Freitag, 15. September 2023

Benno Neumair will Wiedergutmachung leisten: „Es ist der falsche Zeitpunkt“

Ein bitterer Tag für die Verteidigung von Benno Neumair: Das Berufungsschwurgericht an der Bozner Sektion des Oberlandesgerichtes hat alle Berufungsanträge abgelehnt – bis auf einen. Der Schriftsatz eines Gutachters wird als Beweismittel aufgenommen. Eine Verkürzung der lebenslangen Haftstrafe rückt damit in fast unerreichbare Ferne.

Die vorsitzende Richterin Silvia Monaco verlas die Entscheidung des Gerichts: Bis auf die Aufnahme eines Schriftsatzes als Beweismittel sind alle Berufungsanträge abgelehnt. - Foto: © DLife_DF

Von:
Katrin Niedermair
Zum Auftakt des Berufungsverfahrens waren weder Benno noch Madé Neumair erschienen. Von der Familie verfolgten einzig die Geschwister von Peter Neumair, Günther und Michaela, den Prozess in Bozen mit. (Das ausführliche Liveticker-Protokoll finden Sie hier.)

Von ihrem Neffen haben sie seit dem Urteilsspruch nichts mehr gehört, berichten sie. „Umso mehr hat die Familie verwundert, dass gestern Abend die Nachricht eingetroffen ist, Benno sei an einem Wiedergutmachungsverfahren interessiert“, sagte Carla Persellis Anwältin Elena Valenti.

Günther und Michaela Neumair bei der Verhandlung. - Foto: © DLife_DF



Der Wusch von Benno Neumair, im Rahmen der Wiedergutmachungsjustiz den Riss zwischen ihm und seiner Familie zu heilen, war denn auch die größte Überraschung des Prozesstages.

Im Video sehen Sie, was Neumairs Verteidiger Flavio Moccia dazu sagt:

„Es ist nicht der richtige Moment“

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Nebenkläger bemängelten den Zeitpunkt des Antrages – wenn auch gegen dessen Inhalt nichts einzuwenden sei. Madé Neumairs Anwalt Carlo Bertacchi etwa sagte, seine Mandantin habe noch gar keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. So bleibe ein fader Beigeschmack. „Madé hat ab dem Verschwinden der Eltern versucht, die Wahrheit von ihrem Bruder zu erfahren. Doch er hat nicht einmal in diesem Gerichtssaal auf die vielen offenen Fragen geantwortet.“

Die Anwälte der Nebenkläger: Carlo Bertacchi und Elena Valenti - Foto: © DLife_DF



Staatsanwältin Donatella Marchesini sagte, die Generalanwaltschaft habe nichts dagegen, dass Benno Neumair einen Täter-Opfer-Ausgleich anstrebe: „Allerdings sind wir dagegen, dass dadurch das Verfahren unterbrochen oder hinausgezögert wird.“

Generalanwältin Donatella Marchesini - Foto: © DLife_DF



Dieser Argumentation folgte auch das Gericht: Der aktuelle Zeitpunkt sei nicht der richtige, doch könne die Verteidigung perspektivisch wieder einen solchen Schritt setzen.

Die Einwände von Verteidiger Angelo Polo, dass nur die Opfer darüber befinden könnten, wann die Zeit für Versöhnung reif sei, und diese im Verfahren angehört werden könnten, ließ das Gericht nicht gelten.

Verteidiger Angelo Polo - Foto: © DLife_DF

„Warum wird der Mord an leiblichen Eltern schwerer bestraft als der an Adoptiveltern?“

Auch den Antrag, die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung, dass für einen Elternmord kein verkürztes Verfahren möglich ist, vor dem Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen, lehnten die Richter ab. Verteidiger Flavio Moccia hatte darauf hingewiesen, dass die derzeit geltende Bestimmung Mängel aufweise: „Wieso wird etwa der Mord eines Adoptivsohnes weniger streng geahndet als der Mord eines leiblichen?“

Verteidiger Flavio Moccia - Foto: © DLife_DF



Ein verkürztes Verfahren hätte das Strafmaß für Benno Neumair automatisch um ein Drittel reduziert.

Auch eine neue Magnetresonanz wird es nicht geben: Die Verteidigung hatte darauf gehofft, damit ihre These untermauern zu können, dass der Missbrauch leistungssteigernder Subtanzen Benno Neumairs Gehirn derart beschädigt haben könnte, dass dies Einfluss auf seine Impulskontrolle genommen haben könnte – und in weiterer Folge auch auf seine Zurechnungsfähigkeit.

Als einzigen von der Verteidigung vorgebrachten Punkt ließ das Berufungsschwurgericht zu, dass ein Schriftsatz eines Gutachters zur bereits angefertigten Magnetresonanz als Beweismittel aufgenommen wird.

Für die Verteidigung wird es angesichts dieser Entscheidungen schwierig, für ihren Mandanten eine Reduzierung des Strafmaßes zu erwirken. Am 27., 28. und 30. Oktober folgen die Plädoyers; das Urteil ergeht schon am 31. Oktober.

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