Montag, 16. Oktober 2023

Fachkräftemangel: „So holen wir die Jungen nicht zurück“

Der Fachkräftemangel ist derzeit in aller Munde, landauf, landab werden alle möglichen Berufsgruppen händeringend gesucht. Doch ASGB-Chef Tony Tschenett platzt angesichts des Gejammers der Kragen.

ASGB-Chef Tony Tschenett. - Foto: © fm

„Wir brauchen uns nicht wundern, dass junge Leute etwa nach einer Ausbildung im Ausland nicht zurückkommen, wenn sie hier außer freiberuflicher Mitarbeit oder einem Praktikumsplatz nichts geboten bekommen“, kritisiert Tschenett.

Petra* hat erfolgreich in Österreich Architektur studiert. Und nach dem Studium auch Arbeitsangebote dort bekommen. Doch ihr Herz schlägt für Südtirol und ihre Zukunft sieht sie hier – eigentlich. Denn obwohl sie nun schon 2 Jahre wieder da ist, hat sie noch immer keinen Arbeitsplatz. Nicht dass sie nicht arbeiten würde, aber nur „freiberuflich“ für ein Architekturbüro.

Für Petra bedeutet das: Sie muss sich selber kranken- und rentenversichern, sie braucht einen Wirtschaftsprüfer, sie wäre bei längerer Krankheit ohne Einkommen und an eine Mutterschaft ist ebenfalls nicht zu denken. Und das bei einem Netto-Einkommen von rund 1800 Euro im Monat, von dem am Ende des Jahres die Steuern zu zahlen sind. 900 Euro gehen dabei jeden Monat schon für die 45 Quadratmeter große Einzimmerwohnung drauf. Und da hat Petra sogar noch Glück gehabt, denn immer mehr Vermieter wollen einen Mieter mit unbefristetem Arbeitsvertrag. An ein Eigenheim ist unter diesen Voraussetzungen erst recht nicht zu denken. Und ein eigenes Büro kann man als Nachwuchs-Architekt ohne Berufserfahrung auch nicht aufbauen.

Zudem kann der „Arbeitgeber“ die Zusammenarbeit von heute auf morgen beenden. „Perspektive und Sicherheit sehen anders aus“, sagt sie. Einfacher wäre es im benachbarten Ausland. An Angeboten fehlt es nicht. Zwar wäre auch da das Einstiegsgehalt nicht höher, aber alle Sozialabgaben einschließlich der Steuer wären bereits abgezogen und einen eigenen Wirtschaftsprüfer müsste sie auch nicht bezahlen. Es gebe einen Kündigungsschutz und eine Absicherung im Krankheitsfall.

„Landeszusatzvertrag wäre wichtige Absicherung“

„Das ist kein Einzelfall“, weiß ASGB-Chef Tony Tschenett, im Gegenteil. Dies sei gängige Praxis in vielen Bereichen. Gerade wenn es für junge Akademiker nach dem Studium noch eine eigene „Ausbildung“ braucht, wie etwa das sogenannte „Aspirantenjahr“ für angehende Apotheker, bietet Südtirol die schlechteren Bedingungen.

„In Österreich bekommen die Nachwuchs-Pharmazeuten zumeist ein Angestelltenverhältnis in ihrer Ausbildungsapotheke – mit allen entsprechenden Absicherungen. Bei uns nicht.“ Dabei wäre dies rechtlich durchaus möglich, weiß er: „Über einen sogenannten Landeszusatzvertrag ist eine Anstellung möglich. Das wäre eine wichtige Absicherung für unsere jungen Leute“, sagt er und ist sich sicher, dass damit auch zumindest ein Anreiz, im Ausland zu arbeiten, verloren ginge.

„Der Anreiz, nach dem Studium im Ausland zu bleiben, ist eh schon hoch, auch weil oft mehr gezahlt wird. Doch unter solchen Bedingungen können sich junge Leute ja fast nur gegen Südtirol entscheiden. Die fehlen uns dauerhaft – und deren Kinder und Kindeskinder gleich mit“, erinnert Tschenett. Er hofft auf ein Umdenken der Südtiroler Betriebe, „denn die Konkurrenz um die Fachkräfte ist groß und wir dürfen nicht ins Hintertreffen geraten“.

* Name von der Redaktion geändert

ih

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