Samstag, 16. März 2024

„Alles ist schon entschieden“: Resignierte Wähler in Russland

Die 23-jährige Ballerina Nadeschda votiert in Russland, weil ihr Arbeitgeber sie dazu aufgefordert hat – die 78-jährige Pensionistin Alexandra ist froh, dass sie Wiederwahl Putins „noch erleben darf“. Kremlchef Putin lässt sich derzeit in seinem Amt bestätigen.

Die Russen sind zu den Urnen gerufen. - Foto: © APA/afp / NATALIA KOLESNIKOVA

Die 23-jährige Ballerina Nadeschda ist Erstwählerin, doch von ihrer Stimmabgabe bei der Präsidentenwahl in Russland erhofft sie sich kaum etwas. „Die Tatsache, dass ich hier bin, wird nichts ändern“, sagt Nadeschda. Sie sei der „ernsten“ Aufforderung ihres Arbeitgebers gefolgt, an der Wahl teilzunehmen.

„Wenn ich nicht zur Wahl gegangen wäre, hätte es für mich Probleme gegeben“, sagt Nadeschda beim Verlassen der Wahlkabine im Moskauer Standesamt Meschtschanski.

Ein Wahlhelfer hatte die 23-Jährige zur Wahlkabine begleitet und ihr erklärt, wie die Wahlmaschine funktioniert, bevor er ein paar Schritte zurücktrat. „Ich habe die offensichtliche Option gewählt“, sagt Nadeschda.

Wie die meisten Russen rechnet sie damit, dass Präsident Wladimir Putin bei der dreitägigen Wahl, die bis Sonntagabend dauert, im Amt bestätigt wird. „Um mich herum sind wir alle an die Vorstellung gewöhnt, dass alles schon für uns entschieden ist und wir nichts dagegen tun können“, sagt Nadeschda, die ihren Nachnamen nicht nennen will. „Es ist alles irgendwie unecht.“

3 unbedeutende Konkurrenten

Bei der Wahl konkurriert Putin mit 3 unbedeutenden Kandidaten, die sich der russischen Offensive in der Ukraine nicht entgegenstellen. Alle bedeutenden Kritiker des Kreml-Chefs sind entweder tot, inhaftiert oder im Exil – wodurch Putins Wiederwahl nahezu sicher ist.

Moskau verwahrt sich gegen die internationale Kritik an der Wahl und hat nach Behördenangaben mehr als 300.000 Wahlbeobachter zugelassen, die jedoch als Kreml-freundlich gelten. Einer von ihnen ist der kasachische Diplomat Faisrachman Kassenow. „Die Wahl eines russischen Präsidenten ist eines der wichtigsten Ereignisse im politischen Leben Russlands“, sagt er. Putin habe „große, grandiose Pläne für Russland“. Kassenow beteuert, er habe im Meschtschanski-Wahllokal keine Verstöße festgestellt.

„Er ist der beste Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg“

In einer nahe gelegenen Schule hatten in der Früh Dutzende Menschen, die meisten von ihnen Pensionisten, auf die Öffnung ihres Wahllokals gewartet. Viele von ihnen unterstützen Putin. „Er ist der beste Präsident, den wir seit dem Zweiten Weltkrieg hatten. Er ist unser Präsident“, sagt der 77-jährige Valentin. Er macht den Westen für den Ukraine-Konflikt verantwortlich und beklagt „Provokationen“ gegen Russland. Europa wolle „ständig Krieg führen“, sagt der Pensionist.

Russland leidet wegen der vor mehr als 2 Jahren begonnenen Militäroffensive in der Ukraine unter massiven westlichen Sanktionen. Der Kreml behauptet, die Gesellschaft stehe voll und ganz hinter der Offensive, und geht massiv gegen Kritiker des Einsatzes vor.

„Vandalismus“ im Wahllokal

Trotz der Warnungen der Behörden vor Strafen für Protestierende wurden den Behörden zufolge am ersten Wahltag rund ein Dutzend Menschen wegen „Vandalismus“ in Wahllokalen festgenommen.

Im Standesamt Meschtschanski bleibt aber alles ruhig. Die Pensionistin Alexandra Sawina begrüßt die voraussichtliche Wiederwahl Putins. Sie verteidigt seine Entscheidung zur Entsendung russischer Soldaten und beklagt ebenfalls angebliche Versuche des Westens, „Russland zu schwächen“.

Kritik übt sie stattdessen an Äußerungen wie die des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich für eine unbegrenzte Unterstützung Kiews ausgesprochen hat, was im russischen Staatsfernsehen intensiv diskutiert wurde. „Ich schaue alle Informationskanäle“, sagt Sawina. Putin ist im russischen Fernsehen omnipräsent, täglich werden Regierungssitzungen live übertragen. Sie sei „froh, dass ich seine Wiederwahl noch erleben darf“, erklärt die 78-Jährige.

Ein Wahlsieg würde es Putin ermöglichen, bis 2030 zu regieren. Er wäre damit länger an der Macht als jeder russische Staatenlenker seit Katharina der Großen im 18. Jahrhundert.

apa

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