Sonntag, 10. September 2023

Sabine Gruber: „Ich schreibe nicht, um etwas aufzuarbeiten“

Im 2. Monat in Folge steht der neue Roman von Sabine Gruber „Die Dauer der Liebe“ (Verlag C.H. Beck) an 1. Stelle der ORF-Bestenliste von literarischen Neuerscheinungen. Es ist das 10. Buch und der 6. Roman der Schriftstellerin und Lyrikerin aus Lana. 2022 erschien der Gedichtband „Am besten lebe ich ausgedacht“ im Haymon Verlag.

„,Die Dauer der Liebe‘ ist kein autobiographischer Roman, auch wenn ich mit der Figur Renata, einer Übersetzerin aus Bozen, die Erfahrung der Trauer teile“, sagt Autorin Sabine Gruber. - Foto: © hauswirth

Von Edith Runer

STOL: Ihr Buch „Die Dauer der Liebe“ war im August und ist im September an 1. Stelle auf der ORF-Bestenliste. Überrascht?
Sabine Gruber: Ja, dieses Mal war ich überrascht, vor allem, weil derzeit so viele großartige Bücher erscheinen und ich nicht gedacht hätte, dass mein Roman nach August noch ein zweites Mal auf dem ersten Platz landen würde. Ich freue mich natürlich, es gibt dem Buch mehr Aufmerksamkeit.

STOL Wie stehen Sie generell zu Bestseller- oder Bestenlisten?
Gruber: Ich persönlich kaufe Bücher nicht nach solchen Listen, aber sie können eine Orientierungshilfe bei der Wahl von Büchern sein.

Es ist ein Buch, das eine Sprache für den schmerzhaften Verlust eines geliebten Menschen zu finden versucht.
Sabine Gruber


STOL: Worum geht es im Roman?
Gruber: Kurz zusammengefasst: Eine Frau verliert plötzlich ihren Lebenspartner, muss mit einer völlig veränderten Lebenssituation zurechtkommen. Sie war mit einem Tiroler Architekten zusammen, der sich unter anderem mit Mussolinis Retortenstädte beschäftigt hatte. Da das Paar nicht verheiratet war und das Testament einen Formfehler aufweist, wird Renata das Erbe entzogen. Sie kann ihren Mann auch nicht dort begraben, wo er sich seine letzte Ruhestätte gewünscht hatte. Außerdem stößt Renata im Laufe der Zeit auf Hinweise, die nahelegen, dass der Mann wohl Geheimnisse vor ihr hatte... Es ist ein Buch, das eine Sprache für den schmerzhaften Verlust eines geliebten Menschen zu finden versucht.

STOL: Sie selbst haben 2016 mit dem Tod des Künstlers Karl-Heinz Ströhle Ihren Lebenspartner verloren. Ist das Buch in gewissen Teilen ein autobiografischer Roman?
Gruber: „Die Dauer der Liebe“ ist kein autobiographischer Roman, auch wenn ich mit der Figur Renata, einer Übersetzerin aus Bozen, die Erfahrung der Trauer teile. Ein Roman besteht zu großen Teilen aus Erfundenem. Man sollte sich nicht dazu verleiten lassen, Autorin und Figur gleichzusetzen, was nicht heißt, dass die Figur nicht manchmal die eine oder andere Ähnlichkeit mit der Autorin aufweisen kann.

Schreiben lässt sich nur schwer in Zeit bemessen.
Sabine Gruber


STOL: Man könnte das Buch trotzdem als Aufarbeitung des Geschehenen sehen …
Gruber: Nein, ich schreibe nicht, um etwas aufzuarbeiten. Ich beginne erst zu schreiben, wenn etwas aufgearbeitet ist, wenn genug Distanz da ist. Erst dann lässt sich der Stoff gestalten. „Die Dauer der Liebe“ ist kein Selbsterfahrungstext, es ist ein fiktiver Roman.

STOL: Wie lange haben Sie an diesem Buch gearbeitet?
Gruber: Schreiben lässt sich nur schwer in Zeit bemessen. Wenn ich am Roman schreibe, sitze ich jeden Tag am Schreibtisch, aber die Arbeit einer Schriftstellerin besteht auch aus vielen anderen Tätigkeiten, zum Beispiel aus Lesereisen, Vorträgen, dem Verfassen von Reden, von Poetik-Vorlesungen und vielem mehr.

STOL: Wie kann man sich das Schreiben eines Romans vorstellen? Wie und wo entstehen die Ideen dazu?
Gruber: Ich konnte auf viele Notizen zurückgreifen, weil ich mich immer schon mit dem Thema Tod und Trauer beschäftigt habe. Anfangs habe ich mich eingelesen, habe mir Bücher von anderen Schriftstellerinnen besorgt, um zu sehen, wie sie diesen Stoff umgesetzt haben. Und ich arbeite ja stets mit Figuren früherer Romane. So taucht in „Die Dauer der Liebe“ Bruno Daldossi wieder auf, der Kriegsfotograf vom vorletzten Roman. Er wird zu Renatas Stütze.

Man kann mit wenigen Sätzen einen psychischen Ausnahmezustand beschreiben, ohne ihn als solchen zu benennen.
Sabine Gruber


STOL: Im Roman fallen die „bilderbetonte“ Sprache und die kurzen Sätze auf. Man hat das Gefühl, man sehe eher einen Film, als man lese ein Buch. War das Ihre Absicht?
Gruber: Ich komme von der Lyrik, das lässt sich nicht leugnen. Ich schreibe eher lakonisch, reduziere mich auf das Wesentliche. Man kann mit wenigen Sätzen einen psychischen Ausnahmezustand beschreiben, ohne ihn als solchen zu benennen. Ich habe zum Beispiel versucht, die Trauer und die Verzweiflung der Hauptfigur durch ihr Verhalten und ihre Beobachtungen erfahrbar zu machen, nicht durch das Zurschaustellen von Gefühlen. Ein eindringlicher Text lässt der Leserin und dem Leser Platz für eigene Gedanken, er erklärt nicht.

STOL: Pflegen Sie nach fast 30 Jahren in Österreich noch eine Beziehung zu Südtirol?
Gruber: Ich lebe seit 1992 in Wien, bin also schon fast eine Wienerin geworden, besuche aber immer wieder meine Familie und meine Freunde und Freundinnen in Südtirol.

Alle STOL-Sonntags-Gespräche finden Sie hier im Überblick.



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