Sonntag, 14. Mai 2023

Jetzt redet Widmann: Über die SVP, den Landeshauptmann, seine Zukunft

Macht er Schluss mit der Politik oder will er es noch einmal wissen – nach dem Motto: Jetzt erst recht? Viele fragen sich, ob der langjährige Landesrat und frühere Landtagspräsident Thomas Widmann bei der Landtagswahl im Oktober antritt oder sich in den politischen Ruhestand verabschiedet. Im ausführlichen Interview erklärt Widmann, was Sache ist.

Im ausführlichen Interview erklärt Thomas Widmann, was Sache ist. - Foto: © Screenshot

Von Michael Eschgfäller

Herr Widmann, Stand jetzt wäre mit den Landtagswahlen am 22. Oktober definitiv Schluss mit ihrer Karriere in der Landespolitik. Oder haben Sie noch ein Ass im Ärmel?
Thomas Widmann: Es stimmt, ich stehe momentan nicht auf der Liste der SVP, aber ich habe in meiner Karriere gelernt, dass sich Situationen sehr schnell ändern und dass bis zu den Wahlen noch sehr viel passieren kann. 6 Monate sind, politisch gesprochen, noch ein langer, Weg.

Der Landeshauptmann hat aber klargemacht, dass er sicher nicht zusammen mit Ihnen auf einer Liste stehen will und wird…
Widmann: Diese Aussage finde ich demokratiepolitisch bedenklich. Wenn ich denke, dass ich der Partei sicher viel an Erfahrung und Stimmen bringen könnte, verstehe ich nicht warum. Jemanden aus rein persönlichen Animositäten auszuschließen, ist einfach nicht professionell und schadet der Partei.

Ich habe das Gefühl, dass sich viele Menschen in der SVP nicht mehr wiederfinden, dass sie nach Alternativen suchen.
Thomas Widmann


Wäre für Sie als langjähriger Macher in der SVP eine Kandidatur unter einem anderen Listenzeichen, etwa einem kleinen Edelweiß, überhaupt denkbar?
Widmann: Ich habe das Gefühl, dass sich viele Menschen in der SVP nicht mehr wiederfinden, dass sie nach Alternativen suchen und dass sie in vielen Bereichen von der Richtung, in die die SVP derzeit geht, enttäuscht sind, sich von ihr verlassen fühlen.

Das heißt, Sie wären eine Alternative?
Widmann: Es ist momentan noch zu früh, darüber zu reden und zu entscheiden.

Widmann: „Der Landeshauptmann hat mir bescheinigt, dass ich als Gesundheitslandesrat eine gute Arbeit mache.“ - Foto: © DLife_DF




In einem im Zuge der SAD-Ermittlungen abgehörten Telefongespräch haben Sie Arno Kompatscher als den bisher schlechtesten Landeshauptmann bezeichnet. Stehen Sie nach wie vor zu dieser Aussage?
Widmann: Das habe ich damals sicher salopp gesagt. Dazu ist zu sagen, dass das damals ein persönliches Gespräch war, das dann veröffentlicht worden ist. Stellen Sie sich vor, wenn alle persönlichen Gespräche von Politikern veröffentlicht würden ….

Noch einmal: Stehen Sie nach wie vor zu dieser Aussage?
Widmann: Magnago hat uns die Autonomie gebracht – den Grundstein dafür, wie wir heute sein können, ein freies Land mit allen Rechten. Durnwalder, ein Macher, aber auch ein ausgewogener Leiter, der mit diesen Möglichkeiten aus dem Land das gemacht hat, was es heute ist. Mit diesen Errungenschaften brüsten wir uns noch immer. Ich frage: In den letzten 10 Jahren, was wurde da umgesetzt? Selbst gut informierten Leuten fällt da wenig ein.

Mittlerweile wird von oben angeschafft, Diskussion und persönliche Meinungen sind nicht mehr geduldet.
Thomas Widmann



War unter Luis Durnwalder wirklich alles besser?
Widmann: In jeder Ära gibt es Gutes und weniger Gutes. Eines aber ist sicher: Auch wenn es von außen nicht so ausgeschaut hat, hatten wir eine bessere Diskussions- und auch Streitkultur in der Partei, im Landtag, in der Landesregierung. Es ging einfach menschlicher zu. Durnwalder hat sich Kraft seiner Persönlichkeit und Kompetenz durchgesetzt. Er ist manchmal auch untergegangen. Er war deshalb aber nie böse. Es hat nie Sanktionen gegeben, wenn man nicht seiner Meinung war. Mittlerweile wird von oben angeschafft, Diskussion und persönliche Meinungen sind nicht mehr geduldet.

