Sonntag, 14. Januar 2024

Autorin Nadia Rungger: „Ich muss schreiben“

25 Jahre jung und schon erfolgreiche Schriftstellerin: Nadia Rungger aus Gröden hat kürzlich für ihre Erzählung „Neues“ den renommierten Irseer Pegasus erhalten – einen mit 1000 Euro dotierten Literaturpreis. Es ist nicht ihr erster prämierter Text; aber ein weiterer Schritt auf dem Weg hin zu einer Karriere im Literaturbetrieb.

Nadia Rungger sagt: „Poesie ist etwas Starkes, das von innen kommt. Das mit anderen Menschen zu teilen und zu spüren, dass es etwas in ihnen auslöst, das gibt eine große, tiefe Freude.“ - Foto: © Mayk Wendt

STOL: Aus über 200 Bewerbern haben Sie für Ihre Erzählung „Neues“ den Irseer Pegasus erhalten: Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet der Preis für Sie?
Nadia Rungger: Der Preis ist etwas sehr Besonderes, eine Ehre und Freude. Eine Bewerbung für den Irseer Pegasus kann man nur einsenden, wenn man bereits vorher publiziert hat, deshalb ist er so bedeutend. Es gab heuer über 200 Teilnehmer, eine Rekordzahl zur 26. Ausgabe: Alle diese Autoren sind aktiv und erfolgreich in ihrem Schreiben.

STOL: Die 12 Finalisten werden für ein Wochenende nach Irsee im Allgäu eingeladen. Wie haben Sie den Austausch mit den Kollegen dort erlebt?
Rungger: Mit der Bewerbung reicht man einen unveröffentlichten Text ein – Prosa oder Lyrik. Allein die Einladung nach Irsee ist eine Auszeichnung. Bei den Workshops haben wir Autoren nacheinander unsere Texte vorgetragen. Anschließend haben Teilnehmer und Jury über diese diskutiert: Das hat viel Konzentration erfordert. Es war eine sehr schöne Atmosphäre. Erfahrene Autoren schauen auf die Texte ihrer Kollegen, schildern ihre Eindrücke. Es war ein spontanes Reagieren auf Literatur und sehr spannend

Wenn man wie ich das Schreiben in sich spürt, spürt, dass man schreiben muss, ist es nicht immer leicht. Ich hatte große Zweifel und war sehr sensibel. Diese Zweifel habe ich als Schwäche wahrgenommen, bis ich gespürt habe, dass sie mit der Grund dafür sind, dass ich schreibe.
Nadia Rungger, Autorin


STOL: Sie haben für die Erzählung „Neues“ den Jurypreis bekommen. In der Laudatio heißt es: „Die kurze Erzählung präsentiert in klarer, knapper, nahezu kühler Sprache und bildhaften Szenen den Alltag einer alten Frau, die mit ihrem Enkelkind zusammenlebt. Aber worum es in diesem Text eigentlich geht, darüber herrschte bemerkenswerte Uneinigkeit.“ Können Sie aufklären?
Rungger: Es war für mich ein besonderes Gefühl, bei der Diskussion der Autoren über meinen Text dabei zu sein. Es war spannend zu hören, was die anderen im Text sehen. Die Rückmeldungen waren sehr unterschiedlich: Manche haben Unbehagen empfunden, Abhängigkeit oder Zärtlichkeit gesehen, aber auch eine Beschreibung von Glück, die ja grundsätzlich sehr schwierig ist… Dass es dem Text offenbar gelingt, verschiedene Räume zu öffnen, das habe ich als großes Kompliment empfunden.

STOL: Worum geht es in dem Text für Sie?
Rungger: Mein Schreiben ist sehr spontan. In Intuition liegt eine große Stärke. Ich muss meine Gedichte selbst nach dem Schreiben erst lesen, um mich ihnen anzunähern. So war es auch bei diesem Text. Ich habe ihn oft bei mir getragen und ihn immer wieder durchgelesen, um ihn zu verstehen. Ich hatte einen regelrechten Drang dazu. Er hat mich sehr beschäftigt. Die Diskussion in Irsee hat gezeigt: Verstehen ist nichts, was man einfach so drüberstülpt.

STOL: Was ist für Sie ein guter Text?
Rungger: Für mich besteht die Stärke von Texten in einer gewissen Ambivalenz – etwa, wenn ein Text gleichzeitig traurig machen und trösten kann. Gleichzeitig mag ich Einfachheit und zurückhaltende Sprache, ohne Effekte und Kapriolen. Schließlich erzählt ein Text eine Geschichte.

STOL: Was ist die Geschichte von „Neues“?
Rungger: Ich möchte nicht zu viel verraten, weil der Text noch nicht veröffentlicht ist. Es geht um 2 Frauen, verschiedene Generationen, ihren Alltag und ihre Lebensräume.

STOL: Planen Sie, die Erzählung zu veröffentlichen?
Rungger: Es ist alles noch sehr frisch,konkrete Pläne gibt es noch nicht, aber ich wünsche mir, dass der Text veröffentlicht wird. Solange er unveröffentlicht ist, hat er für Zeitschriften oder Verlage einen größeren Wert. Ich hoffe, ich finde für ihn ein schönes Zuhause, damit ihn auch andere lesen können.

