Freitag, 6. Oktober 2023

Immer mehr Obdachlose: Sind wir für den Winter gerüstet?

„Früher lag es oft am Alkohol oder an Drogen, heute kommen Spielsucht oder fehlende soziale Verbindungen dazu“: Laut Paul Tschigg, Vorstandsmitglied von „housing first bozen EO“ gibt es in Europa immer mehr Obdachlose. Im vergangenen Dezember hat der Erfrierungstod eines jungen Ägypters in Bozen schockiert. Bald kommt der Winter wieder und mit ihm die Kälte. Sind wir besser vorbereitet? Die Meinungen dazu gehen auseinander.

Die Zahl der Obdachlosen in Europa steigt und sie werden auch immer jünger, sagt Paul Tschigg, Vorstandsmitglied des Vereins „housing first bozen EO“. - Foto: © shutterstock

Man wolle es in Zukunft besser machen, hieß es, nachdem vor knapp einem Jahr in Bozen Süd ein 20-Jähriger erfroren war.

„Ich weiß nicht, was die öffentliche Hand unternimmt, ob erneut das Ex-Alimarkt-Gebäude eröffnet wird. Dazu gibt es noch keine offiziellen Informationen“, sagt Paul Tschigg. Er engagiert sich bei „housing frist bozen EO“, also jenem privaten Verein, der seit knapp 3 Jahren in den Wintermonaten obdach- und wohnungslosen Menschen ein Nachtquartier in der Landeshauptstadt zur Verfügung stellt.

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Besser informiert ist Caritas-Direktorin Beatrix Mairhofer. „Schon seit Monaten laufen Bemühungen, die vom Land koordiniert werden, mit den Bezirksgemeinschaften und den Organisationen des Dritten Sektors, um sich vorzubereiten.“ Laut Mairhofer werden zum ersten Mal Schlafplätze von einer zentralen Stelle aus koordiniert. Und zwar von einem Infopoint in Bozen, ab dem 1. November. „Wenn irgendwo im Land ein Platz frei ist, und eine Person braucht einen Platz, wird er zentral vermittelt.“

Falls die Plätze nicht ausreichen, muss man schnell reagieren.
Beatrix Mairhofer


Allerdings, so die Caritas-Direktorin, handle es sich trotz der gezielteren Planung für diesen Winter um weniger zur Verfügung stehende Plätze als im Vorjahr. „Manche Institutionen bemühen sich noch um Plätze. Falls die Plätze nicht ausreichen, muss man schnell reagieren.“

Das bedeutet? „Im Kältenotstand ist angedacht, dass man schnell öffentliche Hallen verwenden kann“, erklärt Beatrix Mairhofer. Diese sollten nur kurzfristig genutzt werden. „Kältenotstand ist immer nur auf die Wintermonate beschränkt. Für die Obdachlosenunterbringung gibt es andere Strukturen im Land, die längerfristig Menschen unterbringen.“

In solchen Strukturen schlafen 90 Leute in einem Raum. Das sind keine menschenwürdigen Unterkünfte.
Paul Tschigg


Das fordert Paul Tschigg: ein klares Konzept. Reichen Notschlafstätten aus? „In solchen Strukturen schlafen 90 Leute in einem Raum. Das sind keine menschenwürdigen Unterkünfte.“ Es gehe nicht um Luxus, sondern um Würde und Privatsphäre. Es gehe nicht nur um ein warmes Bett, sondern auch um Sozialarbeit.

Das langfristige Denken fehle. „Sozialarbeit dauert lange, die Politik will schnelle Reaktionen haben“, sagt Tschigg. Notlösungen würden der Gesellschaft auch viel mehr kosten als langfristig angedachte Lösungen. Paul Tschigg plädiert für kleinere Strukturen, die 50 oder 20 Plätze bieten. „Es kann nicht zielführend sein, auf einen Todesfall zu warten, und erst dann eine Struktur zu öffnen. Oder in Turnhallen Obdachlose einzuquartieren.“

tek

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