„Das ist ein System, bei dem sich viele und irgendwann auch die Wähler ausgegrenzt fühlen.“ - Foto: © Landesregierung Südtirol



Woran machen Sie das fest?
Widmann: Die beiden Abgeordneten Franz Locher und Manfred Vallazza wurden nach ihrer Forderung, Wolf und Bär gehören weg, an den Rand gedrängt, fast vor die Tür gesetzt, mit fast untergriffigen Methoden mies gemacht. Das ist ein System, bei dem sich viele und irgendwann auch die Wähler ausgegrenzt fühlen. Auch Waltraud Deeg ist es ähnlich ergangen. Sie wollte ein wichtiges Gesetz einbringen, aber das notwendige, verpflichtende Finanzgutachten wurde ihr über Monate einfach verwehrt. Als sie es trotzdem einbrachte, wurde Sie bloßgestellt. Als Fraktionssprecherin Magdalena Amhof die – korrekte – Vorgangsweise bei der missglückten IDM-Abstimmung verteidigte, erging es ihr gleich.

Im Vergleich zu den früheren Legislaturen ist in den letzten 10 Jahren wenig weitergegangen.
Thomas Widmann



Sie kreiden dem Landeshauptmann an, dem Land zu schaden. Inwiefern?
Widmann: Ich will nicht sagen, dass der Landeshauptmann bewusst dem Land schadet. Aber im Vergleich zu den früheren Legislaturen ist in den letzten 10 Jahren wenig weitergegangen. Gut, es hat Covid und andere Krisen gegeben, aber unter Magnago und Durnwalder wurden einfach Meilensteine gesetzt. Man denke nur ans KlimaHaus, das weit über Südtirol hinaus bekannt ist. Oder die Südtirolmarke, wo sich halb Europa interessiert hat, wie wir diese Dachmarke eingeführt haben. Die Universität und mit Verlaub, auch das Erfolgsmodell SüdtirolPass. Nehmen wir das Beispiel A22-Konzession. Wie oft wurde verkündet, die Konzessionsverlängerung sei unterschriftsreif? Die Konzession ist noch immer nicht da. Oder das große Thema Nachhaltigkeit: Da gibt's eine Roadshow, die viele Millionen Euro kostet. Bei der landauf, landab der Landeshauptmann Nachhaltigkeit predigt. Dann baut man für viel Geld eine Schutzhütte auf den Rosengarten, die es in der Form nicht braucht, verkauft einen Teil eines Berges, der der Allgemeinheit gehört. Und auf der anderen Seite soll man in Dörfern und Städten die Lichter ausschalten, um das Klima zu schützen.


Sie haben sich bei Arno Kompatscher entschuldigt und trotzdem hat er Sie aus der Landesregierung geworfen. Wieso?

Widmann: Das müssen Sie ihn selber fragen. Normalerweise kann man in einer professionellen Zusammenarbeit – selbst wenn man sich nicht mag – weiter zusammenarbeiten, wenn man sich ausgesprochen hat und die Dinge scheinbar für beide Seiten geklärt sind. 2 Tage zuvor hat er jedenfalls noch gesagt, dass ich gute Arbeit leiste. Über die SAD-Affäre, mit der ich nichts zu tun habe, wurde das dann alles so aufgebauscht, um mich vor die Tür zu setzten.

Ich war damals weder Landeshauptmann noch der zuständige Landesrat, saß nicht einmal in der Landesregierung. Gegen mich wurde in dieser Sache nie ermittelt und selbst Zeuge war ich nicht.
Thomas Widmann



Also immer noch sauer auf den Rauswurf aus der Landesregierung?
Widmann: Darum geht es nicht. Was aber nicht geht, ist, dass wir in mehreren Gesprächen alles geklärt haben, der Landeshauptmann selbst gesagt hat, für ihn sei alles wieder in Ordnung und dann völlig anders gehandelt hat. Das passt nicht zusammen.

Von außen betrachtet, waren bzw. sind Sie nach Bekanntwerden der SAD-Affäre für viele der Buhmann. Wie geht es Ihnen damit?
Widmann: Bei der sogenannten SAD-Affäre kommt es zu Ermittlungen, weil eine Entscheidung der Landesregierung dazu geführt hat, dass eine Ausschreibung der Buskonzessionen annulliert wurde. Ich war damals weder Landeshauptmann noch der zuständige Landesrat, saß nicht einmal in der Landesregierung. Gegen mich wurde in dieser Sache nie ermittelt und selbst Zeuge war ich nicht. Fakt ist, dass sich in der Causa ein Busunternehmer aus dem Schlerngebiet und der damals höchste Beamte der Mobilität vor Gericht verantworten müssen. Was viele nicht wissen: Der Verkauf der Anteile des Landes an der SAD an Gatterer ist nicht in meiner Zeit als Mobilitätslandesrat, sondern erst unter Landeshauptmann Kompatscher erfolgt. Nur deshalb ist es ja auch zu der ganzen Situation gekommen. Innerparteilich hat man das Ganze auf miese Art benutzt und so dargestellt, als hätte ich mit der SAD-Affäre etwas zu tun. Und damit habe ich sehr wohl ein Problem. Langsam setzt sich aber die Wahrheit durch.