STOL: Damit kommen wir zur geschäftlichen Seite des Autorendaseins. Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen Text veröffentlichen möchten?
Rungger: Mein erstes Buch mit Erzählungen und Gedichten ist 2020 erschienen: „Das Blatt mit den Lösungen“. Viele der Texte im Buch hatte ich vorher bereits bei Wettbewerben eingereicht und auch Preise dafür erhalten. Inzwischen werde ich von den Herausgebern von Literaturzeitschriften gefragt – etwa von den „Lichtungen“ in Graz –, ob ich Texte habe, die ich einsenden könnte. Aktuell arbeite ich an einem neuen Lyrikband: Ich habe viele Gedichte beisammen, die ich zu einem Manuskript zusammenfüge.

STOL: ...und dieses bieten Sie dann mehreren Verlagen an?
Rungger: Für Autoren steht das Schreiben an erster Stelle, aber es gehört auch dazu, sich Verlage zurechtzulegen, bei denen man seine Manuskripte einreichen kann. Dann gilt es zu sehen, welche Türen sich öffnen. Literatur beschränkt sich aber nicht auf Bücher allein: Ich nehme auch an Ausstellungen teil. In Lajen gibt es zum Beispiel die Initiative „Kunst im Gange“: Dort steht ein Werk von mir. Für die Ausstellung habe ich meine Gedichte direkt an die Wand geklebt. Solche Installationen mag ich: Man kann dem Gedicht anders begegnet, wenn man beim Lesen aufrecht stehen kann. Literatur wird so Teil des Alltags der Menschen. Es ist sehr schön, wenn Menschen mir dann wertschätzende Rückmeldungen zu meinen Texten geben. Letztens habe ich in Gröden eine Lesung veranstaltet. Der Saal war voll: Leute, die meine Poesie schätzen, gern zuhören und den Schritt auf meine Poesie zu tun. Es ist wirklich bereichernd, wenn ein solcher Austausch stattfinden kann.

STOL: Könnten Sie es sich vorstellen, hauptberuflich Autorin zu sein?
Rungger: Im Moment studiere ich noch – angewandte Linguistik in Brixen. Ich habe viele Projekte. Zum Beispiel schreibe ich für das Stadttheater Bruneck ein Theaterstück. Ich wurde auch zur Ausstellung „Frauenfeste“ in der Franzensfeste eingeladen. Das nimmt im Moment viel Raum ein.

STOL: War es immer schon Ihr Wunsch, in die Literaturwelt einzutauchen?
Rungger: Ja, es hat sich früh herauskristallisiert. Mit 14 habe ich meinen ersten ladinischen Literaturpreis gewonnen, mit 17 dann einen in Österreich. Schritt für Schritt habe ich gespürt, dass es mich in diese Richtung zieht. Ich muss schreiben. Ich muss mich der Welt schreibend annähern. Dabei ist es aber nicht so, dass meine Texte jetzt gut wären und es früher nicht waren. Ich bin oft selbst verblüfft, wenn ich meine eigenen Jugendtexte lese.

STOL: Sie kommen aus Gröden, ein Kunst-Hotspot: Welche Rolle spielt dieser Hintergrund für Ihr Schreiben?
Rungger: Man spürt, dass man umgeben ist von Menschen, die Kunst schätzen. Auch in meiner Familie spielt sie eine Rolle. Mein Vater Klaus Rungger zeichnet, meine Schwester Linda singt und spielt Klavier. Wir hatten auch gemeinsame Veranstaltungen. Ich schätze den Austausch mit bildender Kunst sehr, er ist fruchtbar. Ich spreche zum Beispiel auch mit meinem Vater darüber: Zeichnen und schreiben sind verschiedene Möglichkeiten sich auszurücken, aber der Prozess ist ähnlich.

STOL: Was würden Sie jungen Menschen raten, die dieses Interview vielleicht lesen und selbst schon das eine oder andere Gedicht im Tagebuch oder Block haben?
Rungger: Schreiben. Ich habe im Nachwort zu meinem ersten Buch mehreren Menschen gedankt – zuletzt auch meinem früheren Selbst dafür, dass es den ersten Schritt gemacht hat, ohne zu wissen, dass er hierher führen würde: ein schönes gebundenes Buch in der Hand zu halten, in dem meine Texte stehen. Solche Dinge nimmt man oft nicht bewusst wahr. Wenn man wie ich das Schreiben in sich spürt, spürt, dass man schreiben muss, ist es nicht immer leicht. Ich hatte große Zweifel und war sehr sensibel. Diese Zweifel habe ich als Schwäche wahrgenommen, bis ich gespürt habe, dass sie mit der Grund dafür sind, dass ich schreibe. Poesie ist etwas Starkes, das von innen kommt. Das mit anderen Menschen zu teilen und zu spüren, dass es etwas in ihnen auslöst, das gibt eine große, tiefe Freude.

Zur Person:

Nadia Rungger, geboren 1998, lebt in Gröden. Ihr Debut „Das Blatt mit den Lösungen. Erzählungen und Gedichte“ (Verlag A. Weger) erschien 2020. Sie hat mehrere Auszeichnungen für deutsch- und ladinischsprachige Prosa und Lyrik erhalten. Nach dem Germanistikstudium in Graz studiert sie Angewandte Linguistik in Brixen.



kn

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