Samstag, 30. Dezember 2023

Stromverteiler: Konzessionen könnten zu Pulverfass werden

Auf der Tagesordnung der Landesregierung standen gestern 3 Aufsichtsbeschwerden eines Bürgers zu (konkreten) Problemen bei Konzessionen für die Stromverteilung. Alle wurden für unzulässig erklärt – und damit das Problem vorerst „gelöst“.

Südtirol könnte im Strombereich auf einem Pulverfass sitzen. - Foto: © shutterstock

Doch tatsächlich könnte Südtirol in diesem Bereich auf einem Pulverfass sitzen – und es in den kommenden Jahren zu einer Flut von Klagen kommen. Bei den Verteilerkonzessionen „herrscht nämlich Chaos“, bestätigt man beim Südtiroler Energieverband.

Um zu verstehen, was dahinter steht, muss man ins ferne Jahr 2007 zurückgehen. Damals wurde per Gesetz ein Stromverteilerplan eingeführt und alle Verteiler aufgefordert, um eine Konzession anzusuchen. Bis dato hatte man ohne gearbeitet. Das Gesetz wurde wohl auch mit Blick auf 2030 eingeführt, denn da müssen alle Konzessionen europaweit ausgeschrieben werden. Stichtag für die Anfrage war damals der 2. Oktober 2008. Und (fast) alle Verteiler im kleinstrukturierten Südtirol haben einen Antrag gestellt.

2008 Antrag gestellt, 2023 Konzession bekommen

Konzessionen bekommen haben damals aber nur 2 Handvoll. Weitere Konzessionsvergaben erfolgten dann tröpfchenweise. Im Jahr 2014 waren es 6, 2015, 2016, 2017 und 2018 jeweils eine. Heuer wurden 8 weitere ausgestellt. Und es bleiben noch immer Verteiler ohne Konzession. Doch sind Konzessionen, die bis zu 15 Jahre nach Antrag ausgestellt werden, überhaupt rechtens? Oder müsste hier der Verwaltungsgrundsatz Anwendung finden, nachdem ein Antrag innerhalb von 30 Tagen zu behandeln ist, andernfalls gilt er als abgelehnt? Dann nämlich wären alle Konzessionen, die nicht innerhalb der 30-Tagefrist ausgestellt wurden, hinfällig. Auch gilt eigentlich für solche Anträge eine Verjährungsfrist von 10 Jahren. „Da die Landesverwaltung die Konzessionsanträge sukzessiv bearbeitet hat, ist das Recht der Antragsteller nicht verjährt“, heißt es dazu aus dem Energieressort.

Den Betrieb durften bzw. mussten die (konzessionslosen) Stromverteiler zwar aus rechtlicher Sicht dennoch aufrechterhalten, denn ein öffentlicher Dienst wie die Stromversorgung der Bürger darf nicht unterbrochen werden. Aber betroffene Stromverteiler könnten zumindest in Erwägung ziehen, eventuelle Verluste beim Land geltend zu machen. Und was ist eigentlich mit Pachtverträgen, wie sie z.B. die Gemeinde Tiers als Stromverteiler mit der Edyna abgeschlossen hat? Ist die Verpachtung eines Dienstes unter diesen Voraussetzungen möglich?

Noch schwerer dürfte allerdings die Tatsache wiegen, dass zahlreiche Stromleitungen durch privaten Grund verlaufen und es dafür kaum eingetragene Servitute (und damit im Übrigen auch keine finanziellen Entschädigungen) gibt. Nach 20 Jahren ohne Vereinbarung hat der Stromverteiler das Recht darauf ersessen. Und das gereicht dem Eigentümer zum Schaden: Denn bei einem eingetragenen Servitut kann der Grundstückseigentümer auf einer Verlegung der Leitungen auf Kosten des Verteilers bestehen, wenn er beispielsweise seinen Grund für landwirtschaftliche Tätigkeit oder die Errichtung einer Kubatur verwenden will. Bei einem ersessenen Recht für den Stromverteiler dürfte das wegfallen. In Südtirol gibt es Tausende solcher Grundstückseigner, die zum Schutz ihres Eigentums nun in den kommenden Jahren – und mit Blick auf die bevorstehende europaweite Ausschreibung – auf die Freistellung des Grundes klagen könnten.

Bewertungskriterien fehlen in den Konzessionen

Und noch eine Baustelle scheint es zu geben: Anders als im Landesverteilerplan zwingend vorgegeben, enthalten die ausgestellten Konzessionen keine „Bewertungskriterien für die Übertragung der Verteileranlagen auf den Konzessionsnachfolger bei Eintreten des Konzessionsverfalls. Für die Ausschreibung 2030 birgt das für die derzeitigen Stromverteiler zumindest ein Risiko, dass Investitionen zu einem Spottpreis an den Konzessionsnachfolger übergehen könnten.

ih

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