Samstag, 24. Februar 2024

Die Katharsis der Kirche: Deshalb ist Aufarbeitung so wichtig

„Wer von Schuld und von Vergebung predigt, der weiß auch, dass dafür Sühne nötig ist, also ernsthaftes Bereuen.“ Ein Kommentar von „Dolomiten“-Chef vom Dienst Klaus Innerhofer.

Klaus Innerhofer: „Wer seine Kinder in die Obhut der Kirche gibt, muss sie dort sicher wissen. Etwas anderes darf es nicht geben.“ - Foto: © ÖA / jaidermartina

Die Nachricht war nur wenige Zeilen lang, aber sie hatte es in sich. Eine Münchner Rechtsanwaltskanzlei kündigte diese Woche an, mit der Aufklärung von sexuellem Missbrauch in unserer Diözese beauftragt worden zu sein. Betroffene oder Zeitzeugen sollten sich melden (Hier lesen Sie mehr dazu).

Das Ganze ist Teil des Projekts „Mut zum Hinsehen“, das die Diözese im Vorjahr auf den Weg gebracht hat. Und einiges an Mut war wohl auch für die Kirchenoberen im Vorfeld nötig, dieses schmerzhafte Thema in Transparenz und Offenheit anzugehen. Denn am liebsten würden wir ja glauben, dass es so etwas bei uns nicht gibt und niemals gegeben hat. Im Ausland vielleicht, aber nicht in unseren Kirchen, in unseren Widumen, in unseren Zeltlagern.

Man müsse nicht alte Wunden aufreißen; damit sei niemandem geholfen. Dem würde ich widersprechen.
Klaus Innerhofer, Chef vom Dienst


Und dann gibt es jene, die vielleicht etwas mitbekommen haben, aber die Vergangenheit ruhen lassen wollen. Man müsse nicht alte Wunden aufreißen; damit sei niemandem geholfen. Dem würde ich widersprechen. Natürlich darf niemand gegen seinen Willen „geoutet“ werden. Und es mag auch Menschen geben, die den Missbrauch so weit verdrängt haben, dass sie nicht mehr daran erinnert werden wollen.

Aber bei den meisten verhält es sich wohl anders. Sie haben sich Jahre oder Jahrzehnte lang niemandem anvertrauen können, oder – noch schlimmer – ihnen wurden nicht geglaubt. Für diese Menschen kann es eine Befreiung sein, dass ihnen nun jemand zuhört, sie ernst nimmt, ihnen Glauben schenkt. Und vielleicht zu einer Verarbeitung des Erlebten beitragen kann.Das Aufklärungsprojekt der Diözese ist ein mutiger Schritt, aber auch ein notweniger. Denn sexueller Missbrauch von Kindern ist eines der schlimmsten Verbrechen überhaupt – mit Folgen, die bei den Betroffenen ein Leben lang nachwirken.

Wer seine Kinder in die Obhut der Kirche gibt, muss sie dort sicher wissen. Etwas anderes darf es nicht geben. Nie wieder.
Klaus Innerhofer, Chef vom Dienst


Doch es ist nicht nur der Respekt vor den Opfern, der ein Handeln der Kirche unumgänglich macht. Es geht auch um ihre Reputation und damit um nicht weniger als um ihre eigene Zukunft. Denn wer von Schuld und von Vergebung predigt, der weiß auch, dass dafür Sühne nötig ist, also ernsthaftes Bereuen. Die eklatant hohe Zahl von Missbrauchsfällen hinter Kirchenmauern rund um den Globus und ihre zum Teil systematische Vertuschung sind zwar sicher nicht der einzige Grund, weshalb viele Menschen der Institution Kirche den Rücken gekehrt haben.

Aber diese Fälle tragen dazu bei, dass die vielen guten Seiten der Kirche, ihr karitatives und spirituelles Wirken und ihr Verständnis als moralische Instanz in den Hintergrund rücken. Aufarbeitung ist schwierig und schmerzvoll, aber sie ist die Voraussetzung dafür, dass sich Missbrauch nicht wiederholt. Wer seine Kinder in die Obhut der Kirche gibt, muss sie dort sicher wissen. Etwas anderes darf es nicht geben. Nie wieder.

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stol

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