Samstag, 23. März 2024

6 Stunden Zwangstour durchs seltsame Land Bürokratien

Wenn ich das nächste Mal in einem Formular den Beruf angeben muss, dann schreibe ich: Bildschirmarbeitnehmer. Noch nie gehört? Kann sein, denn das Wort kommt aus Bürokratien! Dort war ich vor einigen Tagen, 6 Stunden lang. Dienstlich, natürlich. „Verpflichtender Auffrischungskurs Arbeitssicherheit“ nennt sich die Tour durch das seltsame Land Bürokratien mit teils recht eigener Sprache, verwirrenden Straßen und einer etwas schrägen Sicht mancher Dinge.

„Denn die Genuss-Bürokraten werden einen Teufel tun, um sich den Akten-Boden unter den Füßen wegzuschaufeln. Stattdessen werden sich einige ständig wieder was Neues einfallen lassen, um zu beweisen, dass es sie gibt und sie schließlich den lieben langen Tag auch was tun“, schreibt Martin Lercher in seinem Kommentar.

Jedenfalls staune ich nach der 6-Stunden-Tour, dass ich mehrere Jahrzehnte als Bildschirmarbeitnehmer überlebt habe – wo doch rings um Stuhl, Tastatur und Monitor horrende Gefahren, Risiken und Nebenwirkungen lauern. Motorsägen zum Beispiel, zum Glück gibt es – laut Kurs – „Spezialbekleidung mit Schnittschutz“!

Zumindest aber ist einmal mehr klar, warum uns die Zwangsaufenthalte in Bürokratien oft den letzten Nerv kosten. Zum Beispiel, weil sich in diesem Land ganze Lawinen von Gesetzen, Richtlinien und Bestimmungen auf die Straßen herunterwälzen und das Weiterkommen immer schwieriger wird. Beim besagten Kurs für uns Bildschirmarbeitnehmer werden gefühlte 2 Stunden lang Artikel heruntergelesen, die rein gar nichts mit der konkreten beruflichen Realität zu tun haben.

Es wäre eine aufschlussreiche Rechnung, was diese 6 Stunden Arbeitssicherheit unsere Betrieben pro Jahr an Arbeitszeit und Geld kosten – und wie viel gespart würde, wenn die ganze heiße Luft aus dem aufgeblasenen Ding herausgelassen und tatsächlich nur Brauchbares und Realitätsnahes vermittelt würde.
Martin Lercher, „Dolomiten“-Chef-vom-Dienst


Wozu so was gut sein soll? Die Frage wird erst gar nicht gestellt. Denn Vorschrift ist Vorschrift – also brav sitzen und das anhören! So un- und stumpfsinnig das auch sein mag. Und ich mich frage, ob mir jemand in einem Video erklären muss, dass „eine Last leblos sein kann, aber auch lebend“ und ich mich im Auto immer auf die Straße konzentrieren soll?

Aber – und das scheint auch so ein Gesetz im Land Bürokratien: Geld und Zeit spielen keine Rolle. Wozu dann lange aussortieren, was tatsächlich notwendig und nützlich ist? Es wäre eine aufschlussreiche Rechnung, was diese 6 Stunden Arbeitssicherheit unsere Betrieben pro Jahr an Arbeitszeit und Geld kosten – und wie viel gespart würde, wenn die ganze heiße Luft aus dem aufgeblasenen Ding herausgelassen und tatsächlich nur Brauchbares und Realitätsnahes vermittelt würde.

Ob das mal jemand macht? Ich zumindest habe wenig Hoffnung auf Besserung. Denn die Genuss-Bürokraten werden einen Teufel tun, um sich den Akten-Boden unter den Füßen wegzuschaufeln. Stattdessen werden sich einige ständig wieder was Neues einfallen lassen, um zu beweisen, dass es sie gibt und sie schließlich den lieben langen Tag auch was tun.

Und die Politik, die jeden Tag das Klagelied mit dem Refrain „Abbau der Bürokratie“ zu hören bekommt? Greift auch nicht gerne zur Axt. Schließlich lässt sich mit Verweis auf den ganzen Kram viel Verantwortung abgeben oder zumindest in die Büros abschieben.

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ler

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