Neben dem Präsidenten wählen die Ecuadorianer auch die Abgeordneten der Nationalversammlung und stimmen über 2 Volksentscheide zu Ölförderung im Yasuní-Nationalpark im Amazonasgebiet und dem Bergbau in den Nebelwäldern des Chocó Andino ab. Erreicht bei der Präsidentenwahl keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit oder mindestens 40 Prozent der Stimmen mit 10 Prozentpunkten Vorsprung auf den Zweitplatzierten, kommt es am 15. Oktober zur Stichwahl. Die jüngsten Umfragen deuteten darauf hin, dass sich kein Kandidat direkt in der ersten Runde durchsetzen kann.
Am Mittwoch vergangener Woche war der Oppositionskandidat Fernando Villavicencio nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Die Regierung des südamerikanischen Landes machte das organisierte Verbrechen für die Tat verantwortlich. Ecuador dient als Transitland für Kokain, mehrere Verbrechersyndikate kämpfen um die Kontrolle der Schmuggelrouten. Villavicencio hatte angekündigt, hart gegen Korruption und Kriminalität durchzugreifen. Seine Partei Construye („Baue“) präsentierte den Journalisten Christian Zurita als neuen Kandidaten.
Zurita hat indes nach eigenen Angaben Todesdrohungen in den Onlinenetzwerken erhalten. „Die Drohungen gegen mein Leben und mein Team werden uns nicht aufhalten, aber sie zwingen uns zu stärkeren Sicherheitsvorkehrungen“, schrieb Zurita auf Twitter (X). Seine Partei Construye habe die Behörden und Wahlbeobachter informiert.
„Die Ecuadorianer werden mit drei Gefühlen wählen: Angst vor der Unsicherheit, Pessimismus hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation und Misstrauen gegenüber der politischen Klasse“, sagte der Politologe Santiago Cahuasquí von der Internationalen Universität SEK der Nachrichtenagentur AFP.
Die vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahlen waren notwendig geworden, weil der konservative Staatschef Guillermo Lasso inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens wegen mutmaßlicher Unterschlagung gegen ihn die Nationalversammlung aufgelöst hatte.