Freitag, 1. Dezember 2023

„Stillstand bei Erstwohnungen in Südtirol“

Leistbares Wohnen ist eine der größten „Baustellen“, die wir in Südtirol haben. Ob der hierzulande eingeschlagene Weg erfolgversprechend ist und wie die Aussichten für die Baubranche insgesamt sind, klären wir mit Fritz Ploner, den neuen Chef der Baugruppe im lvh.

Im Baugewerbe in Südtirol kommt es zu einer Konsolidierung. - Foto: © Shutterstock / shutterstock

Von:
Rainer Hilpold
STOL: Über 11.000 Beschäftigte, rund 3700 Betriebe: Die Berufsgruppe Bau umfasst Hoch- und Tiefbauunternehmen ebenso wie baunahe Handwerker, darunter Maler, Bodenleger, Tischler und Dachdecker. Welche gemeinsamen „Baustellen“ gibt es?
Fritz Ploner: Ein Anliegen, das sich quer durch alle Bereiche zieht, ist der Personalmangel. Vom Vorarbeiter bis zum einfachen Hilfsarbeiter – uns fehlen die Leute. Zwar stellen wir fest, dass das Interesse an unseren Berufen wieder wächst, weil viele junge Menschen erkennen, dass man es mit Fleiß und Leidenschaft weit bringen kann. Nichtsdestotrotz bleibt der Personalmangel auch aufgrund des demographischen Wandels ein Riesenproblem. Ein zweites Thema ist der Bürokratieabbau, der eng mit der Digitalisierung zusammenhängt. Leider hat die zunehmende Digitalisierung nicht zu weniger Aufwand für die Betriebe geführt. Bei den unterschiedlichen Meldungen, die wir Akteure am Bau machen müssen, gibt es viel zu viele Mehrgleisigkeiten. Dieselben Daten müssen auf jedem Portal immer wieder neu eingegeben werden, zudem kommen ständig neue Meldungen und Vorschriften hinzu. So führt die Digitalisierung leider nicht zu weniger Bürokratie. Vor allem für kleine Betriebe, die ihre kostbare Zeit fürs Kerngeschäft einsetzen möchten, ist das eine große Herausforderung. Besonders dringlich ist aus meiner Sicht noch etwas anderes…

STOL: Nämlich?
Ploner: Beim Thema Winterlohnausgleich muss so schnell wie möglich eine Lösung her. Es gibt in Südtirol viele Betriebe, die darauf angewiesen sind. Man denke zum Beispiel ans Hochpustertal, einige Firmen können dort aufgrund von Kälte und Schnee wochenlang nicht arbeiten. Wenn sich das NISF/INPS weiterhin querstellt und den Lohnausgleich in vielen Fällen nicht genehmigt, steht dies im Widerspruch zum Kollektivvertrag, welcher den Winterlohnausgleich vorsieht.

STOL: Zeichnet sich eine Lösung ab?
Ploner: Wir arbeiten mit Branchenvertretern und der Politik seit 2 Jahren an einer Lösung mit dem NISF/INPS. Bis heute ist leider noch nichts weitergegangen. Es besteht aber Handlungsbedarf, weil ansonsten die Mitarbeiter ihre Vergütung verlieren, was wiederum den Personalmangel in bestimmten Baubereichen noch verstärkt. Es ist heute schon so, dass viele Betriebe den Winterlohnausgleich ihrer Mitarbeiter aus der eigenen Tasche bezahlen, selbst wenn dieser vom NISF/INPS abgelehnt wird; weil sie ansonsten befürchten, dass die Mitarbeiter sich eine andere Arbeit suchen. Eine tragbare, längerfristige Lösung ist das nicht, dass die Betriebe auf den Kosten sitzen bleiben.

Die Zinslast wollen und können viele aktuell nicht tragen.
Fritz Ploner, Berufsgruppe Bau im lvh


STOL: Die Baubranche hat einige fette Jahre hinter sich. Letzthin hat sich die Stimmung etwas eingetrübt, auch sind die Baugenehmigungen insgesamt zurückgegangen. Wie sind die Aussichten für die nächsten Monate?
Ploner: Noch sind viele Betriebe gut ausgelastet, aber es stimmt schon, dass wir eine Konsolidierung sehen. Der Tourismus und die öffentliche Hand, vor allem über den Wiederaufbaufonds PNRR, stützen mit ihren Investitionen den Bau, während es im privaten Wohnungsbau schlechter ausschaut. Fast zum Erliegen gekommen, ist der klassische Erstwohnungsmarkt. Das hat sicherlich in erster Linie mit den höheren Finanzierungskosten zu tun; die Zinslast wollen und können viele aktuell nicht tragen.

STOL: Leistbares Wohnen war ein zentrales Thema im Wahlkampf. Die Frage ist, wie man dieses Ziel erreichen will, wenn man gleichzeitig durch ein doch recht restriktives Urbanistikgesetz die Versiegelung neuer Flächen weitestgehend verhindert?
Ploner: Mehr Angebot führt zu tendenziell niedrigeren Preisen. Die Landesregierung verfolgt mit dem aktuellen Gesetz für Raum und Landschaft eher das Ziel, bestehende Substanz umzubauen. Grundsätzlich und im Sinne der Schonung von Ressourcen ist das sicher ein kluger Ansatz: Lieber Gebäude, die es schon gibt, energetisch zu sanieren und zu erweitern anstatt neu zu bauen. Ob es genügt, um das Wohnen in Südtirol leistbarer zu machen, steht auf einem anderen Blatt. Das wird man sehen müssen.

STOL: Was glauben Sie?
Ploner: Ich halte das eher für fraglich. Darüber hinaus gäbe es im Bereich Wohnen auch andernorts noch Nachbesserungsbedarf.

STOL: Wovon sprechen Sie?
Ploner: Von den Mitarbeiterunterkünften in den Gewerbegebieten. Aktuell ist es so, dass diese Mitarbeiterunterkünfte nur sehr eingeschränkt genutzt werden dürfen; und zwar für maximal 6 Monate. Angesichts des Personalmangels, wäre es höchst an der Zeit, mehr Flexibilität im Bereich der Mitarbeiterunterkünfte zuzulassen.


ZUR PERSON:

Fritz Ploner (35) führt in zweiter Generation das mittelständische Hochbauunternehmen Ploner Paul GmbH in Klobenstein am Ritten. Ploner übernahm kürzlich das Amt des Vorsitzenden der Berufsgruppe Bau im lvh von Markus Bernard. Die Stabübergabe stellt einen Generationswechsel an der Spitze der Vereinigung dar.

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