Freitag, 29. September 2023

„Müssen Hausarztberuf attraktiver machen“

Eine wohnortnahe medizinische Versorgung ist für die Attraktivität des ländlichen Raumes von größter Bedeutung. Doch wegen des demografischen Wandels und der Pensionierungen von Hausärztinnen und Hausärzten in den nächsten Jahren ist die zukünftige medizinische Versorgung nicht mehr garantiert. Welche Maßnahmen es braucht, um dem Hausärztemangel entgegenzuwirken, war Thema eines Webinars der Plattform Land.

Erster Ansprechpartner, wichtige Schlüsselfigur: Hausärzte fehlen in Südtirol zunehmend. - Foto: © dpa-tmn / Christin Klose

Über 350 Stellen sind in Südtirol für Allgemeinmediziner vorgesehen, davon sind derzeit nur knapp 300 besetzt. Da in den nächsten Jahren gar einige Hausärzte in Pension gehen werden und nur wenige Jungärztinnen und -ärzte ihre Ausbildung abschließen, könnte die Lücke noch größer werden. „Dabei ist die wohnortnahe medizinische Versorgung das Fundament des Gesundheitswesens. Zugleich sind die Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Bezugspersonen gerade für ältere Menschen und chronisch Kranke, da sie die Patienten und das soziale Umfeld am besten kennen. Eine Möglichkeit für den ländlichen Raum könnten in Zukunft Gesundheitshäuser mit mehreren medizinischen Diensten sein“, hob der Präsident der Plattform Land, Andreas Schatzer, hervor.

Eine Studie mit Ärztinnen und Ärzten sowie Studierenden aus Nord- und Südtirol zeigt zwar, dass grundsätzlich ein Interesse an der Allgemeinmedizin besteht, aber weniger als fünf Prozent der Auszubildenden sich für die Allgemeinmedizin entscheiden.

„Daher müssen wir den Hausarztberuf insgesamt interessanter und attraktiver machen“, sagte Landeshauptmann und Gesundheitslandesrat Arno Kompatscher. Einiges sei bereits umgesetzt, wie die Finanzierung von Studienplätzen im In- und Ausland, das Ausbildungsangebot an der Claudiana oder eine Zusatzfinanzierung für Hausärzte mit weniger als 1000 Patienten.

Hausärzte entlasten die Krankenhäuser“

Hubert Messner, ehemaliger Primar am Krankenhaus Bozen, sieht auch in der neuen Medizin-Uni eine Chance für neue Hausärztinnen und Hausärzte. Sie seien wichtig, um die Krankenhäuser zu entlasten, erinnerte Messner, der zugleich die Ausbildung an der Claudiana lobte.
Um das Interesse am Hausarztberuf zu steigern, müssten die angehenden Hausärzte in der Ausbildung besser unterstützt und begleitet werden, sagte Kompatscher. Dazu gehöre ein Angestelltenverhältnis für auszubildende Hausärztinnen und -ärzte.

Für den Landtagsabgeordneten Franz Ploner sei es ebenso wichtig, eine Facharztausbildung anstelle einer Sonderausbildung in Allgemeinmedizin anzubieten, wie das im Ausland der Fall sei. Ebenfalls eine Hürde ist für Landeshauptmann Kompatscher die in Italien vorgeschriebene Verdienstobergrenze, die den Hausarztberuf gegenüber anderen Fachrichtungen weniger attraktiv macht.

Lange Wunschliste für Verbesserung der Situation

Neben der Ausbildung will die Landespolitik die Tätigkeit selbst attraktiver machen. So sollen zukünftig mehr diagnostische Leistungen angeboten werden. Zudem sollte nicht-ärztliches Personal, wie Dokumentationsassistentinnen, Krankenpfleger oder Krankenschwestern, die Hausärzte unterstützen. „Auch mehr Digitalisierung, etwa der elektronische Zugriff auf die Patientenakten, und eine bessere Vernetzung aller Akteure – Hausärztinnen, Gesundheitssprengel, Hauspflegedienste und Krankenhäuser – kann die Arbeit der Hausärzte erleichtern“, sagte Bettina Kofler, selbst Hausärztin am Ritten.

Wichtig sind auch öffentliche Investitionen in Arztpraxen und medizinisch-technische Geräte für die Diagnostik, ergänzte Kompatscher. „Und da die Medizin zunehmend weiblicher wird und mehr Frauen in Ausbildung sind, braucht es Teilzeitstellen und Kinderbetreuungsplätze für ärztliches Personal.“ Teilzeit war bislang aber kaum möglich. Bei den Zusatzangeboten insgesamt und bei der Anwerbung von Ärztinnen und Ärzten hinke Südtirol im Vergleich zu anderen Ländern hinterher, ergänzte Kofler. „In der Schweiz wird Ärztinnen und Ärzten der rote Teppich ausgerollt und sie werden bei der Kinderbetreuung sowie der Wohnungssuche unterstützt.“

Manche Leistungen sollen Krankenpfleger übernehmen

Dass es in Zukunft in jedem Dorf einen Arzt gibt, ist kaum denkbar. Daher brauche es Flexibilität und neue Modelle. „Einige Leistungen, für die es nicht unbedingt eine Ärztin braucht, könnten in Zukunft Pfleger oder Krankenschwestern übernehmen“, schlug Kofler vor. Auch werde man sich daran gewöhnen müssen, dass Ärzte aus anderen Regionen oder dem Ausland hierher kommen. Diese müssten dann aber die Sprache der Patienten sprechen. Hier brauche es ausreichend und flexible Sprachkursangebote.

Im Hinblick auf die Seniorenheime berichtete Martina Ladurner, Präsidentin des Verbandes der Seniorenwohnheime Südtirols, dass es einen Mangel an Pflegepersonal gebe. Besonders wichtig sei für die Seniorenwohnheime neben der Versorgung durch ein Ärzteteam die enge Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus.

Auch Apotheken miteinbeziehen

Eine wohnortnahe medizinische Versorgung ist nicht nur für gesunde, sondern besonders für chronisch Kranke und für Menschen mit Beeinträchtigung von existentieller Wichtigkeit, betonten Angelika Stampfl und Anna Cossarini vom Dachverband für Soziales und Gesundheit. Cossarini sprach sich dafür aus, neben hausärztlichen auch fachärztliche Leistungen in regelmäßigen Abständen vor Ort anzubieten. Angelika Stampfl hob die besondere Bedeutung der Initiative DAMA hervor: Dank DAMA werden Menschen mit kognitiv-verhaltensspezifischen Beeinträchtigungen von besonders geschultem, medizinischem Personal in einer besonderen ruhigen Umgebung im Krankenhaus behandelt.

Neben genügend Hausärztinnen und Hausärzten spielen in der Gesundheitsvorsorge auch Apotheken eine große Rolle. Florian Peer von der gleichnamigen Apotheke in Brixen stellte einige interessante innovative Ansätze vor, wie etwa die automatisierte Arzneimittel-Ausgabestelle in Lüsen. In Zukunft interessant könnte auch die Verblisterung sein, wo etwa Apotheken die den Patienten verordneten Medikamente individuell portionieren und verpacken. Dadurch könnten z. B. Seniorenheime entlastet werden. Abschließend wird noch auf die Bedeutung der Prävention hingewiesen. Denn auch wenn diese Geld kostet, wird es ohne Investitionen in die Prävention deutlich teurer werden.

stol

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