tages eine Demoaufnahme des Songs: Das heißt, die Struktur ist festgelegt, wir haben eine Gesangslinie und eine rudimentäre Instrumentierung, die schon vorgibt, in welche Richtung der Song gehen soll. Im nächsten Schritt ist es meine Aufgabe, den Song weiter zu produzieren, das Arrangement festzulegen und die entsprechenden Instrumente und den Gesang final aufzunehmen. Diese Aufnahmen werden dann editiert, also so bearbeitet, dass die verschiedenen Aufnahmen vor allem vom Timing her perfekt zusammenpassen. Der Mixing-Engineer kümmert sich dann um die Qualität des Audiomaterials und bringt die verschiedenen Instrumente und die Stimme in Einklang. Der letzte Feinschliff erfolgt schließlich im Mastering. Dann ist der Song bereit für die Veröffentlichung. Von der ersten Idee bis zum fertigen Produkt können je nach Fall einige Tage, aber auch Wochen oder Monate vergehen.

STOL: Warum haben Sie diesen außergewöhnlichen Lebensweg eingeschlagen?
Pichler: Natürlich hatte ich schon immer eine große Leidenschaft für Musik – sei es, dass ich selbst Gitarre gespielt oder einfach nur die Songs meiner Lieblingsbands gehört habe. Was mich vielleicht vom „normalen“ Musikhörer unterschieden hat, war mein besonderes Interesse an der Produktion – also daran, wie ein Song entsteht, aus welchen Bestandteilen er zusammengesetzt ist. Nach der Matura habe ich eine Ausbildung zum Tontechniker abgeschlossen, bei der es vor allem um die technische Seite der Studioarbeit ging. Anschließend habe ich die musikalische Komponente durch das Studium der Popmusik am Konservatorium in Trient vertieft. Was ich heute mache, ist eine Kombination aus beiden Welten: Musiktheorie und technisches Know-how helfen mir, mich musikalisch zu entfalten und meine Vision für andere hörbar zu machen.

Im Studio entstehen aus einer ersten Idee fertige Songs. - Foto: © Daniel Eggert



STOL: Sie arbeiten täglich mit Künstlern zusammen, die mit ihren eigenen Ideen und Vorstellungen zu Ihnen kommen. Diese decken sich oft nicht mit den eigenen Vorstellungen. Sind da Konflikte vorprogrammiert?
Pichler: Jeder Künstler ist anders. Ich muss immer wieder den richtigen Weg finden, um durchzudringen, den Künstler zu erreichen und auch den richtigen Ton zu treffen, um musikalisches Feedback zu geben. Wenn das gelingt, entsteht eigentlich immer ein fruchtbarer Austausch. Das Ergebnis am Ende ist immer eine Zusammenarbeit zwischen Produzent und Künstler, wobei es für beide Seiten wichtig ist, kompromissbereit zu sein, ohne die eigene Vision aus den Augen zu verlieren.

STOL: In Ihrem Job müssen Sie auf Knopfdruck kreativ sein. Wie gelingt das?
Pichler: Natürlich gibt es Tage, an denen die Ideen nur so sprudeln, und andere, an denen es mühsamer ist. Aber in diesem Beruf muss man es schaffen, auch an einem Tag, an dem die Kreativität nicht so sprudelt, zu liefern. Das ist, wie so vieles im Leben, eine Frage der Übung.

STOL: In vielen Berufsfeldern wird zunehmend KI eingesetzt, um der Kreativität auf die Sprünge zu helfen. Ist das auch in der Musik ein Thema?
Pichler: Es ist auf jeden Fall ein Thema: Vor allem beim Songwriting und Texten kann KI schon jetzt helfen, Ideen zu entwickeln oder den Knoten zum Platzen zu bringen, wenn der Schaffensprozess ins Stocken geraten ist. In meiner Arbeit setze ich sie noch nicht ein, aber das Thema wird in Zukunft sicher an Bedeutung gewinnen, auch wenn ich davon überzeugt bin, dass KI den Menschen bei der Produktion eines Songs niemals ersetzen kann. KI reproduziert und kombiniert Dinge, die bereits existieren. Sie schafft nicht im engeren Sinne etwas völlig Neues. KI hat keinen „Musikgeschmack“ und kann daher auch keine künstlerischen Entscheidungen treffen. Dazu wird es immer den Menschen brauchen. KI wird aber sicherlich in vielen handwerklichen Aspekten der Musikproduktion verstärkt zum Einsatz kommen.

Für den 28-Jährigen ist Kreativität eine Übunssache. - Foto: © Daniel Eggert



STOL: Weil es um Geschmack geht: Musik ist bekanntlich Geschmackssache. Kann man trotzdem sagen, was ein gutes Lied ausmacht?
Pichler: Das ist schwer zu sagen. Es wird oft behauptet, ein gutes Lied zeichne sich dadurch aus, dass es allein mit Klavier- oder Gitarrenbegleitung funktioniert, weil sich darin die Essenz von Musik ausdrückt: eine Melodie mit Akkordbegleitung. Aber das ist nicht immer der Fall. Oft ist es das Arrangement, das ein Lied zu etwas Besonderem macht. Ob ein Lied gut oder schlecht ist, erkennt man an den Gefühlen, die es auslöst, nicht an objektiven Maßstäben.