Thomas Widmann (2. von rechts) als damaliger Gesundheitslandesrat im Impfzentrum in Bozen. - Foto: © Sabes



Seit Ihrem Rauswurf führt der Landeshauptmann die Agenden der Sanität selber...
Widmann: ...ein Bereich, der sehr heikel und komplex ist. Wenn man bedenkt, dass die SVP in der letzten Legislatur beinahe über die Sanität gestolpert wäre, ist es dank eines ausgezeichneten Teams in der Folge gelungen, das Thema wieder zu befrieden. Die Sanität im Nebenjob erledigen zu wollen, ist für mich eine Anmaßung. Die Auswirkungen sieht man deutlich. Beispiel Wartezeiten: Bei der Mammografie z.B. war es uns gelungen, die Wartezeiten beinahe zu dritteln. Heute sind wir laut Gimbe bei den Wartezeiten im Gesundheitswesen die Schlechtesten in ganz Italien. Für die Notaufnahme bestand ein Projekt, um die Zeiten auf 2 Stunden zu drücken. Ein ehrgeiziges Projekt, bei dem wir schon sehr weit waren. Es wurde nicht mehr weiterverfolgt, so wie jenes gegen den Pflegemangel. Für den Pflegebereich sollte vor eineinhalb Jahren dasselbe Modell implementiert werden wie bei der Ausbildung von Ärzten.

Wenn man schaut, was alles im Programm stand, mit dem Kompatscher angetreten war, wurde bislang sehr wenig umgesetzt.
Thomas Widmann


Was wäre aus Ihrer Sicht besser zu machen im Land?
Widmann: Mehr und entschlossener tun statt reden – in den verschiedensten Bereichen. Schauen, dass wir die Autobahnkonzession endlich wieder bekommen, in der Sanität die dringendsten Bereiche wie Wartezeiten oder Ärzte- und Pflegemangel endlich angehen – egal, wer das macht, aber bitte Vollzeit und mit voller Kraft. Wenn man schon Nachhaltigkeit predigt, warum sucht man sich nicht Gemeinden, die Lust haben mitzumachen – ich kenne viele – und versucht dort wirklich eine nachhaltige Gemeinde aufzubauen, die in Europa Signalcharakter hat mit logistischen Modellen, die CO-frei Waren liefern, mit Müll, der unterirdisch verschwindet und kompostiert wird, Gemeinden, die energieautark sind usw. Wenn wir das schon groß ankündigen, tun wir doch was! Oder das Thema Wasserstoff: Die erste Tankstelle wurde vor mehr als 10 Jahren errichtet. Damals waren wir Vorreiter, passiert ist seither nicht mehr viel. Und endlich die größten Baustellen angehen: den absoluten Stillstand in der Urbanistik beenden und schnellstmöglich realistische Angebote für leistbares Wohnen bereit stellen.

Zurück in die nähere Zukunft bzw. zu den Wahlen im Herbst. Glauben Sie, dass es der SVP wieder gelingt, das Ruder noch herumzureißen?
Widmann: Das weiß ich nicht. Aber diese Partei ist nicht mehr die, die sie einmal war. Das merkt auch die Bevölkerung. Es braucht wieder einen entschlossenen Einsatz für unsere Autonomie, mehr Mitsprache in der Basis, der Fraktion, im Landtag und insgesamt. Wenn man schaut, was alles im Programm stand, mit dem Kompatscher angetreten war, sind das sehr viele große und hehre Ziele, von denen bislang aber sehr wenig umgesetzt wurde.

Vor 5 Jahren waren Sie selbst Wahlkampfmanager der SVP. Was sind denn diesmal Ihre Sorgen um die Partei und um deren Zukunft?
Widmann: Ich mache mir Sorgen um das Prinzip der Sammelpartei, um die fehlende Dialektik und Diskussionsbereitschaft, darum, dass wer anderer Meinung ist, in die Ecke gedrängt oder gar ausgeschlossen wird. Und ich mache mir große Sorgen darüber, dass das, was unsere Vorgänger aufgebaut haben, den Bach runtergeht, dass wir den Zug verpassen, weiter Vorbildmodell in Europa zu sein, in allen Bereichen, egal ob Nachhaltigkeit, Umwelt, Wirtschaft .... Die Chancen und Möglichkeiten dazu hätten wir nämlich. Getan wird derzeit dafür aber herzlich wenig.


ZUR PERSON

1959 geboren, entstammt Thomas Widmann einer durch und durch politischen Familie. Bereits sein Vater Franz war in der SVP einer der engen Mitstreiter von Landeshauptmann Silvius Magnago.

Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften in Wien und 6 Jahren als Direktor des Südtiroler Bauernbundes trat Thomas Widmann in die politischen Fußstapfen seines Vaters. Von 1997 bis 2003 SVP-Landessekretär sitzt er seit 2003 im Landtag, wurde auf Anhieb zum Landesrat für Wirtschaft und Mobilität gewählt.

Nach einem 5-jährigen Intermezzo als Landtags- und Regionalratspräsident war Widmann bis zum April des Vorjahres Gesundheitslandesrat, ehe er im Zuge der SAD-Affäre auf Betreiben von Landeshauptmann Arno Kompatscher vom Landtag abgewählt

stol

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