Freitag, 22. September 2023

Armenien und Aserbaidschan erheben schwere Vorwürfe

Nach der Eroberung der mehrheitlich von Armeniern bewohnten Region Berg-Karabach durch Aserbaidschan haben die beiden Länder einander vor dem UNO-Sicherheitsrat schwere Vorwürfe gemacht. Während Armenien von „ethnischen Säuberungen“ durch die Truppen sprach, bezeichnete Aserbaidschan sein Vorgehen am Donnerstag vor dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen als „Anti-Terror-Maßnahme“. Die Vereinten Nationen mahnten unterdessen zu einem „echten Dialog“.

Armenischer Außenminister Ararat Mirzoyan erhebt schwere Vorwürfe. - Foto: © APA/AFP / BRYAN R. SMITH

Das autoritär geführte Aserbaidschan hatte die auf seinem Staatsgebiet gelegene Region Berg-Karabach seit Dienstag früh mit Raketen und Artillerie angegriffen, um sie zu erobern. Am Mittwoch gaben die militärisch unterlegenen Armenier auf. Viele von ihnen befürchten nun, aus ihrer Heimat vertrieben oder - wenn sie bleiben - zum Ziel aserbaidschanischer Gewalt zu werden. Durch die Kämpfe der vergangenen Tage wurden laut armenischen Medien mindestens 200 Menschen getötet und mehr als 400 verletzt.

Der armenische Außenminister Ararat Mirzoyan warf der Regierung in Baku vor: „Die Intensität und Grausamkeit der Offensive macht deutlich, dass die Absicht darin besteht, die ethnische Säuberung der armenischen Bevölkerung von Berg-Karabach abzuschließen.“ Laut Mirzoyan wurden mehr als 10.000 Menschen gewaltsam vertrieben, darunter Frauen, Kinder und ältere Menschen, die ohne Nahrung und andere Lebensmittel im Freien leben müssten. Tausende Familien seien auseinandergerissen worden.

Die Lage sei seit längerem alarmierend gewesen. Die internationale Gemeinschaft habe sich aber geweigert, die Alarmzeichen ernst genug zu nehmen, beklagte der armenische Minister. Der UNO-Sicherheitsrat habe in der Vergangenheit nicht angemessen reagiert. „Die Rechte und die Sicherheit des armenischen Volkes von Berg-Karabach müssen angemessen berücksichtigt und international garantiert werden.“

Aserbaidschans Außenminister Jeyhun Bayramov hielt dagegen: „Was Armenien der internationalen Gemeinschaft als Angriff auf friedliche Bewohner der Region Karabach in Aserbaidschan darzustellen versucht, sind in Wirklichkeit Anti-Terror-Maßnahmen Aserbaidschans“, sagte er. Es gebe Tausende Einheiten Armeniens in der Region. Diese seien mit schweren Waffen wie Panzern und anderen gepanzerten Fahrzeugen, Artilleriegeschützen, Mehrfachraketenwerfern, Mörsern sowie elektromagnetischen Waffen ausgestattet.

Diese Truppen hätten die Streitkräfte Aserbaidschans immer wieder beschossen, ihre Kampfstellungen befestigt sowie Schützengräben und Militärunterkünfte gebaut, sagte der Außenminister weiter. In der Folge sei es zum Angriff auf diese gekommen, wobei innerhalb von 24 Stunden mehr als 90 Außenposten, 20 Kampffahrzeuge, 40 Artilleriegeschütze, 30 Mörser und zwei Flugabwehrraketensysteme zerstört worden seien. Armenien allein trage die Verantwortung für die Vorfälle.

Baerbock verlangt Deeskalation

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock verlangte eine Deeskalation: „Was die Menschen in der Region brauchen, ist ein dauerhafter Frieden zwischen Aserbaidschan und Armenien. Und das kann nur am Verhandlungstisch erreicht werden.“

Eine Vertreibung oder erzwungene Abwanderung ethnischer Armenier aus Berg-Karabach sei nicht akzeptabel. Zugleich dürfe die territoriale Integrität und Souveränität Armeniens und Aserbaidschans nicht in Frage gestellt werden. Aus deutschen Delegationskreisen in New York verlautete, es sei bedauerlich, „dass Ungarn als einziger Mitgliedstaat nicht bereit war, eine gemeinsame EU-Erklärung mitzutragen und diese blockiert hat“. Es habe Diskussionen über Sanktionen gegeben, zu denen Deutschland durchaus bereit gewesen wäre.

UNO mahnen zu „echtem Dialog“

Die Vereinten Nationen mahnten in der Sicherheitsratssitzung zu einem „echten Dialog zwischen der Regierung Aserbaidschans und Vertretern der Region“. Oberste Priorität habe der Schutz der Zivilbevölkerung. Russlands Vize-UNO-Botschafter Dmitri Poljanski sagte, nun müsse „eine Wiederaufnahme der Kämpfe verhindert und die Situation wieder in eine politische Richtung gelenkt“ werden. Die Präsidenten von Aserbaidschan und Armenien hätten sich in Telefonaten mit Wladimir Putin zu einer Deeskalation verpflichtet.

Das christlich-orthodoxe Armenien und das muslimische Aserbaidschan, beides im Südkaukasus gelegene Ex-Sowjetrepubliken, sind seit langem verfeindet, wobei nach einem Krieg Anfang der 1990er-Jahre um die zu Aserbaidschan gehörende, mehrheitlich aber von Armeniern bewohnte Region Berg-Karabach zunächst Armenien die Oberhand hatte. In einem zweiten Krieg 2020 siegte das mit Geld aus dem Öl- und Gasgeschäft hochgerüstete Aserbaidschan und eroberte Teile von Berg-Karabach und eigenes Territorium zurück. In kürzeren Militäraktionen danach besetzte Baku auch etwa 150 Quadratkilometer armenisches Staatsgebiet.

apa

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