STOL: Südtirol ist keine Musik-Hotspot wie zum Beispiel Berlin oder London. Kann man hier trotzdem gut arbeiten?
Pichler: Auf jeden Fall. Südtirol hat viele Talente und viel Qualität in der Musik, auch wenn die Sichtbarkeit nicht immer gegeben ist. In den letzten Jahren sind viele spannende neue Künstler dazugekommen. Außerdem ist die Südtiroler Musikszene gut vernetzt, man kennt sich, hilft sich gegenseitig und hält zusammen.

STOL: Wo gibt es noch Aufholbedarf?
Pichler: Viele Akteure der Musikwirtschaft gibt es in Südtirol bislang kaum oder gar nicht: Labels, Booking-Agenturen, Manager oder PR-Leute, die Newcomer entdecken und ihnen bei der Karriereentwicklung helfen. Solche Akteure sind aber für eine zunehmende Professionalisierung der Szene notwendig. Was fehlt, sind Auftrittsmöglichkeiten. Das betrifft vor allem Bands. Man kann in Südtirol beobachten, dass es heute deutlich weniger Bands gibt als noch vor 10 oder 15 Jahren – das liegt zum einen daran, dass sich der Musikmarkt verändert hat und immer öfter Solokünstler im Fokus stehen, zum anderen aber auch daran, dass es in Südtirol an Orten fehlt, wo Bands auftreten können.

Die Gitarre ist Pichlers Hauptinstrument und kommt bei vielen seiner Pop-, Rock- und Indie-Produktionen zum Einsatz. - Foto: © Daniel Eggert



STOL: Aus der Szene hört man die Kritik, dass die Popkultur gegenüber den traditionellen Kulturangeboten oft zu kurz kommt. Ein berechtigter Vorwurf?
Pichler: Auf jeden Fall. Das heißt nicht, dass Tradition nicht wichtig ist, aber es müsste eine bessere Balance geben. In anderen Städten wie Berlin oder München wird sehr viel für die Popkultur getan. Junge Künstler können dadurch sehr früh ein konkurrenzfähiges Produkt abliefern, es werden Auftrittsmöglichkeiten geschaffen, wo sich auch Künstler aus anderen Ländern präsentieren können. Das wiederum inspiriert andere, selbst etwas auf die Beine zu stellen. So befruchtet sich die Szene selbst. In dieser Richtung könnte man in Südtirol noch mehr tun, auch wenn es schon einige Initiativen gibt. Vor allem, weil Musik immer einen Mehrwert für die Gesellschaft hat. Jeder hört Musik- sei es zum Feiern, zum Entspannen, aus Leidenschaft oder live bei einem unvergesslichen Konzert. Wenn wir hier also einen Schritt weiter gehen und es schaffen, die Musikszene in Südtirol weiter zu professionalisieren und auszubauen, profitieren alle davon: Die Musiker und die Gesellschaft. „Made in Südtirol“ hat in Südtirol und darüber hinaus einen hohen Stellenwert – in Sachen Musik kann diese Marke noch deutlich ausgebaut werden. Das Potenzial ist da.

STOL: Jeder hört ständig Musik und Musik wird zur Selbstverständlichkeit. Wie kann man der Musik wieder mehr Wertschätzung entgegenbringen?
Pichler: Ich glaube, dass die Live-Kultur dabei eine große Rolle spielt. Bei einem Konzerterlebnis steht die Musik im Mittelpunkt, sie passiert in diesem Moment und ist nicht auf Knopfdruck abrufbar. Deshalb muss eine Studioproduktion auch auf die Bühne und damit zu den Menschen gebracht werden. Über das ganze Thema Streaming kann man streiten: Natürlich wird Musik dadurch entwertet. Viele Leute hören sich eine Playlist durch und wissen gar nicht, wen sie da gerade singen hören. Andererseits ist es eine Möglichkeit, interessante Künstler zu entdecken und den eigenen Horizont zu erweitern. Fest steht aber: Wer einen Künstler einmal live erlebt hat, kann eine ganz neue und intensivere Beziehung zu ihm aufbauen und damit auch seine Arbeit höher bewerten.

STOL: Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben, die eine Karriere im Musikbusiness anstreben?
Pichler: Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ein Studium alleine nicht ausreicht, um im Musikbusiness Fuß zu fassen. Man kann damit zwar den Grundstein legen, aber Vorlesungen besuchen und Prüfungen ablegen macht noch keinen Musiker oder Musikproduzenten. Wer diesen Beruf ergreifen will, muss sich viel mit Musik in all ihren Formen beschäftigen, viel ausprobieren und Lust am Experimentieren haben. Erfahrung kann man nicht lernen, man muss sie sich erarbeiten. Wenn man sich auf diesen Weg begibt, muss man das mit voller Überzeugung tun. Das schafft man eigentlich nur, wenn man ehrlich Freude an dem hat, was man tut. Ein zweiter Punkt: Inspiration gibt es überall und man sollte sie sich auch von überall holen. Es ist also wichtig, viel und sehr unterschiedliche Musik zu hören. Das ist es, was am Ende zählt: So bildet man seinen eigenen Musikgeschmack und kann sich überall etwas abschauen.



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