Samstag, 26. August 2023

Ein Blick auf eine aktuelle Tabelle – mit einer gut eingestellten Brille

„Ist es sozial gedacht, wenn eine Altenpflegerin 2700 Euro zusätzlich erhält, eine Führungskraft in der Sanität mehr als das Doppelte, also 5550 Euro? Es ist zumindest kein gutes Zeichen für das soziale Südtiroler Gewissen, wenn dieses Geldverteilen nach der Formel ,Wer hat, dem wird (mehr) gegeben‘ so völlig kommentarlos und stillschweigend hingenommen wird“: ein Kommentar von „Dolomiten“-Chef-vom-Dienst Martin Lercher.

„Auch die Politik muss sich Prantls Frage stellen, ob sie genug tut, um den Reichtum in unserem Land gerechter zu verteilen“, schreibt Martin Lercher. - Foto: © 44950767

Worte mit Wucht sind das! In Sozialen Medien kursiert derzeit ein Text von Heribert Prantl, gelernter Jurist, hochklassiger Journalist und brillanter Kommentator bei der Süddeutschen Zeitung. Prantl geht der Frage nach, wer die „sozial Schwachen“ in der Gesellschaft sind. Wenn damit Menschen in Armut beschrieben würden, so sei das „eine pauschale Beleidigung“, schreibt Prantl. Und dann die Hammersätze: „Sozial schwach sind Reiche, die nur ihren Reichtum konservieren wollen. Und sozial schwach ist ein Staat, der nicht alles tut, um die Menschen aus ihrer Armut herauszuholen.“

Prantls Brille leihen wir uns jetzt kurz aus und betrachten damit eine Tabelle, die in dieser Woche unter viel Hurra samt Selbstlob auf den Tisch gelegt wurde. Es ist die Aufstellung der Nach-, Zu- und Vorauszahlungen, die 35.000 öffentlich Bedienstete bald auf dem Gehaltszettel finden werden. Heribert Prantl könnte balkendick und mit Rotstift drüberschreiben: sozial schwach, liebes Südtirol!

Denn aus dem „schönen Paket“ (O-Ton einer Gewerkschafterin) erhalten jene, die eh schon weich sitzen, ein feines finanzielles Zusatzpolster; für Leute in der harten Holzbank-Gehaltsklasse gibt es ein viel dünneres Stückchen Filz. Hilft auch, aber halt nur wenig.

Nur ein sozial starkes Südtirol wird auf Dauer ein starkes Land bleiben.
Martin Lercher, „Dolomiten“-Chef-vom-Dienst


Oder zugespitzter gefragt: Ist es sozial gedacht, wenn eine Altenpflegerin 2700 Euro zusätzlich erhält, eine Führungskraft in der Sanität mehr als das Doppelte, also 5550 Euro?

Es ist zumindest kein gutes Zeichen für das soziale Südtiroler Gewissen, wenn dieses Geldverteilen nach der Formel „Wer hat, dem wird (mehr) gegeben“ so völlig kommentarlos und stillschweigend hingenommen wird wie bei dieser Tabelle. Von den Gewerkschaften zum Beispiel, die zu Recht seit Monaten anprangern, dass die Teuerungswelle vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen trifft. Hätten sie nicht darauf pochen müssen, dass ihnen bei dieser Gelegenheit im öffentlichen Dienst ganz gezielt kräftiger geholfen wird als anderen (übrigens: Was ist mit den Angestellten in der Privatwirtschaft)?

Auch die Politik muss sich Prantls Frage stellen, ob sie genug tut, um den Reichtum in unserem Land gerechter zu verteilen. Das geht auf Dauer nicht mit Millionen aus dem Sozialbudget, mit denen diese und jene „durchgefüttert“ werden. Vielmehr braucht es den Mut, die lautstarken Lobbys der bereits Gutstehenden öfters vor der Tür stehen zu lassen und ganz gezielt jene ins Büro zu holen, die meist überhört werden. Rentner zum Beispiel, die Leute mit Niedriglöhnen etwa im Tourismus, Bergbauern oder viele aus der jungen Generation.

Kurzum: Nur ein sozial starkes Südtirol wird auf Dauer ein starkes Land bleiben!

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ler

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