Donnerstag, 15. Februar 2024

Forschende vermessen 12.000 Galaxienhaufen

Es sind unglaubliche Zahlen, die eine Analyse von Daten des deutschen Teleskops „eRosita“ zu bieten hat: Die Himmelsdurchmusterungen brachten Hinweise auf insgesamt 12.247 Röntgengalaxienhaufen. Immerhin 8361 davon seien Neuentdeckungen, hieß es am Mittwoch seitens des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching. Die neuen Berechnungen, an denen auch Experten der Uni Innsbruck beteiligt waren, passen erstaunlich gut mit bisherigen Annahmen zusammen.

Karte auf Basis von Daten des Teleskops mit Fokus auf Virgo-Galaxiencluster. - Foto: © APA/MPE, J. Sanders / J. Sanders

„eRosita“ (extended Roentgen Survey with an Imaging Telescope Array) macht große Strukturen im All über das Detektieren von Röntgenstrahlung sichtbar. Im All befindet es sich seit 2019. Montiert ist es auf dem deutsch-russischen „Spektr-RG“-Satelliten. Ein Fokus bei den Beobachtungen mit dem Teleskop liegt auf Galaxienhaufen. Dies sind Strukturen ungeheuren Ausmaßes: Es handelt sich um „Cluster“, die aus Tausenden von einzelnen Galaxien bestehen, die durch Schwerkraft aneinander gebunden sind.

„Aus vorherigen Studien wussten wir, dass diese Galaxienhaufen existieren müssen“, so der am „eRosita“-Konsortium beteiligte Sebastian Grandis aus der Arbeitsgruppe um Tim Schrabback am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck in einer Aussendung. „Mit eRosita haben wir sie gezielt gesucht und gefunden. Entscheidend hierfür ist, dass das in den Galaxienhaufen vorhandene Plasma Röntgenstrahlen aussendet, weil dort unfassbar hohe Temperaturen herrschen – ungefähr 10 Millionen Grad Celsius.“

1300 „Superhaufensysteme“ im All

Die Information über die Strahlung kann man nutzen, um die Verteilung der Galaxiencluster und der rund 1300 „Superhaufensysteme“ im All zu ermitteln. Aus dieser Verteilung wiederum kann darauf geschlossen werden, wie sich das Universum seit dem Urknall ausdehnt. Diese Expansion wird maßgeblich durch die mysteriöse Dunkle Energie bestimmt.

DasWeltraumteleskop „eRosita“ - Foto: © MPE/Screenshot



Auch auf die Masse der oft mehrere Milliarden Lichtjahre entfernten Mega-Strukturen kann geschlossen werden, indem man den „Gravitationslinseneffekt“ ausnutzt. „Wir analysieren die Form von Galaxien, die sich hinter den Galaxienhaufen befinden. Diese erscheinen verzerrt, weil das Licht der Hintergrundgalaxien auf dem Weg zu uns von der Schwerkraft der Haufen abgelenkt wurde. Mit der Allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein können wir dann die Masse abschätzen, die diese Verzerrung verursacht hat. Dabei gilt: Je mehr Masse, desto stärker die Verzerrung“, so Grandis, der mit dem Tiroler Team einen Teil dieser Berechnungen anstellte, die sich auch auf Messdaten anderer Beobachtungen von internationalen Gruppen stützte.

Vom Urknall bis heute

Die Wissenschafter glichen die eRosita-Daten mit den Annahmen ab, die das Standardmodell der Kosmologie - das „Lambda Cold Dark Matter“-Modell - über die Beschaffenheit des Universums macht. Der Schluss aus den neuen Informationen, dass das Universum aus insgesamt 29 Prozent sichtbarer und dunkler Materie besteht, passe „in hervorragender Übereinstimmung mit Werten aus Messungen der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung aus der Frühzeit des Universums“ zusammen, heißt es seitens dem MPE. Diese erstaunliche Übereinstimmung zeige, „dass das gleiche kosmologische Modell von kurz nach dem Urknall bis heute gilt“, so die eRosita-Teamleiterin Esra Bulbul.

Für die überbleibenden 71 Prozent zeichnet dem Modell zufolge die von der Wissenschaft noch weitestgehend unverstandene „dunkle Energie“ verantwortlich. Diese hatte einst Albert Einstein als „kosmologische Konstante“ in das Modell integriert - und später wieder herausgenommen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass Einstein doch recht gehabt hat und es ein Fehler von ihm war, die kosmologische Konstante später zu verwerfen“, so Grandis.

„Stehen kurz vor einer neuen Entdeckung“

Nicht ganz mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie zusammen passen allerdings die nun aufgezeichneten Daten zu der Geschwindigkeit, mit denen riesigen Strukturen wachsen. Angesichts dieser Diskrepanz könnte man „kurz vor einer neuen Entdeckung stehen“, so MPE-Forscher Emmanuel Artis.

Neue Einsichten konnten auf Basis der Informationen des Teleskops auch über die winzigen Neutrinos gewonnen werden. Diese frei durch den Kosmos fliegenden Teilchen entziehen sich bisher weitestgehend der direkten Beobachtung durch die Wissenschaft. „In Kombination mit anderen Beobachtungsverfahren ermöglicht es unsere Analyse, die aktuell genausten Ergebnisse für den möglichen Massenbereich der Neutrinos abzuleiten“, so Grandis. Laut MPE-Angaben dürfte deren Gesamtmasse 0,22 Elektronenvolt nicht übersteigen.

Während sich das Konsortium von der weiteren Analyse des kompletten Datensatzes noch einige Einblicke ins All erhofft, schwebt über der Zukunft von eRosita ein Fragezeichen: Nachdem im Februar 2022 die Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos eingestellt wurde, befindet sich das Teleskop seither im „Safe Mode“, wie die Uni Innsbruck mitteilte. Daher reichen die Daten nur bis zum Jahr 2022

apa

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