Freitag, 29. September 2023

„Sonst gehen einige Berufsbilder verloren“

In wenigen Wochen wird in Südtirol gewählt. Zeit, nachzufragen, was sich Südtirols Wirtschaft von der Landespolitik in Zukunft erhofft. Den Anfang macht das Handwerk in Person von lvh-Präsident Martin Haller.

Martin Haller und seine Wunschliste an die Landespolitik. Florian Andergassen - Foto: © Florian Andergassen

Von:
Rainer Hilpold
Herr Haller, was steht ganz oben auf der Wunschliste an die nächste Landesregierung?
Martin Haller: Das Wichtigste ist für uns, dass wir mit den politischen Vertretern auf Augenhöhe diskutieren können. Es ist klar, dass die Landesregierung die Entscheidungen treffen muss, aber im Vorfeld möchten wir gerne als Interessensvertretung des Handwerks angehört werden, wenn es um Themen geht, die für unseren Sektor relevant sind.

Klingt so, als wäre dies in Vergangenheit nicht immer der Fall gewesen...
Haller: Ich habe Verständnis dafür, dass es im politischen Geschäft schnell gehen muss und nicht immer Zeit bleibt, sich mit allen auszutauschen. Aber im Sinne einer bestmöglichen Lösung hätten wir uns hie und da eine etwas intensivere Zusammenarbeit mit der Politik gewünscht, da gab es durchaus Optimierungspotenzial.

Ich stelle zunehmend Zentralisierungstendenzen fest.
Martin Haller


Was brennt dem Handwerk noch unter den Nägeln?
Haller: Mich besorgt, dass es als Folge der verstärkten Digitalisierung zunehmende Zentralisierungstendenzen gibt. Da müssen wir in Südtirol aufpassen, sonst riskieren wir, dass es einige Berufe in ein paar Jahren nicht mehr gibt und wichtige Errungenschaften trotz primärer Gesetzgebungskompetenzen still und heimlich ausgehöhlt werden.

Inwiefern?
Haller: Ein Beispiel ist der Kaminkehrerberuf, der sich vom Kaminkehrer auf gesamtstaatlicher Ebene unterscheidet – hauptsächlich was seine Befähigung und Kompetenzen betrifft. Presst man die heimischen Kaminkehrer in das nationale System, geht das Berufsbild, wie es in Südtirol seit jeher vorherrscht, verloren. Dem müssen wir uns entgegensetzen und unsere lokalen Zuständigkeiten verteidigen und konsequent durchsetzen. Ein weiteres Beispiel sind die Konformitätserklärungen im Installationsgewerbe, die neuerdings einsprachig auf Italienisch über ein nationales Portal bezogen werden müssen. Es mag sich vorerst nur um vermeintliche Kleinigkeiten handeln, aber die Richtung ist klar, wir stellen eine zunehmende Zentralisierung fest. Die ist für uns Südtiroler nie gut.

Oft dauert das Genehmigungsverfahren de facto länger als die Umsetzung eines Bauprojektes.
Martin Haller


Ein Thema, das im Handwerk immer wieder für Unmut sorgte, ist die Urbanistik. Was ist in diesem Bereich liegen geblieben für die nächste Landesregierung?
Haller: Mit dem Status Quo sind wir sicherlich noch nicht zufrieden. Es hakt zum ersten bei der Umsetzung der Gemeindeentwicklungspläne, zum zweiten bei den Genehmigungsverfahren, die sich viel zu sehr in die Länge ziehen und neben den stark gestiegenen Zinsen ein Grund dafür sind, warum die Bautätigkeit in Südtirol spürbar nachgelassen hat.

Was kann das Land da tun?
Haller: Die Regeln müssen noch weiter vereinfacht und klarer formuliert werden, damit in den Gemeindestuben nicht ständige Zweifel und offene Fragen auftauchen, die die Genehmigungsprozedur bis zum Sankt-Nimmerleinstag verzögern. Oft dauert das Genehmigungsverfahren de facto länger als die Umsetzung eines Bauprojektes. Das kann es nicht sein. Da gilt es bei den Durchführungsverordnungen zum Urbanistikgesetz dringend nachzubessern.

Ich wünsche mir bei der Vergabe etwas mehr Fingerspitzengefühl für die lokalen Gegebenheiten.
Martin Haller


Was erwarten Sie sich im Bereich des Vergabewesens von der Politik?
Haller: Etwas mehr Fingerspitzengefühl für die lokalen Gegebenheiten. Im Personentransport sollten die Ausschreibungen so formuliert werden, dass auch unsere kleinen Anbieter, wir reden da von Unternehmen mit durchschnittlich 3,3 Mitarbeitern, eine Chance haben, die Kriterien zu erfüllen. Verstehen Sie mich nicht falsch, niemand verlangt, dass die Kriterien maßgeschneidert auf die lokalen Betriebe zugeschnitten werden, aber sie so festzulegen, dass unsere Betriebe zum Zug kommen können, das wäre wichtig.

Einen letzten Wunsch können Sie noch deponieren…
Haller: Ganz neu ist dieses Anliegen nicht, aber leider hat sich da in den letzten Jahren nicht wirklich viel getan. Die Rede ist von der Bürokratie, die nicht nur fürs Handwerk, sondern für Unternehmen aller Branchen ein Klotz am Bein ist. Da wünsche ich mir in Zukunft etwas mehr Mut, auch mal Dinge wegzulassen, die bei näherer Betrachtung absolut überflüssig sind. Im Laufe der Zeit hat sich immer mehr und mehr Bürokratie aufgetürmt, die schleunigst abgebaut gehört, damit nicht unnötige Ressourcen in den Betrieben gebunden werden. Man muss den Betrieben genügend Luft lassen, damit sie ihre Arbeit machen können.

Stellenanzeigen


Teilzeit






Teilzeit





powered by
Kommentare
Kommentar verfassen
Bitte melden Sie sich an um einen Kommentar zu schreiben
senden