Dienstag, 26. September 2023

Motorradunfälle: Carabinieri warnen vor „höherer Risikobereitschaft“

12 Tote aus Südtirol bzw. auf Südtirols Straßen allein heuer: Es vergeht fast kein Tag mehr ohne Motorradunfälle – hinzu kommt der beunruhigende Trend, dass viele Biker mit Helm- oder Körperkamera gezielt „ihre Grenzen überschreiten“, um mehr Reaktionen in den sozialen Medien hervorzurufen, weiß Hauptmann Federico Seracini, Kommandant der Carabinieri-Station von Neumarkt.

Die Carabinieri melden mehr Unfälle auf Südtirols Straßen als im Vorjahr – mit ein Grund dafür könnte die höhere Risikobereitschaft einiger Biker sein, die gefährliche s Verhalten im Verkehr filmen und ins Netz stellen.

Von:
Michele Manca
STOL: Sind mehr Menschen in Südtirol mit Motorrädern unterwegs und ist die Unfallgefahr dadurch gestiegen?
Hauptmann Federico Seracini: Südtirol ist seit immer ein beliebtes Ziel für Biker aus Italien, aber auch aus Nordeuropa. Tatsächlich haben wir heuer einen Anstieg der Unfallzahl verzeichnet – allerdings betrifft dieser sowohl Pkw als auch Motorräder. Sie sind nicht nur auf den Berg- und Passstraßen, sondern auch im Tal unterwegs. Das Problem ist nun aber, dass mit Helm- und Körperkamera die Risikobereitschaft der Motorradfahrer steigt.


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STOL: Wie meinen Sie das?
Seracini: Um mehr Reaktionen auf ihre Aufnahmen in den sozialen Medien zu erhalten, sind sie eher bereit, ein höheres Risiko auf der Straße einzugehen und ihre Grenzen zu überschreiten.


Es wäre gut, wenn alle Eltern darauf achten würden, dass ihre Kinder ihre Fahrzeuge nicht manipulieren.
Carabinieri-Hauptmann Federico Seracini



STOL: Wie wirkt sich die höhere Risikobereitschaft auf das Verhalten des Bikers aus?
Seracini: Gefährliche Überholmanöver und überhöhte Geschwindigkeit sind typische Beispiele für ein solches Verhalten. Darüber hinaus halten wir viele Jugendliche auf, die ihr Kleinmotorrad oder Motocross aufgemotzt haben. Viele davon können die Bestätigung der erfolgten Hauptuntersuchung des Fahrzeugs nicht vorweisen, weil sie ihr Motorrad manipuliert haben und die Hauptuntersuchung dadurch negativ ausfallen würde. Fängt man einmal an, am Motorrad zu basteln, gibt es kein Zurück mehr. Es wäre gut, wenn alle Eltern darauf achten würden, dass ihre Kinder ihre Fahrzeuge nicht manipulieren.

STOL: Einige finden aber einen Weg, um den Verkehrskontrollen der Ordnungshüter zu entgehen...
Seracini: Ja, etwa mittels WhatsApp- und Telegram-Gruppenchats, wo sie sich gegenseitig darüber informieren, wo kontrolliert wird. Dort organisieren einige sogar illegale Auto- und Motorradrennen. Das entgeht uns aber nicht – wir überwachen ständig diese Gruppen. Schon allein fürs Organisieren eines solchen Rennens gibt es saftige Strafen.

Kontrollen auf Berg- und Passstraßen (im Bild der Mendelpass) sind ein wichtiger Aufgabenbereich der Südtiroler Carabinieri-Motorradstaffel.



STOL: Die Carabinieri haben bei den Motorradstaffeln Ausrüstung und Personal aufgestockt – warum gibt es diese Notwendigkeit?
Seracini: Hier in Neumarkt haben wir heuer erstmals eine Motorradstaffel. Im Überetsch und im Unterland fahren wir damit das ganze Jahr über, nicht nur im Sommer, um Kontrollen an den Pässen durchzuführen. Ein weiterer Vorteil ist, dass man leichter durchkommt bei dichtem Verkehr und damit auch schneller nicht nur als Ordnungshüter, sondern auch als Rettungskraft vor Ort sein kann. Darüber hinaus verfügt ein Motorrad der Carabinieri über alle Instrumente, die man in den Streifenwagen auch vorfindet: Tablets für den Zugriff auf die Datenbank und Bezahlterminals (Gerät zur bargeldlosen Zahlung mittels Bank- oder Kreditkarten, Anm. d. Red.) für die sofortige Zahlung von Geldstrafen. Und die Benützung des Handys am Steuer kann man vom Motorrad aus auch genauer kontrollieren.


Sorgen auch bei Großveranstaltungen für Sicherheit: Die Carabinieri-Motorradstafffel von Neumarkt bei der Benefizwanderung „Run for life“.



STOL: Wie verläuft ein typischer Tag bei der Carabinieri-Motorradstaffel in Neumarkt?
Seracini: In der Früh zieht der Carabinieri-Motorradfahrer seine Uniform an, die sich stark von allen anderen Carabinieri-Uniformen unterscheidet, schon allein wegen der Polsterung der Rücken-, Knie- und Ellenbogenprotektoren. Bevor sie die Carabinieri-Station auf ihren Motorrädern verlassen, putzen sie ihre Maschinen – es ist eine Tradition für sie, auf jedes Detail zu achten und die Motorräder penibel sauber zu halten. Sie führen im Laufe des Tages Kontrollen am Mendel- und San-Lugano-Pass, auch die Gegend rund um den Kalterer See ist aber wir sorgen auch für Sicherheit bei Großveranstaltungen, wie kürzlich beim „Run for Life“ (Benefizwanderung im Unterland, Anm. d. Red.). Schließlich beteiligt sich die Carabinieri-Motorradstaffel auch an Sensibilisierung- und Präventionskampagnen am Safety Park und in den Schulen.


Für den guten Zweck vor Ort: Die Carabinieri bei einer Veranstaltung des Blutspendervereins AVIS im Safety Park in Pfatten.



STOL: Wie reagieren die Biker auf die Kontrollen der Carabinieri-Motorradstaffel, aber auch nur auf ihren Anblick?
Seracini: In einzelnen Fällen, besonders dann, wenn sie während der Kontrolle die Aufnahme ihrer Kameras nicht stoppen, sind sie polemisch – aber nicht aggressiv. Ansonsten hat man das Gefühl, auch als Beamter auf dem Motorrad in die Gemeinschaft der Biker wohlwollend aufgenommen worden zu sein. Beim Vorbeifahren machen die meisten Biker – sowohl Italiener als auch Urlauber aus dem Ausland – eine freundliche Geste zum Gruß.

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