Donnerstag, 29. Februar 2024

Hochwertiger Wein wird zu Industriealkohol – EU zahlt Millionen dafür

Von Rioja bis Bordeaux: Wein aus Europa ist weltweit beliebt. Trotzdem gab die EU in den vergangenen Jahren Millionen aus, um ihn zu billigem Industriealkohol zu machen. Seit Anfang 2023 wurden mehr als 105 Millionen Euro an EU-Geldern für die sogenannte Krisendestillation von europäischem Wein gezahlt, wie die EU-Kommission auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.

Vor allem in Frankreich ist die Rotweinproduktion in der Krise. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Bei der Krisendestillation wird überschüssiger Wein in den Mitgliedstaaten auf EU-Kosten destilliert, um den Alkohol dann etwa für Industriezwecke zu verwenden. Im vergangenen Jahr wurden demnach rund 34 Millionen Euro für die Destillation von Wein ausgegeben. Im laufenden Jahr waren es allein im Jänner fast 71 Millionen.

Vor allem Frankreich betroffen

Die höchsten Kosten entfielen dabei auf Frankreich mit insgesamt 68,5 Millionen Euro, gefolgt von Portugal mit mehr als 18 Millionen und Italien mit rund 15 Millionen Euro.
Das Destillationsprogramm gilt für Rot- und Roséweine.

Vergangenen Juni hatte die EU-Kommission eine Sondermaßnahme beschlossen, die es Mitgliedstaaten möglich machte, mithilfe der Krisendestillation überschüssigen Wein vom Markt zu nehmen. Dadurch sollte der Weinmarkt stabilisiert und Lagerkapazitäten für neuen Wein geschaffen werden.

Grund für die angespannte Lage: Laut EU-Kommission hatte die Inflation Lebensmittel und Getränke so teuer gemacht, dass die Menschen weniger Wein kauften. Zudem habe es durch gute Ernten viel Angebot gegeben und Betriebe hätten sich noch nicht vollständig von der Coronapandemie erholt.

Schon in Coronazeiten knapp 300 Millionen Euro ausgegeben

Bereits zu Pandemiezeiten hatte die EU hunderte Millionen Euro in die Umwandlung des europäischen Weins investiert. 2020 waren es 250 Millionen Euro, von denen allein 127 Millionen in die Destillation französischen Weins flossen. 2021 wurden rund 43 Millionen Euro für die Krisendestillation ausgegeben – diesmal vor allem für rumänischen Wein (23 Millionen Euro).

Expertin: Weinflächen umwidmen

Der Weinkonsum gehe weltweit zurück, die Rebanlagen seien hingegen oft für 30 bis 40 Jahre angelegt, erklärt Simone Loose, Professorin für Weinwirtschaft an der Hochschule Geisenheim. Wenn die Lager voll sind und der alte Wein für neuen Platz machen muss, könne der Wein destilliert und für Industriezwecke genutzt werden. „Damit hat das Produkt noch einen Nutzen – auch wenn man Industriealkohol über Zellulose deutlich günstiger produzieren könnte“, so Loose. „Das ist also ein sehr unwirtschaftlicher Prozess.“
Sinn mache die Krisendestillation daher nur, wenn es sich um einmalige Schocks handle und sich der Konsum danach wieder erhole, sagt Loose. Danach sehe es aktuell aber nicht aus.
Nach Ansicht der Fachfrau wäre es daher besser, das Geld in die Umwidmung von Weinbergsflächen zu stecken. „Im einfachsten Fall sagt man: Wir haben zu viel Rotwein und der Trend geht zu Weißwein, also ändern wir zu Weißwein.“
Da die Menschen aber allgemein weniger Wein kauften, sei es sinnvoller, in Europa die Rebflächen zu reduzieren, sagt Loose. Diese könnten dann zum Beispiel für andere Agrarprodukte, Biodiversitätsflächen oder alternative Energieerzeugung genutzt werden.

Problem auch in Südtirol?

Könnten auch Südtirols Weinen ein solches Ende drohen?
Klaus Gasser, Verkaufs- und Marketingdirektor der Kellerei Terlan, sieht hier für die heimischen Weine kein akutes Problem. Er sagte kürzlich im „S+“-Interview: „International steht das Rotweinsegment tatsächlich stark unter Druck. Für Südtirol sehe ich diese Entwicklungen nicht so problematisch, weil wir uns als Weißweinproduzenten positioniert haben. Aber sicher: Eine Glaskugel hat niemand und eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nie.“

dpa/stol

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