<b>STOL: Herr Unterthiner, wie sehr macht die Trockenheit den Bäumen zu schaffen?</b><BR />Günther Unterthiner: Mit den hohen Temperaturen und der Trockenheit entstehen gleich 2 Probleme: Bei den Bäumen setzt der Trockenstress ein, der sie an ihre Grenzen bringt und der Borkenkäfer breitet sich aus. <BR /><BR /><b>STOL: Wo ist es besonders kritisch?</b><BR />Unterthiner: Das Oberpustertal und das Gadertal sind vor allem vom Borkenkäfer betroffen, aber mittlerweile gibt es auch im übrigen Land kleinere Herde. Man sieht dort jetzt kleine, braune Nester, die den Borkenkäfern gehören. Sie werden sich im Laufe der nächsten Wochen und Monate sehr wahrscheinlich noch weiter ausbreiten. In ganz Südtirol werden wir dann mit dem Borkenkäfer zu kämpfen haben. Er befällt jetzt schon Fichten, Kiefern, Zirben und Lärchen.<BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="793037_image" /></div> <BR /><BR /><b>STOL: Dass die Bäume unter der Trockenheit leiden, sieht man vor allem an den Laubbäumen. Die Blätter werden braun. Bei den Nadelbäumen sieht man es als Laie weniger. Woran merkt man, dass es einem Nadelbaum schlecht geht?</b><BR />Unterthiner: Auch bei den Nadelbäumen kann man die Welke in der Krone sehen. Von dort ziehen sich die welken Stellen hinunter, bis der Baum komplett abstirbt. Ein ähnliches Phänomen gibt es auch bei den Laubbäumen. Wenn es besonders trocken ist, werfen sie die Blätter ab, um Energie zu sparen. Das wichtige Chlorophyll wird aus den Blättern zurück in den Stamm gezogen. Dadurch verfärben sich die Blätter und fallen ab. Wenn die Bedingungen wieder stimmen, können Bäume noch einmal austreiben. In Umkreis von Bozen kann man dieses Phänomen beobachten. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="793040_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Und was passiert bei den Nadelbäumen, wenn es zu trocken ist?</b><BR />Unterthiner: Hier ist es schwieriger. Die Nadeln bleiben mehrere Jahre auf dem Baum, außer bei der Lärche, die ihre Nadeln bekannterweise jedes Jahr abwirft. Alle anderen Nadelbäume werfen nicht plötzlich ihre Nadeln zu Boden – diese Strategie haben nur Laubbäume. Nadelbäume versuchen aber ihren Energieverbrauch trotzdem zu reduzieren, wie sie es auch im Winter machen. Ein wenig Fotosynthese betreiben sie aber trotzdem, und wenn kein Wasser nachkommt, kommen sie in den Trockenstress und sterben ab. <BR /><BR /><BR /><embed id="dtext86-55349298_quote" /><BR /><BR /><BR /><b>STOL: Wie viele Bäume, glauben Sie, werden jetzt absterben?</b><BR />Unterthiner: Das ist schwer zu sagen, weil wir einerseits das Phänomen des Trockenstresses haben und anderseits den Borkenkäferbefall. Das Zusammenspiel ist für die Waldbestände fatal. Die Bäume sind gestresst und damit besonders anfällig für den Borkenkäfer. Der Borkenkäfer breitet sich rasant aus. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="793043_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Was macht den Borkenkäfer so gefährlich?</b><BR />Unterthiner: Der Borkenkäfer gehört zu einem gesunden Ökosystem dazu. Durch das Sturmereignis „Vaia“ und die großen Schneemengen in den darauffolgenden Jahren liegt viel Holz auf dem Boden. Das ist ein gefundenes Fressen für Borkenkäfer und sie haben sich dadurch rasant vermehrt. Die hohen Temperaturen heuer sind ideal, damit sie sich noch schneller vermehren. Der Borkenkäfer setzt sich bei den Bäumen unmittelbar unter der Borke, also im Außenbereich der Rinde, fest. Hier liegen die Transportwege der Energie des Baumes. Der Borkenkäfer unterbricht sie und der Baum stirbt ab. Ein gesunder Baum könnte sich besser gegen solche Angriffe wehren. Wenn die Anzahl der Borkenkäfer aber zu groß ist, können nicht einmal gesunde Bäume sich wehren. <BR /><BR /><BR /><div class="img-embed"><embed id="793046_image" /></div> <BR /><BR /><BR /><b>STOL: Was passiert dann? Was ist das Worst-Case-Szenario?</b><BR />Unterthiner: Am meisten Sorgen mache ich mir um die Schutzwaldbestände. Das sind die Wälder, die uns vor Steinschlag, Lawinen, Muren und Wasser schützen. Wenn diese Bestände massiv befallen werden, fällt diese Schutzwirkung relativ schnell weg. Wir müssen dann mit technischen Verbauungen eingreifen.<BR /><BR /><b>STOL: Was muss jetzt passieren, damit das nicht eintritt?</b><BR />Unterthiner: Es hat sich jetzt, Gott sei Dank, schon was getan: Die Hitzewelle ist vorerst vorbei. Wir hätten aber heuer einen kühlen und nassen Sommer gebraucht. Es muss jetzt unbedingt regnen und kühler werden.